Die eigene Sammlung als Businessplan: Stefaan Vandenberghe kennt das Musikgeschäft seit langem. Als DJ reiste er um die Welt, besuchte Künstler und Labels, im Internet finden sich diverse Artikel zu seinem Namen. (Unter anderem über seine umfangreiche Plattensammlung, die die Grundlage für die Gründung seines Labels Sdban bildete. Angeblich will ihm niemand mehr beim Umzug helfen). Auf seinen Reisen besuchte Vandenberghe auch immer die kleinen Plattenläden vor Ort, um sich mit lokalen Releases einzudecken.
»Mehr als einmal bin ich auf coole belgische Veröffentlichungen gestoßen, die aber in ganz anderen musikalischen Genres angesiedelt waren und in der Szene oft unterschätzt wurden«, sagt Vandenberghe. Bei einer dieser Gelegenheiten kam ihm die Idee, das Label zu gründen. Ein Label, das sich auf diese Perlen spezialisiert und sie einem neuen Publikum zugänglich macht.
»Die meisten dieser Tracks waren B-Seiten, Produktionsmusik oder einfach in kleinen Auflagen ohne richtige Promotion versteckt«. Der Businessplan? Ein Bauchgefühl. »Basierend auf meiner Leidenschaft für Musik und der Erfahrung, die ich in den vielen Jahren des Plattensammelns gesammelt habe.« Schon damals ist klar: Da viele Veröffentlichungen in den 1960er und 1970er Jahren erschienen sind, wird es ein Abenteuer, die Rechte dafür zu bekommen. Oder die Rechteinhaber überhaupt zu finden.
Bauchgefühl als Businessplan
Der Name des Labels leitet sich vom Namen des Labelchefs ab: Aus Stefaan macht man eine exotischere Variante und erhält das spanische Esteban. Von da aus geht es phonetisch weiter zu Sdban. Und die Plattensammlung: Vandenberghe schätzt, dass er über 55.000 Platten besitzt. »Eine sehr vielfältige Sammlung mit viel elektronischer Musik wie Jazz, brasilianischer Musik, Afro, Disco, Funk und Dub«.
Mit »Funky Chicken« erschien 2014 die erste Compilation des Labels – eine Reihe belgischer Funktitel aus den 1970er Jahren. »Anstatt verschiedene Singles oder Alben neu zu veröffentlichen, dachte ich, dass eine schöne Compilation mehr Sinn machen würde. Inklusive Liner Notes, damit die Hörer die Idee des Labels verstehen«. Einen bestimmten Sound oder eine Szene habe es in Belgien zu dieser Zeit nicht gegeben, sagt Vandenberghe. Jeder machte irgendwie sein eigenes Ding. »Als ich ›Funky Chicken‹ zusammenstellte, stellte ich fest, dass viele Künstler noch nie voneinander gehört hatten«. Belgien ist kein großes Land, und doch hat jede Region ihre eigenen Clubs, ihr eigenes Nachtleben.
»»Mehr als einmal bin ich auf coole belgische Veröffentlichungen gestoßen, die aber in ganz anderen musikalischen Genres angesiedelt waren und in der Szene oft unterschätzt wurden.«
Stefaan Vandenberghe
Von da an ging es weiter mit diversen Veröffentlichungen und Compilations. Mit dabei: Koen De Bruynes Album »Here Comes The Crazy Man!« Eine mit Fusion aufgepumpte Platte, die ursprünglich 1974 erschien. Drei Jahre später starb De Bruyne. Heute hat das Album in der belgischen Szene Kultstatus. Eine unterschätzte Platte, sagt Vandenberghe.
Sdban gehört zum belgischen Label und Vertrieb N.E.W.S., das bereits seit 1994 besteht. Die Geschäftsräume befinden sich im nördlichen Teil von Gent. (Gute Voraussetzungen: nette Stadt, nicht zu groß, aber eine lebendige Szene, viele Kreative). 21 Musikliebhaber arbeiten hier in allen Bereichen der Musikindustrie und früher oder später auch für die Veröffentlichungen von Sdban, wo neben Vandenberghe auch Ilja Bracke arbeitet.
Anlaufstelle für Talente
Kurz nach der Gründung von Sdban stellte Vandenberghe fest, dass es auch in der aktuellen Jazzszene eine ganze Reihe talentierter belgischer Künstler:innen gibt. Was also tun? Ein Schwesterlabel gründen. Mit Sdban Ultra gibt es nun eine Anlaufstelle für aufstrebende Musiker:innen wie die Soulsängerin Adja. »Ich hatte die Befürchtung, dass diese Künstler:innen die gleichen Probleme haben könnten wie die Leute, die in den Siebzigern veröffentlicht haben – keine Promotion, schlechter Vertrieb, jahrelang unentdeckt.« Da hilft der Ruf des Originals: Vandenberghe bekommt viel Musik zugeschickt oder von anderen Musikern des Labels zugesteckt. Heute gehören Bands wie Black Flower, STUFF, ECHT, De Beren Gieren und andere zum Programm.
»Ich habe das Glück, dass es in Belgien eine so fruchtbare Szene gibt, und während sich die ältere Generation weiterentwickelt, wartet eine neue Generation darauf, entdeckt zu werden.« Mit Sdban gibt es einen Ort, der all das einfängt. Dank eines Labelchefs mit dem richtigen Bauchgefühl.