Schon seit einigen Jahren fließen aus Dänemark immer mehr ungewöhnliche und lebendige Klänge in die Welt – ungewöhnlich im positiven Sinne. Spontanität, raue Töne, Shoegaze-Abstraktionen und subtile Atmosphären sind Schlagwörter, die diese Musik grob zusammenfassen. Es ist die Art Musik, die einem irgendwie bekannt vorkommt, und dennoch experimentelle Ansätze und moderne Produktionstechniken völlig neu arrangiert. Teil dieser Bewegung ist die dänisch-chilenische Komponistin und Sängerin Rebecca Maria Stougaard Molina.
Molinas Hit-Song »Hey Kids« ist eine millionenfach gestreamte Synthie-Pop-Nummer. Und doch dürften die wenigsten die Künsterlin (noch) kennen. Ihre letzten Veröffentlichungen sind schon eine Weile her. Molina, die ihre Musik unter ihrem Nachnamen veröffentlicht, hatte das Gefühl, dass die Songs, die sie zwischen 2017 und 2020 produzierte, nicht widerspiegelten, wer sie als Künstlerin wirklich sein will. Eine Phase der Entfremdung von der eigenen Musik.
When You Wake Up Clear Vinyl Edtion
»Als ich jünger war, habe ich wirklich viel zu viel darüber nachgedacht habe, was ich tat. Ich wollte einfach perfekt klingen«, erzählt sie. Während der dreijähigen Schaffenskrise kamen verschiedenste Gedanken auf, es war jedoch immer klar, dass kein Weg am Musikmachen vorbei führte: »Ich hatte das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde, wenn ich keine Musik mehr machen würde.« Die Idee für andere Musiker:innen zu produzieren, war zwischenzeitlich Option Nummer eins. Doch dann erfolgte eine Neuerfindung der eigenen Musik.
Im Oktober 2024 präsentierte Molina ihr Debütalbum »When You Wake Up« auf dem dänischen Label Escho – ein Kontrast zu ihren vorherigen Veröffentlichungen. Der traditionelle Singer-Songwriter-Rahmen wird auf »When You Wake Up« mehr als ausgereizt. Die Grenzen zwischen den dicht strukturierten Songs und teils geisterhaften Vocals verschwimmen zu weiten und undurchsichtigen Landschaften.
»Ich habe die Kontrolle abgegeben, weil ich nicht wollte, dass alles ›perfekt‹ klingt.«
Molina
»Ich denke, es war die Art und Weise, wie ich das Album produziert habe, die mich inspiriert hat. Ich wollte eine Platte machen, bei der ich eine Menge Spaß und ein leichtes Gefühl hatte.« Ein großen Einfluss auf diese Neuerfindung hatten auch ihre Freund:innen aus Studienzeiten, die sie schließlich ermutigten, etwas zu machen, was sich »ehrlicher« anfühlte. »Ich habe die Kontrolle abgegeben, weil ich nicht wollte, dass alles ›perfekt‹ klingt. Ich wollte einfach neue Gebiete erforschen, an die ich nicht gewöhnt war.«
»When You Wake Up« ist ein wunderbares Sammelsurium aus verschwindenden Field Recordings, alles gemischt von Molina selbst. Es ist eine angenehm verzerrte Shoegaze-Platte, die entwaffnend romantisch Beobachtungen über die Natur und die Welt erzählt. »Ich glaube, dass alle Songs mit einer Menge Neugierde und einem Gefühl des Spielens aufgebaut sind.«
Große Schritte im Spagat
Während der Produktion und Aufnahme ihres Albums ist Molina schwanger. »Es war so eine lange Zeit, in der ich wirklich aufgeregt war. Ich habe die Songs zwei Wochen vor meinem Geburtstermin abgemischt und gemastert.« Die Veränderung ihres Körpers während der Schwangerschaft fließen unweigerlich in ihre Musik ein. »Ich denke, das hat natürlich auch viele der Texte auf dem Album beeinflusst, auch wie sich der Körper verändert hat, sowohl mental als auch physisch. Auch die Stimme ist viel ruhiger und sanfter.«
Schon in ihrer Kindheit in Dänemark nimmt Molina erste Songs mit ihrem Kassettenrekorder auf und legt verschiedene Tonspuren übereinander. Ihr Vater hört hauptsächlich Rap und Hip Hop, ihre Mutter mag Björk, Madonna und Kate Bush. Selber interessiert sie sich eher für Rockmusik, leiht sich Post Punk und Dream Pop CDs aus, bis sie sich entscheidet am angesehenden Rhythmic Music Conservatory, einer Schule, die individualistische Experimente fördert, zu studieren.
»Ich denke, das hat natürlich auch viele der Texte auf dem Album beeinflusst, auch wie sich der Körper verändert hat, sowohl mental als auch physisch. Auch die Stimme ist viel ruhiger und sanfter.«
Molina
Dort lernt sie viele Freund:innen kennen, wie Astrid Sonne, Fine und Clarissa Connelly – sowie ML Buch, mit der sich Molina »gegenseitig Demos zuschickt und austauscht: ›Was denkst du? Was sollte ich tun?‹ Es ist ein wichtiger Teil, dass man immer Unterstützung bekommen kann«.
Besuche im Studio, dass sie gemeinsam mit Erika de Casier nutzt, sind aktuell nur selten möglich. Vielmehr liegt der Fokus auf dem Alltag mit Baby: »Im Moment vermisse ich es wirklich, ins Studio zu gehen. Ich bin einfach sehr beschäftigt mit allen möglichen Dingen.« Darunter fällt auch die Planung einer Tour. »Ich versuche ein Gefühl für all die Konzerte zu bekommen, die ich spielen will. Zunächst möchte ich eine gute Mutter sein und versuche einen Spagat zwischen meinem kreativen Leben und dem Alltag.« Dennoch findet sie noch Zeit an neuen Mixtapes zu arbeiten. Sicherlich sind das kreative Nachwirkungen ihres neu belebten Blicks auf die Musik und das Leben.