John Roberts ist gestresst. Der wohlerzogene Nicht-mehr-so-ganz-Neuberliner, der von den Feuilleton-Houslern der Hamburger Dial-Familie recht zügig adoptiert wurde, lässt sich dies aber nicht anmerken. Vielmehr lässt ihn ein Gefühl der Überwältigung den typischen Promostress nicht nur tolerieren, sondern genuin genießen. Die Rückmeldungen für »Glass Eights« sind überragend, was nicht weiter überrascht, angesichts der Tatsache, dass Roberts hier das elektronische Erbe seiner Teilzeitheimaten New York und Chicago in einen so furiosen wie personalisierten Zugang zu elegischen House-Tracks übersetzt, dessen Ganzes eben mehr als die Summe seiner Teile ist. Die Frage, wie er denn mit der minutiösen Dekonstruktion seiner bisweilen höchst introvertierten Musik klar kommt, veranlasst Roberts dann auch nicht, elitäre Genieposen einzunehmen. Stattdessen spürt man eine tiefe Erleichterung, ja Dankbarkeit, angekommen zu sein, verstanden zu werden.
Create Something Out Of Nothing
Dabei hat Roberts durchaus einiges gewagt. Glass Eights ist weit davon entfernt funktional zu sein, das Hände-in-die-Luft-Publikum wird sich mit den zum Teil komplex arrangierten Kollagen, die in ihrer nerdigen Detailverliebtheit durchaus an Instrumental-Hip Hop-Helden erinnern, schwer tun. Endtroducing auf House gebürstet, wenn man das Namensspiel denn spielen muss. Diese Parallele zu Hip Hop wirkt weniger an den Haaren herbeigezogen, wenn man weiß, dass ein Video, das zeigt, wie Madlib in einem Hotelzimmer mit einem Boss Dr. Sample und einem Spielzeugturntable herumdaddelt, zu einer großen Inspirationsquelle für den in Cleveland Geborenen wurde. Create Something Out Of Nothing und so. Der entscheidende Kick, dieses Musikding ernsthaft anzugehen, kam dann vom früh erfolgreichen, gleichaltrigen Jimmy Edgar. Begeistert von der Einzigartigkeit der Edgar’schen Produktionen, aber auch angestachelt vom Gefühl, das auch schaffen zu können, machte sich Roberts daran, seinen heutigen Sound zu entwickeln.
Genau das macht Glass Eights dann auch so speziell: Roberts kann chirurgisch präzise arbeiten, er gewährt seiner Musik aber jene Leerstellen und Brüche, die gerade elektronischer Musik aus Deutschland so oft fehlen, und haucht ihr damit neues Leben ein.
Florian Aigner
Kathartische Ahnenforschung
Und diesen darf man heute, völlig hyperbelfrei, auch gut und gerne als einzigartig bezeichnen. Als ich dann, journalistentypisch dennoch nach Vergleichen ringend, den Namen Larry Heard in den Raum werfe, strahlt Roberts. Heard wäre einer der besten House-Produzenten aller Zeiten, Amnesia ein großer Einfluss, und kaum jemand hätte es geschafft, so viele verschiedene Projekte zu produzieren und ihnen dabei immer den eigenen Stempel aufzudrücken. Von Großmeister Heard arbeiten wir uns zu Roberts liebsten Dance Mania- Maxis vor. Vincent Floyd, Parris Mitchell, Slugo und Tone – nach der zuvor bereits beschriebenen Madlib-Anekdote schließt sich hier wieder ein Kreis. Von Roberts‘ Liebeserklärungen an das sehr spezielle (= oft gar nicht vorhandene) Mastering der frühen Chicagoer Warehouse-Trax und deren Fortführung auf Labels wie Dance Mania bis zum programmatischen Vinylrauschen und der jackenden Roland auf Roberts‘ eigenen Tracks wie Dedicated oder Porcelain, ist es dann tatsächlich nur noch ein Steinwurf. Genau das macht Glass Eights dann auch so speziell: Roberts kann chirurgisch präzise arbeiten, er gewährt seiner Musik aber jene Leerstellen und Brüche, die gerade elektronischer Musik aus Deutschland so oft fehlen, und haucht ihr damit neues Leben ein – womit ihm genau das gelungen wäre, was schon seine Vorbilder auszeichnete. Aber das würde er natürlich nie für sich reklamieren.