Als Lefto vor einigen Jahren beim Auflegen auf Gilles Peterson traf, hatte er mit dem Kopf von Brownswood Recordings und dem Worlwide Imperium die perfekte Blaupause gefunden. Der DJ aus Belgien steht für einen Sound, der sich über Diversität und Vielfalt definiert, der Zusammenhänge finden will und Brechungen umarmt, weil in ihnen eine Selbstverortung aus einer äußeren Perspektive möglich ist. Wenn der imperialistische und verstaubte Begriff der World Music noch irgendeine Gültigkeit hat, dann ist das, was Lefto vertritt World Music. Wie Gilles Peterson mit seiner Worlwide Show in der BBC permanent Brücken und Verknüpfungen schlägt und mit Brownswood eine Plattform für genau diese geschaffen hat, hat Lefto mit seiner eigenen Radioshow bei Studio Brüssel seit mehr als zehn Jahren einen ähnlichen Ansatz verfolgt.
Zwar stets im Hip Hop beheimatet, jedoch begierig auf die musikalische Vielfalt und die neuen Möglichkeiten der Vernetzung und Verschränkung, erkundet er von Kasachstan bis Tokio Musik rund um den Globus und fügt so Stück für Stück seinem Kaleidoskop weitere Segmente hinzu. Dass sich diese Fähigkeit, Querverbindungen herzustellen auch in seinen DJ Sets niederschlägt, machte Lefto schnell zum Resident beim alljährlichen Worldwide Festival in Südfrankreich und auch sonst ist er bei Peterson’s »Worldwide Everything«, wie er es nennt, immer mit dabei. Seine Arbeit als DJ sieht er dabei als kuratorische. Es gehe darum, Menschen mit Musik zu konfrontieren, die sie aus eigenem Interesse oder ihrem Umfeld niemals gehört hätten. So erinnert er sich an diese Momente, da Menschen nach einem Set auf ihn zugekommen seien und sagten: »Ich habe keine Ahnung, was ich da gehört habe, aber ich bin voll darin aufgegangen.«
»Der richtige Mensch kann den Soul einer Stadt in sich tragen.«
Lefto
So ist es kaum verwunderlich, dass Lefto auch in einem weiteren Projekt in seiner Heimatstadt Brüssel involviert ist, das sich genau mit dieser kuratorischen Perspektive auch jenseits des Dancefloors beschäftigt: 22 Tracks In 22 Tracks wird hier wöchentlich der Versuch unternommen, eine Stadt und ihren Sound zu porträtieren. Momentan sind neben Brüssel noch Amsterdam, London und Paris vertreten, das Ziel der Plattform sind 22 Städte. »Du musst jemanden finden, der die Stadt kennt, nicht nur eine bestimmte Szene.« So arbeite die Plattform zwar mit Genres, versuche diese aber so weit es geht zu differenzieren. »Die Genre sind ein Einstiegstor, ein Stichwort, bei dem das Interesse beginnt, aber nicht aufhört.« Von »Dub Vibes« bis »Tropical« tauchen bei 22 Tracks Genre auf, die auch der Tag-Logik unserer Zeit gerecht werden wollen, aber ohne dabei etwas auszuschließen. Lefto ist wöchentlich für die Global Sounds zuständig. Tatsächlich ist die Auseinandersetzung mit dem Sound einer Stadt aus seiner multinationalen und multikulturellen Perspektive eine zentrale seiner Arbeit. Dabei plädiert Lefto stets für die Personifizierung dieses Sounds. Es geht um Vertrauen. Er glaubt nicht, dass man, um den Sound einer Stadt zu verstehen, die Stadt kennen muss, den Kontext verstehen muss. Er glaubt nicht an die Verzerrung und Verfremdung dieses Kontextes nachdem eine Subkultur in andere Teile der Welt exportiert wird (so wie es mit dem New Yorker Hip Hop geschehen ist). Das Missverständnis, das bei der Imitation in der Popkultur eine große Rolle spielt, ist für Lefto weniger entscheidend. »Der richtige Mensch kann den Soul einer Stadt in sich tragen. Dann kann es kein Missverständnis mehr geben, da diese Menschen den Soul der Stadt in einem bestimmten Genre zu einer bestimmten Zeit repräsentieren und man dies versteht, ohne es erklären zu müssen. Dieses Vertrauen ist die Credibility dieser Menschen. Man macht die Erfahrung der Stadt durch eine andere Person vermittelt.« Mit dieser Philosophie im Gepäck macht er den Club zu einem intimen Ort der Weitergabe von kulturellem Wissen, das sich im Körper manifestiert. Der DJ wird dabei zu einem Kurator und Zeremonienmeister, der über dieses Wissen verfügt.