Nicht viele Karrieren nehmen einen so eleganten Start wie die von Jungle. Gleich mit seinem ersten Lebenszeichen, dem Downbeat-Disco-Track »Platoon«, katapultierte sich das bis dato gesichtslose Projekt auf die Startseiten der Blogosphäre. Nicht ganz unbeteiligt am Hype war ein kleines Mädchen im zarten Grundschulalter, das im zugehörigen Video lupenreine B-Girl-Moves performte. Die Anonymität durch stellvertretende Tänzer erwies sich auch mit dem zweiten Video »The Heat«, einer aufsehenerregenden Rollschuh-Choreo im 80er-Tracksuit-Gewand, als Erfolgsrezept. Jungle hatten sich nun nicht nur auf die Timelines deiner Freunde gemogelt, sondern sicherten sich auch einen Vertrag bei der britischen Hypemaschine XL Recordings. Dieser Tage erscheint dort das selbstbetitelte Debütalbum.
»Fruity Loops« im Kinderzimmer
Das Mysterium um Jungle ist mittlerweile gelüftet – zumindest in Teilen. Tatsächlich stecken weder professionelle Tänzer noch wiederauferstandene Disco-Legenden hinter dem Projekt, sondern zwei bleiche Briten aus dem Londoner Westen, die sich im Gespräch schlichtweg als J und T vorstellen. Auf die Anfänge ihrer Musik angesprochen, beginnen die beiden Mittzwanziger unbeschwert über ihre Kindheit zu sinnieren. Die benachbarten Elternhäuser führten zu ausgedehnten Aufenthalten auf dem Spielplatz; in der Adoleszenz entwickelten die beiden dann ein gemeinsames Interesse an der Musik. Mit der kaputten Gitarre eines Onkels, dem ersten Heimcomputer im Hause Js und der »Fruity-Loops«-Demo
aus der Kellogg’s-Packung werkelte man an ersten Aufnahmen und verarbeitete die örtlichen Musikeinflüsse, die irgendwo zwischen The Clash und den 7-Inches aus dem Hause Studio One lagen. Der plötzliche Erfolg sei dann vielmehr ein glücklicher Zufall gewesen, als eine ausgeklügelte Strategie: »Die Idee für das Video kam von unserem guten Freund und Manager Sam, der in dem Song ›Platoon‹ großes Potential sah. Wir haben damals eigentlich nur abgehangen und in Js Schlafzimmer Songs aufgenommen«, erzählt T.Während des gesamten Gesprächs posiert das Duo mit größtmöglicher Gelassenheit. Tatsächlich hinterlassen die beiden aber eher den Eindruck, der Gedanke an die unbeschwerte Kindheit sei so etwas wie der einzige Ausweg aus ihrer Realität.
Auf den ganzen Zirkus des Musik-Business hätten J und T eigentlich eh keine Lust. Es ginge ihnen schlichtweg um die Unbefangenheit der Kindheit, die sie sich mit ihrer Musik bewahren wollten. »Früher war man weniger zynisch, lebhafter und spontaner. Im Alter beginnt man dann, zu viel über Sachen nachzudenken«, meint T. Also tun die beiden einfach so, als wären sie noch immer die zwei sorglosen Knaben, die in ihrer Freizeit fantasiereiche Bilder malen. »Wenn wir einen Song schreiben, versetzen wir uns oft an imaginäre Orte«, erklärt J. »Etwa ein unglaublich voller Strand zwischen Rio, Miami und Venice Beach. Die Leute surfen, im Meer schwimmen Haie und an der Promenade fahren Affen auf Motorbikes. Am Ende dieses Strandes ist ein Festival und auf der Bühne steht eine Band, die sich keiner ansieht – diese Band spielt ›The Heat‹«.
Nostalgie ohne Knistern
Dass Jungle vor leerem Publikum spielen, ist seit jener zweiten Single tatsächlich eher eine Illusion. Die britische Rundfunkinstanz BBC nahm »The Heat« in ihr Programm auf und J und T verkauften bereits ihr erstes Konzert in London in nur einem Tag aus. Seitdem stehen sie mit siebenköpfiger Band auf der Bühne, spielen so ziemlich jedes erdenkliche Festival und können sich gerade nicht entsinnen, bis zum Sommer nächsten Jahres noch ein freies Wochenende zu haben. Während des gesamten Gesprächs posiert das Duo mit größtmöglicher Gelassenheit. Tatsächlich hinterlassen die beiden aber eher den Eindruck, der Gedanke an die unbeschwerte Kindheit sei so etwas wie der einzige Ausweg aus ihrer Realität.
Auf die Frage, ob ihrer Musik eine Nostalgie anhänge, antworten sie schließlich, dass das unumgänglich wäre, wolle man sich eine Reinheit im Denken bewahren. Womöglich macht eben diese Haltung nicht nur die zwei Jungs, sondern auch ihre Musik so ungreifbar. Als Soul wurde ihr Sound oft verbucht – die Ecken und Kanten alter Soul-Produktionen sucht man auf ihrem ersten Langspieler aber vergebens. Auch von einem herbeigeschworenen Knistern, mit dem so manch einer die Retro-Welle reitet, ist auf »Jungle« nichts zu hören. Stattdessen werden soulige Motive mit einer sterilen Soundästhetik aus der Disco-Ära und einer unidentifizierbaren Kopfstimme zu zeitgemäßem Ohrwurm-Pop vermengt, der merkwürdig körperlos bleibt und doch unweigerlich zum Tanz bittet. Jungle positionieren sich damit irgendwo zwischen Nostalgie und Naivität. Ob sie sich der trügerischen Abhängigkeit des Pop von seiner eigenen Vergangenheit bewusst sind, verrät dieses Album nicht. Und vielleicht ist es genau das, was einen konsequent dazu überredet, diese Platte noch einmal zu hören.Auf die Frage, ob ihrer Musik eine Nostalgie anhänge, antworten sie schließlich, dass das unumgänglich wäre, wolle man sich eine Reinheit im Denken bewahren.
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