Seine Musikkarriere begann er als Rap-MC »Haircut«. Haircut, weil er als Kind den regelmäßig anstehenden Friseurbesuch hasste. So bot ihm seine Ma irgendwann einen lukrativen Deal an: »Für jedes Mal Haarescheeren gibt es eine Vinyl« und erzog so ihren Sohn zum Platten-Nerd. Sie war es auch, die den Jungen ans Klavier zwang. Der Vater steuerte den Rest der frühkindlichen Musikerziehung bei. Als Profi-Musiker gab er seinem Sohn Privatunterricht an Bass und Schlagzeug. Mayer entwickelte sich somit von Kindesbein auf zum Multiinstrumentalisten und spielte sein Debüt A Strange Arrangement aus dem Jahre 2009 komplett alleine ein. Das neue Sternchen am Soulhimmel beendete letzte Woche im Berliner Festsaal Kreuzberg mit seiner Band The County seine Deutschland-Tournee. Lukasz Tomaszewski hat das Ausnahmetalent abgegriffen und sprach mit ihm über seinen kurzen Weg vom HipHop zum Soul, seine eigenartige Art Songs zu komponieren und sein im Oktober erscheinendes Album How Do You Do.
Wie kommt ein weißer Mittzwanziger jüdischer Abstammung dazu Soulsänger zu werden?
Mayer Hawthorne: Ich habe als Hip Hop-DJ und Produzent angefangen Musik zu machen. Beim Hip Hop muss man aber ständig auf Rechte der benutzten Samples achten. Das ist wahnsinnig anstrengend! So nahm ich irgendwann ein paar Soul-Nummern auf, um meine eigene Musik zu samplen. Diese Lieder sollten eigentlich nie veröffentlicht werden. Ursprünglich waren sie nur für den persönlichen Gebrauch gedacht.
Dem Hip Hop scheinst du aber den Rücken gewandt zu haben. Und aus den Stücken für den privaten Gebrauch sind international gefeierte Songs geworden. Wie kam es dazu?
Mayer Hawthorne: Als ich nach Los Angeles zog, traf ich auf einer Party Peanut Butter Wolf, den Besitzer des renommierten Hip Hop-Labels Stones Throw. Ich wollte damals noch Karriere in der Rapmusik machen. Er hörte aber meine Soulnummern und sagte mir, ich sollte ein ganzes Album mit dieser Musik produzieren. »Nun«, sagte ich, »das ist eigentlich nicht was ich vorhabe, aber wenn du mich damit auf deinem Label rausbringst, dann kommen wir ins Geschäft«. Ich musste also erst einmal die Figur Mayer Hawthorne erschaffen und eine Reihe neuer Tracks schreiben. Das hat ca. ein halbes Jahr gedauert. Es sollte sich als die richtige Entscheidung erweisen. Warum auch immer: Die Leute stehen auf diesen Sound. Und ich bin dankbar dafür!
Deine Musik erinnert an den schwarzen Motown-Soul aus dem Detroit der Siebziger Jahre. Wie lässt sich die Faszination deiner Generation für diese Musik erklären: Amy Whinehouse, Aloe Blacc, Mayer Hawthorne…Neue Songs fallen mir stets in völlig unpassenden Momenten ein. Zum Beispiel wenn ich im Waschsalon bin oder wenn ich einkaufe.«
Mayer Hawthorne
Mayer Hawthorne: Ich bin in der Nähe von Detroit aufgewachsen und hörte im Auto zusammen mit meinem Vater natürlich die Motown-Klassiker. Ich liebe Musiker wie Curtis Mayfield oder Smokey Robinson. Trotzdem habe ich keine Ahnung wie es in den Sechziger und Siebziger Jahren war. Ich war damals nicht einmal geboren! Ich bin in den Achtzigern aufgewachsen mit Public Enemy, NWA, The Police und Michael Jackson. Meine Musik ist also kein Ausflug in die Vergangenheit, ich will Musik voranbringen und Musik für meine Generation machen.
Du spielst alle Instrumente deiner Aufnahmen selber ein. Vom Schlagzeug bis zur Gitarre. Wie könne wir uns den Entstehungsprozess eines Songs von Mayer Hawthorne vorstellen?
