Sonntagabend, 19.55 Uhr. Fünf Minuten vor dem offiziellen Beginn bildet sich vor dem Wiener Flucc eine so lange Schlange, dass sie bis weit über den Praterstern reicht – den großen Verkehrsknotenpunkt am Fuße des berühmten Wiener Wurstelpraters. Am anderen Ende macht der Dönermeister unfreiwillig noch einen guten Sonntagsumsatz, denn wer warten muss, stärkt sich eben. Und das erweist sich als weise Entscheidung. Während ein Bouncer die Menge häppchenweise in die schlauchartige »Wanne« des Wiener Nachtlokals schiebt, fragt man sich kurz, ob man sich im Datum geirrt hat und doch in der Schlange für das hippe Drum’n’Bass-Event steht. Aber nein: Hier spielt heute Abend das Moses Yoofee Trio, das mit seinen zeitgeistigen Ansätzen den Jazz neu definiert.
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MYT
Als man also nach drei Warteschlangen – Einlass, Garderobe, Bar – endlich den Weg zur Bühne gefunden hat und sich zwischen jungen Musikschulabsolvent:innen und alten Connaisseur:innen durchschlängelt, wird klar: Jazz ist wieder cool. Zumindest wenn er aus den Händen und Köpfen der drei Protagonisten des Abends kommt: Pianist und Produzent Moses Yoofee, Schlagzeuger Noah Fürbringer und Bassist Roman Klobe.
Einfach, nicht kompliziert
Dabei bewegt sich das Berliner Trio mit seiner Interpretation des Genres manchmal so fließend an dessen Grenzen, dass man während des Konzerts tatsächlich kurz vergisst, dass man sich auf einem Moses Yoofee Trio-Konzert und nicht in einer Clubnacht befindet. Aber genau darin liegt die Raffinesse und der Reiz der Truppe. Mit ihrem Grenzgang zwischen Hip-Hop, Broken Beat und Fusion gelingt ihnen etwas, das noch einen draufsetzt: Einfach, nicht kompliziert. Sie verzichten auf überladenes Pathos, auf prätentiöse Jazz-Attitüde. Stattdessen spielen sie tight, konzentriert und gleichzeitig locker, als würde sich der Sound wie von selbst entfalten.
Elektronische Beats verzahnen sich mit dem furiosen Spiel von Noah Fürbringer und erzeugen eine ausgelassene Stimmung, ein Gitarrensolo von Roman Klobe versetzt die Location in tiefe Besinnlichkeit und Moses Yoofee spielt mit einer Hand und bedankt sich in aller Ruhe bei der gesamten Crew bis hin zur Bookerin. Das Publikum ist spürbar gefesselt, auch die sonst eher in sich gekehrten Zuhörer lassen sich mitreißen. Einige tanzen, andere wippen mit dem Kopf, fast alle halten irgendwann kurz inne, um das Zusammenspiel zu bewundern. Um Sympathiepunkte müssen sich die drei Musiker jedenfalls keine Sorgen machen. Das zufriedene Publikum hält die Smartphone-Kameras in die Höhe – eine Erinnerung an einen Abend, der sich gelohnt hat.