Jimmy Asquith ist gestresst. Vorgestern noch ist er in eine alte Lagerhalle umgezogen, eben gerade hat er Plattencover abgeholt und morgen steht schon ein DJ-Gig an. Nächste Woche muss er gleich fünf verschiedene Plattenpressungen abholen. »Das wird immerhin nicht ganz so schlimm wie der Umzug«, lacht er und nippt an seinem Tee. Seine eigene Plattensammlung musste der ehemalige Mitarbeiter des Londoner Plattenladens »Kristina« vor dem Umzug in einem separaten Lager unterbringen, es waren schlicht zu viele. »Ich bin total unorganisiert, aber genau das mag ich. Bei mir zuhause lag das Vinyl in großen Haufen herum, komplett unsortiert. Bevor ich zu meinen DJ-Gigs aufbrach, wühlte ich mich durch die Stapel und nahm mit, was mir in die Finger kam. Manchmal lege ich Platten auf, ohne zu wissen, was ich selbst gleich hören werde«, grinst er.
Das Label als Startrampe
Ganz anders geht Jimmy Asquith seine Arbeit als Labelbetreiber an: Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Penibel werden die Releases auf das Hauptlabel Lobster Theremin oder die beiden frisch aus der Taufe gehobenen White-Label- bzw. Black-Label-Reihen verteilt. »Mit der White-Label-Serie erkunden wir alternative House-Entwürfe, die schwarze Reihe legt den Schwerpunkt auf Techno«, erklärt Jimmy Asquith. Und das Mutterschiff? »Das ist stilistisch eher offen und spielt vor allem mit der visuellen Gestaltung.« Asquith versteht Lobster Theremin als Startrampe für junge und bisher unentdeckte Talente, die er in minutiöser Arbeit über Soundcloud oder Bandcamp auftreibt und als aufwändig gestaltetes Gesamtpaket präsentiert. »Dabei wollen wir keine Kompromisse eingehen, sondern nachhaltige Produkte anbieten, an die sich die Leute gern erinnern und behalten möchte. Unsere Releases sollen mehr als bloß Tonträger sein, sondern eine Einheit für sich«, betont er.
Ein Release pro Monat, das war der Plan gewesen, als die »Equation«-12“ von Palms Trax im September 2013 erschien. Asquith erinnert sich an die Zeit, bevor die brillante Chicago-House-Hommage auf den Dancefloors einschlug: »Merkwürdiger Weise bin ich sehr ruhig und selbstbewusst gewesen. Ich habe so fest an die Musik, die Künstler und das Label geglaubt, dass ich alles andere ausgeblendet habe. Natürlich bestand auch die Chance, dass es anders laufen könnte. Nach der tollen Resonanz auf das erste Release wusste ich aber, dass ich dranbleiben musste.« Gesagt, getan. Mehr als ein Dutzend 12“s folgten, die nächsten zwanzig Releases sind schon fest eingeplant und der Veröffentlichungsplan steht bis Mitte 2015 fest. Die Frequenz wird hochgeschraubt: In Zukunft werden es drei Releases pro Monat, darunter auch das erste Full-Length, eine Doppel-LP von Chicago Jim. Grund zur Freude? Nicht ganz: »Ich habe noch viel mehr Musik auf meiner Festplatte und es ist frustrierend, sie nicht sofort veröffentlichen zu können«, grollt Jimmy Asquith.»Wir wollen keine Kompromisse eingehen, sondern nachhaltige Produkte anbieten, an die sich die Leute gern erinnern und behalten möchte.«
Jenseits aller Grenzen
Ob das australische Projekt Daze, der nach Berlin umgezogene Brite Palms Trax oder der in der Slowakei lebende Ungar Imre Kiss – das Personal von Lobster Theremin lässt nicht nur stilistisch, sondern auch geografisch alle Grenzen hinter sich. Aber was ist eigentlich der kleinste gemeinsame Nenner, der den rohen Techno von Manse mit dem fluffigen House-Entwurf eines Palms Trax verbindet? Jimmy Asquith muss nachdenken. »Die Musik ist vor allem warm und analog. Ich glaube, wir lieben einfach gute Pads. Jedes unserer Releases bisher hat sehr schöne Synthesizer-Pads«, lacht er und kann sich ein augenzwinkerndes »Wenn deine Pads nichts taugen, dann tut es mir leid, aber: Ich werde deine Musik nicht veröffentlichen!« nicht verkneifen.
Sein Humor spielt auch in das Auftreten des Labels hinein. Jimmy Asquith sieht darin sogar ein Alleinstellungsmerkmal, das Lobster Theremin von ähnlichen Labels unterscheidet. »Wir sind sehr nahbar. Wenn du den Namen hörst und das Logo siehst, nimmst du es vielleicht zuerst nicht ernst. Zugleich schreckt es aber auch nicht ab, weil es nicht versucht, etwas zu sein, was es nicht ist«, erklärt er. Nicht, dass ihm das reichen würde: Jimmy Asquith hat bereits ein neues Label gegründet. Es trägt den Namen Mörk und widmet sich dem düsteren und dubbigen Spektrum von House-Musik. Auch davon wird in Zukunft sicherlich viel zu hören sein.