In der Columbiahalle ist es bereits heiß und stickig, als Archy Marshall alias King Krule auf der Bühne erscheint. Seine schmale Silhouette ist im Dunst aus der ständig laufenden Nebelmaschine und dem schummrigen blauen, roten und orangenen Licht kaum erkennbar. Umso eindrucksvoller klingt die Musik, die in sich abwechselnden Wellen aus jazzig-melancholischen und aufbrausenden Gitarrenschrammeln sowie aufheulendem Saxofon von der Bühne schallt.
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Der Londoner selbst mäandert mit etwas hurtigem Gang auf der Bühne hin und her und raunt in den kleinen Pausen zwischen Tracks ins Mikro, wobei nur Wortfetzen zu verstehen sind. Auch ein paar Scherze erlaubt er sich – so lässt er an einer Stelle des Konzerts das Publikum gemeinsam Miauen. Dagegen kommen Worte seiner Songs mit so viel Nachdruck und Drang von seinen Lippen, als würde er sie dem Publikum entgegen spucken und speien.
Er spielt Stücke aus seinem aktuellen Album, »Space Heavy«, sowie Klassikern wie »Dum Surfer« und »Easy Easy«. In der direkten Gegenüberstellung im Live-Konzert wird dabei deutlich, wie weit Marshall in seiner nun über zehn Jahre spannenden Karriere gekommen ist. Seine Musik verbindet ein gitarrengetriebener, melancholisch-sehnsüchtiger Sound, der durch Jazz-Anleihen und gedämpften Beats einen meist düsteren Anstrich erhält. Doch während die Songs älterer Alben oftmals von einer Gitarrenmelodie getragen mit anekdotischen Erzählungen von London und mal mehr, mal weniger funktionierenden romantischen Beziehungen gespickt sind, widmet er sich auf »Space Heavy« einem mehrlagigen Klang aus jazzig rauschendem Schlagzeug, sanften Synths und Gitarren in Post-Punk-Ästhetik. In vorherigen Werken klang dieser Entwurf an. Auf »Space Heavy« findet er Vollendung.
Real geworden
Hoffnungsvoller und sanfter, aber gleichzeitig auch realistischer bearbeitet Marshall auf dem Album Themen um Vaterschaft und gesellschaftliche Spannungen. Weit entfernt scheint der 19-Jährige, der vor zehn Jahren mit »6 Feet Beneath the Moon« sein Debüt präsentierte, und nun mit 29 Jahren sein Publikum auffordert, nach den Sternen zu greifen. Denn was folgt ist »Seaforth«, ein Song seines aktuellen Albums, der seiner Tochter gewidmet ist und in dem Marshall rührende Worte findet: »I see you, the same eyes / reflect the world that falls apart / there’s a fire in my heart / ‘cause this faith is all I have.«
Space Heavy Black Vinyl Edition
Das Potpourri aus Jazz, Post-Punk und Trip Hop donnert und schallt durch den Saal, vermengt sich mit der Hitze der im ausverkauften Venue im Rhythmus mitschwankenden, schwitzenden Körper, den Schwaden der Nebelmaschine und dem schweren Licht, sodass die Columbiahalle, die ihr Fassungsvermögen von 3.500 Personen ausreizt, wie ein kleiner Underground Club wirkt. In diesem schummrigen Mikrokosmos gelingt es King Krule innerhalb von fast zwei Stunden immer wieder Brücken zwischen ausladenden Passagen, in denen Gitarren und Saxofone auskreischen, und gefühlvollen, fast introvertierten Stellen zu schlagen. Ein erwachsener Künstler. Ein immer noch außergewöhnlicher Künstler.