Eine bizarre Gestalt betritt am Freitag hinter dem Rücken seines massigen Backups die Bühne des Astra Kulturhauses. Das Gesicht wird von einer silbernen Maske verdeckt und über der Jogginghose wölbt sich eine beachtliche Kugel. Die kleinen Augen blinzeln hinter der Maske in die Scheinwerfer, als er die ersten Verse von Raid, ins Mikrofon nuschelt. Die Halle ist an diesem Abend gefüllt mit Doom-Anhängern, die aufmerksam den Mad Flows des Metalface lauschen. Tatsächlich erinnert der Abend eher an eine geheime Messe als an ein Konzert. Der Held des Untergrunds lässt sich frenetisch feiern und badet, berauscht von der entgegengebrachten Sympathie, in der Masse. Von seinen epischen Abstraktionen abgelöst, beteuert Doom dem seligen Publikum immer wieder seine Liebe und offenbarte väterlich lebensbejahende Weisheiten. Zwischendurch klopft er sich das Mikrofon geistesabwesend gegen die blecherne Stirn und wackelt gemächlich mit seinem Bauch, der immer wieder unter dem weißen T-Shirt aufblitzt.
Der Meister machte seinem Ruf als menschenscheuer Sonderling alle Ehre.
Dabei wechselten die Emotionen vor seinem Auftritt zwischen Euphorie und Empörung hin und her. Angesichts der leeren Bühne verbreitete sich Unmut in der Menge und »Doom«-Sprechchöre vermengten sich mit »Buh«-Rufen. Sogar einige Mittelfinger wurden gen Bühne gereckt. Befürchtungen mehrten sich, ob das endlose Warten nicht doch umsonst sei. Der Meister machte seinem Ruf als menschenscheuer Sonderling alle Ehre. Berüchtigt sind Geschichten über Auftritte, bei denen statt seiner Wenigkeit ein Double mit Lippensynchronisation auf der Bühne stand. Die Faszination, die den Maskenmann umgibt, speist sich v.a. aus dem Mysterium um seine Person. Der Charakter des Daniel Dumile verteilt sich auf viele Alter Egos, die kein anderer Künstler so perfektionistisch trennt wie er, sodass er sich auf einigen Alben in verschiedenen Ausführungen selber featuret. Seine Texte entspringen einer Fantasie, die tief in die Fiktion driftet und düstere Geschichten strickt, inspiriert von dem Bösewicht eines Marvel Comics, Dr. Doom.
Ein gerührter Superheld
Über der Bühne schwebt inzwischen eine wabernde Rauchwolke und die Maske glitzert im roten Licht. Um mich herum nicken die Köpfe in bedächtiger Einigkeit. Das Metal Face erhebt seine Spirit Fingers und die betörte Menge imitiert die Geste. Einen 13-jährigen in der Menge entdeckend, entfährt ihm ein »Fuck it, I’m old«, gefolgt von einem pathosgetränkten Schwenk über die nächste Generation. Mit erstaunlicher Leichtfüßigkeit überwindet er plötzlich den Graben und springt ins Publikum. Wie ein maskierter Engel schwebt Doom, die Hose gefährlich nach unten rutschend, in der Menge, die zufrieden »His Name’s Doom«, die Hook von Benzie Box mitgrölt. Im allgemeinen Durcheinander untergegangen, bahnt er sich den Weg durch die Masse, verteilt dabei überall High Fives und Fist Bumps. Mit Kusshand und einem gerührten »Love All ‘Ya« verabschiedet sich der Meister schließlich pünktlich nach einer Stunde und verschwindet hinter dem Vorhang.
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Als das Licht angeht, blicke ich etwas schwindelig in die grinsenden Gesichter um mich herum. Alle sind noch verwirrt von diesem kurzen, intensiven Erlebnis. Ein gealterter Superheld des Untergrunds, der trotz Maske mit seiner Bequemlichkeitsplauze mehr Teddybär als Supervillain scheint, versprühte an diesem Abend ein Stück seiner »mystery of doom« und suchte gar nicht scheu den Nahkontakt mit der seligen Anhängerschaft.