Mark Van De Maat treibt sich seit jeher in Nischen um. Ob in den besetzten Häusern der östlichen Niederlande, wo er aufwuchs und in Punkbands sang, oder als Veranstalter in den dunkleren Kellern der Amsterdamer Partyszene, wo er abseits des brummenden süßlichen Disco-House versuchte, mit DJs wie Lena Willikens oder Rabih Beaini einen düsteren Technosound zu etablieren. Damals fehlten ihm dort »abenteuerlichere, weniger komfortable Sounds«. Für genau die hat er sich in den vergangenen Jahren mit seinem Label Knekelhuis irgendwo zwischen New-Wave-Nostalgie, Techno-Ahnenforschung und melancholischen Dancefloor-Krachern eine eigene anachronistische Nische gegraben.
Die Schallplatten des Labels Knekelhuis findest du bei uns [im Webshop](https://www.hhv.de/shop/de/knekelhuis-electronic-dance/i:D2L595N93S6U9.)
Die Geschichte von Van Knekelhuis wäre fast sehr kurz geworden: »Anfangs dachte ich mir: Bringen wir für jedes Release zwei Künstler zusammen, die sich nicht kennen und noch nie zusammen gearbeitet haben, damit sie zusammen jammen«. Also stellt er 2013 Electro-Hoffnung Cliff Lothar und Electro-Retter Danny Wolfers aka Legowelt einander vor. Gemeinsam nehmen sie als Pagan Sector die 12“ Hermopolis Magna auf, die 2014 als erste Platte auf Knekelhuis erscheint – was natürlich gebührend gefeiert werden will. Im Rahmen des Amsterdam Dance Events (ADE) lädt Knekelhuis mit Hieroglyphic Being und Beau Wanzer im Amsterdamer Club Radion zu einer Releaseparty. Er lacht, als er heute erzählt: »Es kamen aber nur 80 Leute und wir verloren 2.000 oder 3.000 Euro. Alles war natürlich DIY, das Geld kam aus unseren eigenen Taschen. Das hat das Label erst einmal gefickt und alles stand still – zumindest eine Weile lang«.
Die Geschichte von Knekelhuis ist zum Glück auch eine übers Weitermachen, denn die Idee hinter dem Label ist schon deutlich älter als das erste Release. Diese Idee wurzelt in einer Zeit, in der der junge Mark Van De Maat zwichen Hengelo und Enschede durch besetzte Häuser und linke Kulturzentren im ländlichen Osten der Niederlande tingelte, Konzerte organisierte und in Punk- später auch in Metal-Bands sang.
Nach einigen Jahren Moshpits begann Van De Maat, sich dort zu langweilen. Auch der Umzug nach Amsterdam, wo die Punkszene aktiver und größer war, half nichts. »Das fand damals in dieser linken Aktivismus-Ecke statt und nach ein paar Jahren fühlte ich mich da ein wenig festgefahren. Mit der Zeit wurde alles radikaler, vieles war sehr dogmatisch, also verließ ich diese Szene«.
In den lokalen Dorfdiskotheken, wo auf einem Floor Metal läuft, auf dem nächsten Trance und auf dem nächsten Top 40, hatte er vor seinem Umzug nicht nur seinen späteren Freund Dollkraut kennen gelernt, der als De Ambassade den Stil von Knekelhuis später so personifizieren sollte wie kein zweiter Künstler – Van De Maat lernt dort auch auf elektronische Musik kennen und schätzen. »Das öffnete mir die Augen, weil das so gar nicht politisch war. Ich war also eine Art Sellout, aber das ist mir egal«.
In dieser neuen Nische gibt es für den routinierten Digger plötzlich tausende Klassiker und millionen Subgenres zu entdecken, allerdings begeistert er sich auch immer mehr für obskure DIY-Tape-Releases aus den 1980er Jahren. »Kassetten-Blogs wie 433 Lost Forgotten Music oder Tapedeck waren Blogspot-Seiten von Leuten, die seit Jahren Kassetten sammelten und anfingen, diese zu digitalisieren«.
Die Künstler hinter diesen obskuren Releases vermischten in den frühen Achtzigern wie selbstverständlich Drumcomputer und verzerrte Gitarren, Post-Punk und Disco – Rock und elektronische Musik lagen nie wieder so nah bei einander, obwohl Van De Maat die beiden wieder zusammen führen wollte: »Ungefähr 8 Jahre, nachdem ich mit Punk aufgehört hatte, hörte ich immer noch heavy Musik und fragte mich: Kann man die beiden Welten wohl irgendwie kombinieren? Also buchte ich Black Metal Bands, um danachn Leftfield-DJs wie Rude 66 oder Das Ding spielen zu lassen«.»Ich habe versucht die beiden zu vereinen, aber es hat nicht geklappt«
Mark Van De Maat
Viele teilten seine Vision eines zur Party mutierenden Konzertes, doch es gab ein Problem: Das Rock-Publikum wollte nach dem Konzert keinen DJ hören, sondern ging schnurstracks nach Hause. Deshalb war tote Hose, bis um 1 Uhr, wieder Publikum zum tanzen kam. »Ich habe versucht die beiden zu vereinen, aber es hat nicht geklappt«.
Van De Maat hat sich aber zum Glück weder von Parties, noch vom Labelgeschäft traumatisieren lassen und stets weitergeackert. Dass Knekelhuis 2016, also 2 Jahre nach dem Radion-Fiasko, aus der Asche auferstand, lag aber vor allem daran, dass er Musik von Freunden veröffentlichen wollte: Also veröffentlichte er Virgin Of The World, die erste Platte von Parrish Smith, »einem sehr guten Freund und Verwandten von mir«. Dieses zweite Knekelhuis-Release ist kantiger, mutiger und dreckiger als Hermopolis Magna – ein Wegweiser für die Zukunft des Labels: Statt Trends hinterher zu laufen, zelebriert Knekelhuis lieber aus der Zeit gefallene Elektronik.
Wer den Gong noch verpasst hatte, hörte ihn spätestens einen Monat später zum Release der 7inch Wat Voel Je Nou von Dollkraut. Die anachronistischen Stücke klingen wie das kürzlich auf einem Dachboden entdeckte Proberaum-Gold irgendeiner deprimierten niederländischen Schulband aus den frühen 1980er Jahren – und schlugen ein wie sonstwas. »Ab dann rollte alles«. Können Tausende Discogs-Wants, Sammlerpreise und (bisher, Hint!) zwei Nachpressungen lügen?
Früher war er Coach für verhaltensauffällige Menschen, mittlerweile ist Van De Maat dankbar, sein Geld mit der Musik verdienen zu dürfen – nicht zuletzt mit dem Bandprojekt Volition Immanent.
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