»Oft bringt die härtesten Umstände die beste Musik hervor«, sagt David Durbach aka DJ Okapi im Gespräch. Mit Afrosynth gräbt er südafrikanische Musikgeschichte aus. Seit 2017 hat Durbach fast 20 Alben auf seinem Label geborgen. Die meisten Stücke stammen aus einer Zeit, in der im südlichsten Land Afrikas noch die sogenannte Rassentrennung herrschte. Ein spezieller Sound war in dieser Zeit populär: Bubblegum, jene Mischung aus Disco und Soul, die in den 1980er Jahren von Johannesburg bis Kapstadt aus den Lautsprechern rauschte.
Man höre darin die Selbstermächtigung der Schwarzen Bevölkerung, die jahrzehntelang vom kulturellen Leben abgeschnitten war, schrieb Lars Fleischmann über die Musikrichtung. Bubblegum sei damals aber abwertend so bezeichnet worden, sagt David Durbach. »Der Sound hatte etwas Eskapistisches, manche behaupteten sogar: Oberflächliches. Die Leute glaubten deshalb, dass sich die Lieder nicht mit der politischen Unterdrückung befassen. Doch die Bubblegum-Musiker wussten, dass sie ihre Botschaften verstecken müssen, wenn sie im Radio laufen wollten.«
Das Label als Aufarbeitungsstrategie
Durbach kommt 1983 in Kapstadt zur Welt. Als die Apartheid aus der Verfassung verschwindet, drückt er die Grundschulbank. In den späten 2000er Jahren zieht es ihn in den Norden, nach Johannesburg. »Die Stadt befindet sich im Zentrum der südafrikanischen Kultur« so Durbach. »Sie ist Mittelpunkt der Politik, hier spielt sich das Leben ab. Kapstadt war dagegen viel eurozentrischer«. Außerdem sind die großen Aufnahmestudios und Labels in »Joburg«. Wolle man etwas über die Musikindustrie lernen, müsse man dorthin. »Und das wollte ich.«
2009 startet Durbach Afrosynth – als Blog, um Informationen über Alben der südafrikanischen Musikgeschichte verfügbar zu machen. 2015 eröffnet er einen Plattenladen, zwei Jahre später folgt das Label. In diesem Prozess sei es ihm immer darum gegangen, die Geschichte seines Landes durch die Musik zu verstehen, sagt Durbach. »Afrosynth ist meine Art, etwas über mich als weißer, männlicher Südafrikaner in diesem Land zu lernen. Es gibt mir das Gefühl, dass ich in diesem Land und mit diesem Erbe eine Rolle spielen kann. Außerdem will ich mit dem Label einen Teil der Geschichte bewahren, für den sich die meisten Leute nicht mehr interessieren.«
33 geheime Veröffentlichungen
Mit der Arbeit an Compilations für Labels wie Cultures of Soul und Rush Hour lernt Durbach, was dazugehört, wenn man alte Platten lizensieren will. Daraus habe sich der Kontakt zu Maurice Horwitz, dem Besitzer des Independent-Labels Music Team ergeben. Horwitz kennt die südafrikanische Musikindustrie seit den 1950er Jahren und habe alles gesehen, so Durbach. »Er war wie ein Mentor für mich, weil er mir ein Gefühl davon vermittelt hat, wie die Musikindustrie während der Apartheid aussah. Außerdem besitzt er einen riesigen Katalog an Musik. Die erste Veröffentlichung von Afrosynth habe ich deshalb von ihm lizenziert.«
»Beginn dein Label nicht mit Katalognummer eins, sonst wissen alle, dass du gerade erst anfängst.«
Maurice Horwitz gab Durbach noch einen weiteren Tipp, damit dieser (Durbach) nicht bei Null beginnen müsse: »Ich weiß bis heute nicht, ob er mich auf den Arm genommen hat. Jedenfalls meinte er: ›Beginn dein Label nicht mit Katalognummer eins, sonst wissen alle, dass du gerade erst anfängst.‹« Tatsächlich steht auf dem ersten Afrosynth-Release die Nummer 34. »Maurice sagte: ›Drei plus vier ist sieben und sieben ist eine Glückszahl.‹ Das mag kein ernstgemeinter Ratschlag gewesen sein, aber ich hab ihm damals geglaubt. Manche suchen deshalb immer noch nach 33 geheimen Veröffentlichungen.«
Now Dance
Seit Kurzem lebt Durbach wieder in Kapstadt – wegen seiner Familie und den Umständen in Johannesburg. Meistens gebe es die Hälfte des Tages keinen Strom, die Stadt sei schlecht verwaltet, Korruption und Kriminalität stiegen, sagt der DJ. »Niemand ist überrascht, wenn ich erzähle, dass ich zurück nach Cape Town komme.« Dazu käme, dass sich seine Arbeit mit Afrosynth inzwischen viel stärker ins Internet verlagert habe als während der Gründung des Labels. »Am Anfang war ich viel in Plattenläden unterwegs, hab in Archiven rumgewühlt und Kontakte geknüpft. Sie helfen mir mittlerweile, dass ich Musik weiterhin aus Kapstadt lizenzieren kann.«
Zukünftig will sich Durbach mit Afrosynth stärker auf den Sound der südafrikanischen 90er Jahre fokussieren. »Ich will zeigen, wie House nach Südafrika kam und wie die Leute den Dancefloor in ihren eigenen Kontext übersetzten.« Kwaito ist dieser Dancefloor. Die Musik entstand nach dem Ende der Apartheid, als die Menschen neuen demokratischen Optimismus schöpften. Dadurch entwickle sich das Label nicht nur in eine neue Richtung, so Durbach, »es erzählt auch einen weiteren Teil von Südafrikas Musikgeschichte.«