Mayer Hawthorne: Neue Songs fallen mir stets in völlig unpassenden Momenten ein. Zum Beispiel wenn ich im Waschsalon bin oder wenn ich einkaufe. Ich höre dann den Song in allen Facetten. So als würde er im Radio laufen. Dann lasse ich den Einkaufwagen stehen, rufe zu Hause meinen Anrufbeantworter an und singe die einzelnen Spuren hintereinander ein. Die Leute sind oft irritiert und denken sich dann: »Was machte dieser verrückte Kerl hier eigentlich?« Aber ich will einfach in diesem Moment nicht den Song vergessen.
Zuhause angekommen geht es dann in den Flur,wo vermutlich dein Anrufbeantworter steht, und nach dem Abhören direkt ins Schlafzimmer…
Mayer Hawthorne: Wo ich dann meine Songs aufnehme. Anfänglich war es ein absolutes Basis-Equipment und sehr billige Instrumente. Die Vocals habe ich oft sogar über alte Kopfhörer eingesungen. Bei meinem Debüt gab es kein Budget, um mir ein Studio zu mieten. Man nimmt was man hat.
Du hast deine Debüt-Single Just Aint Gonna Work Out auf 7-inch in der Form eines Herzens pressen lassen. Was hat es mit dieser seichten Komposition auf sich?
Mayer Hawthorne: Just Aint Gonna Work Out war der erste Song überhaupt, den ich geschrieben habe. Ich war gerade in Detroit im Auto unterwegs. Auf dem Weg zu einer Geburtstagsparty. Ich habe ihn innerhalb von fünf Minuten auf der Fahrt geschrieben. Er ist das Ergebnis der Trennung von meiner langjährigen Beziehung. Wieder habe ich das Arrangement des kompletten Songs im Kopf gehabt. Das war einer dieser magischen Momente, die für die Ewigkeiten in Erinerung bleiben. Für meine erste Single wollte ich ein Denkmal bauen. Es sollte für Platten-Nerds wie mich etwas ganz besonderes sein. So entschied ich mich die Single in der Form eines Herzen zu pressen. Natürlich wusste ich nicht ob ich überhaupt 1000 Kopien verkaufen würde. Und die Produktionskosten für solch ein Experiment waren ziemlich teuer. Aber Peanut Butter Wolf war von der Idee begeistert und finanzierte den Spaß.
Lass uns über das neue Album sprechen. Was erwartet uns im Oktober?»Die letzten zwei Jahre waren ein unglaublicher Lernprozess: Was ist ein richtiger Sänger und wie kann ich meine Stimme als Instrument benutzen? Ich hoffe, dass man das auf dem neuen Album hört!«
Mayer Hawthorne
Mayer Hawthorne: Es heißt How Do You Do, weil ich denke, dass ich langsam meine eigene Stimme finde. Es ist wirklich die Einführung zu meinem persönlichen Stil. Ich habe viele meiner alten Einflüsse ausgeblendet und etwas Eigenes geschaffen. Für die Aufnahmen bin ich zurück nach Detroit gegangen, denn hier spürt man den Soul am stärksten. Als ich A Strange Arrangement aufgenommen habe, wusste ich nicht wirklich, wohin die Reise gehen soll und mein Gesangsstil war noch nicht ausgereift. Die letzten zwei Jahre waren ein unglaublicher Lernprozess: Was ist ein richtiger Sänger und wie kann ich meine Stimme als Instrument benutzen? Ich hoffe, dass man auf dem neuen Album also einen dramatischen Unterschied in der Qualität der Vocals hört!
Und du produzierst immer noch alle Arrangements und spielst die Instrumente selber ein?
Mayer Hawthorne: Ja, und ich habe extrem viel über das Produzieren selbst gelernt. Alle Aspekte, von der Produktion und dem Arrangement bis zum Spielen der Instrumente und dem Songwriting hat sich verbessert.
Der einzige Song des neuen Albums, den du bisher veröffentlicht hast ist No Strings: Basslastiger als die bisherigen Songs und mit 80er-Synthies versehen. Charakterisiert er die neue Ausrichtung?
Mayer Hawthorne: Das ist einer der wenigen Songs die ich nicht produziert habe. Es stammt aus der Feder des Duos Classics. Das war eher ihr Sound. Sie haben mir den Track gesendet und ich habe die Vocals geschrieben. Eigentlich war es für ihr Projekt gedacht, aber ich mochte den Song so sehr, dass ich ihn völlig neue überarbeitet auf meinem neuen Album präsentieren werden.