King Krule – The Fine Line: »Cause if you going through hell/We just keep going«

09.10.2013
In »The Fine Line« nehmen wir eine Textzeile, einen Wortfetzen und suchen in ihm und von ihm ausgehend nach einer Geschichte. Manchmal ist es nur eine Anekdote, aber manchmal eine ganze ungeahnte Welt. Es ist ein schmaler Grat.

When positivity seems hard to reach /
I keep my head down and my mouth shut /
Cause if you going through hell /
We just keep going

(aus: »Easy Easy«)

»Easy Easy« wird in keinem Buch gedruckt werden. Dass diese Textzeile von King Krules Debütalbum »6 Feet Beneath the Moon« hier geschrieben steht, liegt nicht an ihrer lyrischen Qualität. Doch wer die Stimme des erst 19-jährigen Rotschopfs aus England kennt, wird den Satz anders lesen, nämlich mit der tiefen brüchigen Stimme, die diese Worte beiläufig, ohne Kraft, doch unter Schmerzen herausspuckt. Und nur mit dieser Stimme entfalten sie ihre Wirkung. Das ist die dichterische Qualität von King Krule, bei dem die Grenzen von Gesang und Spoken Word in der Form und auch im Inhalt permanent verwischen: King Krule liebt Rap und das hört man. »Easy Easy« also. Das assoziiert man in Großbritannien v.a. mit dem schottischen Fußballgesang und genau, dem Arbeitermilieu. Im zu großen Sacko läuft King Krule im Video mal den Cricket-Schläger, mal die Hände in lässigen Rapperposen schwingend, durch dieses bleiche Südostlondon, in dem es nicht viel zu tun zu geben scheint und dass ein bisschen aussieht wie in einem Video von The Smiths aus den späten Achtzigern. »Ow no I should’ve kept my receipts / Cause the sandwich I bought / Yeah it’s been off for a week / And Tesco’s stealing my money«, kratzt er und folgert dann dass er lieber seinen Mund hält und: »we just keep going«. King Krule’s »Easy Easy« bringt ein zentrales Gefühl seiner Generation auf den Punkt: Gleichgültigkeit. In seiner Art zu singen, in dieser Verweigerung den Kiefer zu bewegen, steckt eine unendliche Müdigkeit, eine tiefe Enttäuschung, die so zeitgemäß wie seit den Thatcher-Jahren nicht mehr ist. Apropos 1986, The Smith’s: Englands Arbeitslosenquote hat sich im vergangenen Jahr zum ersten Mal wieder jener aus den späten Achtzigern genähert, die Jugendarbeitslosigkeit war niemals höher und vor zwei Jahren entlud sich die Wut der seit jenen Thatcher-Jahren gefestigten Zwei-Klassen-Gesellschaft auf den Londoner Straßen, auch in King Krule’s Hood Peckham. Damals kommentierte er die Unruhen mit »It’s about the idea that the generations above me have really fucked up what’s happening now«. In der britischen Fernsehserie »This Is England ’86«, die vor drei Jahren gedreht wurde, wird eine Jugend portraitiert, die die Freiheitsversprechungen des Erwachsenenalters als Farce begreift und für die die Realität ein Leben in Kompromissen bedeutet. This Is England ’13? Und statt Aufbegehren regiert die Langeweile: »Well, easy easy /There’s no need to take that tone / Well easy / I’m on the telephone / Man just leave us alone«. King Krule ist der Prophet der Stunde.