Label Watch: Hands In The Dark

26.09.2024
Hands In The Dark hat sich zu einer der besten Adressen für unaufdringliche, aber emotionale Experimentalmusik entwickelt. Das französische »Micro-Label« hat mehr Profil, als es sich selbst zugesteht.

Müsste ich den Katalog von Hands in the Dark mit einem Wort einordnen, wäre das: Post-Minimalismus. Denn was die Releases des Labels aus Besançon vereint, ist ein Wille zur Reduktion. Oberflächlich hält sie wenig zusammen. »Wir finden es schwierig, ein einfaches Genre zu benennen, das die Künstler*innen in unserem Katalog auszeichnet«, meinten die Label-Gründer Morgan und Onito einmal. HITD bringt genauso melancholischen Ambient wie verspielter Krautrock oder kopflastiger Jazz heraus. Vielleicht könne man noch sagen, dass »der übergreifende Zugang größtenteils Avant-Garde oder experimentell sei«. Ich würde weiter gehen: Alle Alben im Katalog von Hands in the Dark sind vorsichtig und zurückhaltend.

Drei Beispiele: Teil des Hands In The Dark-Kosmos ist Läuten der Seele. Das Solo-Projekt des Brannten-Schnüre-Musikers Christian Schoppik klinge wie der Soundtrack zu einem »bedeutsamen, tiefen Krater, dessen Leere großen Verlust anzeigt«, steht in einer Review von Pippo Kuhzart. Nicht ganz Ambient, nicht ganz Elektroakustik, entwirft Läuten der Seele mit verzerrten Heimatfilm-Ausschnitten gespensterhafte Landschaften.

Demgegenüber schlägt das Jazz-Quartett Selvhenter in eine andere Kerbe. Ihre futuristischen, psychedelisch, zeitweise ekstatisch hat die Musik der vier Frauen oberflächlich keine Ähnlichkeiten mit den Geisterwelten von Läuten der Seele. Doch ihre geduldigen, nicht-linearen Motiventwicklungen sind ähnlich unaufdringlich. Die Rechnung ging auf: 2023 gewannen Selvhenter bei den Danish Music Awards in der Kategorie »Bestes Jazz-Album«.

Ein weiteres Highlight des Katalogs ist wohl Tomagas »Intimate Intensity«. Stilistisch erinnert die Komposition an cineastische Bearbeitungen der Rhythmik-Stücke von Steve Reich oder Laurie Spiegel. Doch spricht aus ihr eine seltene Zärtlichkeit. »Eine Musik, die sich in dein Inneres schleicht und dich erfüllt«, stellte Sebastian Hinz 2021 fest.

Ein diverser Katalog

Wer nach Harsh-Noise oder Brötzmann-artigen Improvisationen sucht, für die* oder den* ist Hands In The Dark also nicht die richtige Anlaufstelle. Vielmehr scheint sich das Label auf jene Art von Experimental-Musik zu konzentrieren, die nicht vom Schönen ablässt. »Der gemeinsame Nenner ist, dass die Musik, die wir herausbringen, uns bewegen muss«, führen die Label-Gründer aus. Musik, die der Soundtrack ihrer eigenen Leben sein könne oder Musik, die aus Freundschaften entsteht, gehöre dazu. Sie führen aus: »Es ist uns wichtig geworden, uns proaktiv der Massenkultur und allem Negativen, das sie bringt, zu widersetzen.«

»Der gemeinsame Nenner ist, dass die Musik, die wir herausbringen, uns bewegen muss.«

Morgan & Onito (Hands In The Dark)

Augenscheinlich wurde das im Zuge der französischen Parlamentswahlen 2024. Es sei zwar »nicht unsere Art« sich direkt zu politischen Belangen zu äußern, stellten Hands In The Dark in einem Facebook-Posting vom 17. Juni fest. Doch an einem »Wendepunkt unserer Geschichte« kämen sie nicht umhin, sich gegen die »ekelerregenden Ideen des Rassemblement National, seinen unverdeckten Rassismus, seine Homophobie, seine Feindschaft gegenüber den arbeitenden Klassen und Frauenrechten« zu wenden. Das Schöne ist nicht quietistisch. Es ist still und leise engagiert.

Man muss im Katalog von HITD nicht lange suchen, um Musik zu finden, die sich einer desolaten Welt entgegenstellt. Matthias Peuch feiert vom Klimawandel bedrohte Gletscher, Andrea Taeggi macht Beats mit Militärtechnologie aus dem Kalten Krieg, Schatterau setzt sich mit ostdeutscher Entfremdung auseinander. In allen findet sich jene minimale Schönheit, die Massenkultur etwas Positives entgegensetzt. Hands In The Dark hat mehr Profil, als sie sich selbst zugestehen.