Abriss. Ein Wort, das gerne fällt, wenn Menschen nach einem Konzert den energetischen Auftritt eines Künstlers loben. Am 1. April fiel das Wort Abriss schon vor dem Konzert. Mehrmals und überall. Es ging dabei allerdings nicht um Live-Auftritte, sondern um den Ort, an dem King Krule an diesem Abend auftreten würde: das Gebäude 9 im Kölner Stadtteil Mülheim. Seit einer guten Woche verbreitet sich nun die Nachricht, dass der traditionsreiche Veranstaltungsort einem Wohngebiet weichen soll. Mühlheim soll modernisiert werden. Man kennt das ja aus anderen Großstädten: Der Bagger kommt und macht aus Kunst, Kultur und Geschichte mal eben schicke Eigentumswohnungen und sterile Gewerbegebiete. Gebäude 9 und seine Verwandten weichen Projekten, deren Naming schon erahnen lasst, wer es sich nach dem großen Neubau noch leisten kann, dort zu verkehren. In diesem Fall im »Euroforum Nord«.
Das kann einen ganz schön traurig machen, wütend machen muss es einen. Vor allem, wenn man mal erlebt hat, wie viel Seele in diesem Veranstaltungsort steckt. Es herrscht eine spezielle Atmosphäre zwischen den alten Fabrikgebäuden mit ihren Fassaden aus Backstein und dem Gebäude 9 mit seinen Lichterketten und Bierbänken. An diesem Abend packte ein Musiker noch eine Extraportion Innenleben oben drauf: King Krule hatte Bock.
Bock zu bleiben
Der Junge mit den langen Hemden, den kleinen Augen und dem Rotschopf hat das nicht immer. Die Kollegen vom Fader mussten neulich erleben, dass Archy Marshall aka King Krule durchaus zu spätpubertierenden Diva mutieren kann und sich verweigert, irgendwelchen Erwartungen gerecht zu werden. Vielleicht lag es daran, dass dieser 1. April sein Tour-Auftakt war, jedenfalls steckte King Krule genau das in sein Live-Set, was seine Musik auszeichnet: Seine ganze Stimme mit all ihren Emotionen.
Einmal spuckte er versehentlich auf den Boden, als er mit wutverzerrtem Gesicht Abschätziges über irgendeine Ex von sich gab. Für den nächsten Song vergrub er sich mit geschlossenen Augen im Mikrofon, bevor sie im nächsten Moment leer über das Publikum schweiften.
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Die kurzen Pausen zwischen Songs nutzte er, um Nicht-Informationen von sich zu geben: »The next song is about reptiles.« Künstler von Krules Format können sich das eben erlauben. Weil sie nicht mehr brauchen als ihre Kunst, um mitzureißen. Und das Publikum ließ sich mitreißen. Es war deutlich spürbar, dass viele wussten, dass sie hier im Gebäude 9 einen außergewöhnlichen Künstler sahen. King Krule ist ein Großer. Er wird stehen bleiben. Noch eine ganze Weile, im Kreis der spannensten Musiker der Gegenwart. Dieser Abend war ein weiteres Argument dafür, dass auch das Gebäude 9 das dürfen sollte: bleiben.