Kaitlyn Aurelia Smith nutzt Strom zur Erzeugung von Ruhe

21.05.2020
Foto:Chantal Anderson © Ghostly International
Ihre Musik ist wie ein langer, ruhiger Fluss aus Strom: Kaitlyn Aurelia Smith macht mit Synthesizern und Stimme Musik, die mehr auf Entspannung als auf Anspannung setzt. Ihr neues Album erweitert diesen Weg durch Körperbewegungen.

Maschinenmusik. Das Wort ist so stark, weil es starke Assoziationen weckt. Kraftwerk lieferten mit ihrem elektronischen Volkslied »Wir sind die Roboter« eine höchst anschauliche Hymne für dieses Genre: Musik, mit Maschinen (Synthesizern) gemacht und anscheinend für Maschinen (Roboter) als Publikum bestimmt: »Jetzt wollen wir tanzen mechanik«. Andere Musiker wie Brian Eno haben mit Konzepten wie der generativen Musik diesen Gedanken noch radikalisiert und Maschinen entworfen, die mit geringem menschlichen Input endlos eigene Musik erzeugen. Und schon im frühen 20. Jahrhundert legte der Komponist Alexander Mossolow sein Werk »Eisengießerei« vor, eine von Menschen aufzuführende Orchestermusik, die so ähnlich klang wie Fabrikmaschinen. Ein unscharfer Begriff, diese Maschinenmusik, wie es scheint.

Auch die US-Amerikanerin Kaitlyn Aurelia Smith macht Maschinenmusik, wie so ziemlich alle ihre Kollegen aus der elektronischen Musik. Von Mensch-Maschine-Fantasien im herkömmlichen Sinn ist ihr Schaffen jedoch denkbar weit entfernt, auch wenn Mensch und Maschine in ihren Klängen auf ganz eigene Weise verbunden sind.
Die auf dem entlegenen Orcas Island im Staat Washington aufgewachsene und heute in Los Angeles lebende Komponistin bedient sich mächtiger Maschinen. Bevorzugt nutzt sie modulare Synthesizer wie den Buchla 200e oder den Buchla 100, wuchtige Kisten mit vielen Kabeln, die sich immer wieder neu und anders herumstecken lassen. Die Maschinen umgeben sie beim Musizieren – und der Strom, der sie am Laufen hält. Als sanftes Fließen muss man sich diesen Strom vorstellen, aus dem Smith ihre locker gewirkten tönenden Gewebe ganz behutsam schöpft.

Ihr aktuelles Album »The Mosaic of Transformation« hat sie als eine Würdigung der Elektrizität bezeichnet. Dies geschieht mit dem leicht ätherischen Gesang ihrer hell-klaren Stimme und den darum herum gruppierten pulsenden, pluckernden, wogenden und sich bauschenden Klängen, die nicht in jeder Sekunde nach artifiziellen Verschaltungen klingen, sondern hin und wieder auch nach elektrischen Streichern oder Bläsern. Eine freundliche Elektrizität, ohne Zweifel. Auf Nachfrage schreibt sie dazu: »Für mich ist Elektrizität das, was alles belebt. Ich fühle mich zu ihr hingezogen aus Bewunderung und Respekt für ihre lebensspendende Kraft.«

»Für mich ist Elektrizität das, was alles belebt. Ich fühle mich zu ihr hingezogen aus Bewunderung und Respekt für ihre lebensspendende Kraft.«

Kaitlyn Aurelia Smith

Auch das »Mosaik« im Titel, das auf den Zusammenhang der einzelnen »Sätze« der Platte untereinander verweist, führt sie letztlich auf Elektrizität zurück: »Der Prozess bei der Entstehung dieses Albums lief stets Stück für Stück ab. Zusammen, miteinander verbunden, erzeugen alle diese Sätze einen Ausdruck, so wie die Klänge zusammen, in Verbindung, Musik erzeugen. Verbindung ist dabei ein weiterer Aspekt von Elektrizität, der mich inspiriert. Ohne Elektrizität zum Beispiel ist ein Synthesizer bloß eine Ansammlung von nebeneinander liegenden Komponenten. Wenn aber Strom durch ihn fließt, erzeugt er Verbindungen.«

Musikmachen hat für Kaitlyn Aurelia Smith immer auch mit der Verbindung von Akustischem und Optischem zu tun. Für »The Mosaic Of Transformation« entwickelte sie sogar eine Bildsprache aus Bewegungen. Diese begleiteten den Klang für sie auf ganz natürliche Weise: »Ich sehe immer Bilder, wenn ich Musik schreibe, und diese Bildsprache habe ich gesehen, als ich die Musik zum ersten Mal innerlich hörte.«

Auf dem Cover kann man einen Eindruck davon gewinnen, wie diese Bewegungen aussehen (»movement« bedeutet im Englischen sowohl Bewegung als auch den Satz als musikalische Form). So ist auf der Vorderseite die Künstlerin höchstselbst in einer der von ihr entwickelten Posen zu sehen, dreifach gespiegelt. Da die Art, wie sie ihren Rücken biegt, an eine Variante der Yoga-Position »Rad« erinnert, ließe sich eine weitere Verbindung herstellen: zu ihrem Album »Tides: Music for Yoga and Mediation« vom Vorjahr. Ihre Auskunft dazu: Das Album sei ein Geschenk an ihre Mutter, die selbst Yogalehrerin ist.

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Neben der familiären Prägung gibt es für Kaitlyn Aurelia Smith noch einen weiteren Grund für diese Art der Verbindung von Musik und Körper, denn für sie gilt: »Beide bestehen aus Schwingung und Elektrizität.« Wobei einige für Yoga typische Haltungen ebenfalls in ihre Musik einfließen. So steht hinter dem Album für sie die Absicht, »Freundlichkeit durch Klang mit anderen zu teilen«. Der Weg dahin ging über zwölf verschiedene Fassungen, die für sie wie ein »Reinigungsprozess« waren. Konsequenterweise bewahrte sie keine der vorangegangenen Versionen auf. Wem das alles leicht esoterisch erscheinen mag, dem begegnet Kaitlyn Aurelia Smith mit dem Hinweis, sie betrachte sich keinesfalls als New Age-Musikerin. »Aber ich habe nichts dagegen, wenn andere diesen Ausdruck verwenden.