Nachdem bereits das Berliner Trio Ye:Solar an Kontrabass, Drums, Electronics und E-Piano die oftmals akademische Musik in einer humorvollen Tanzwut zwischen Acid Jazz, NuJazz und Berlin Electro explodieren ließen, bewiesen Mouse On Mars in ihrer Ungestümtheit perfekt, dass der Jazz ihrer Electronic inhärent ist. Während Andi Thoma und Jan St. Werner sich hinter ihren Manipulationsmaschinen live samplen und zerstückeln, sitzt zwischen ihnen – wie ein wiederauferstandener Jimi Hendrix – Schlagzeuger Dodo Nkishi und liefert den treibenden Grundrhythmus der synkopen Klangexplosion. Anfänglich möchte diese Konstellation an diesem Abend nicht ganz aufgehen und die Befürchtung, Live-Instrumente und Loops können sich nur entweder gegenseitig paralysieren oder zerstören, scheint sich zu bewahrheiten. Nkishi rumpelt leicht offbeat, diese verflixten zehn Millisekunden Beat-Versatz. Doch spätestens nach dem zweiten Titel haben sich Mouse On Mars in ihrem Polyrhythmus der Information-Glitches eingegroovt. Fortan rauschen sie konzeptionell am Rand zum Noise, der sich zu einem ungeheuer dynamischen und erfreulich lauten Acid-Gewitter verdichtet. Fulminant schließen sie diesen Sturm mit ihrem Quasi-Evergreen »Actionist Respoke«, der ein angenehmes Fiepen in den Ohren hinterlässt.
Live waren Mouse On Mars schon immer krachiger als unter dem Kopfhörer. Und das ist auch das beste, was ihren vertrackten Alben passieren kann. Die volle Breitseite statt Shoegazing, Verdichtung bis zum Hyperventilieren anstelle einer 1:1-Livecodierung der Klangfeinheiten ihrer Alben. Diese Mischung aus Improvisationsgeist, Expertise (immerhin sind Mouse On Mars seit 18 Jahren unterwegs) und dem Wissen, experimentelle Strukturen auf der Bühne explodieren zu lassen, machen Mouse On Mars zum herausragenden Live-Act. Und zeigen den Hochschul-Jazzern, dass ihre hochkomplexe Musik mehr als die Summe des Musikstudiums ist. Es ist eine Explosion.