Auf Jimi Tenor ist Verlass. Der Finne mit den feschen Anzügen liefert ein Album nach dem anderen. Seit 30 Jahren. Jimi, der eigentlich Lassi heißt, hat deshalb eine lückenlose Diskografie. Sie reicht von nudelnder Eisbeckenmusik über einen Dancefloor-Mitsinger und Einträgen in den Warp-Katalog bis hin zur Hawaiihemd-Neuerfindung mit Afrobeat und Jazzorchestern. Der Superkleber? Sein Saxofon. Meistens auch die Querflöte. Immer aber: space als place.
In den 90ern war Tenor unterwegs mit den Buben von Pan Sonic. Sogar den Labelfilm zu Sähkö Records hat er gedreht. Dieses Meisterwerk verstaubt auf YouTube, aber zeigt, wo Jimi herkommt: aus der DIY-Kultur, Abteilung verrückte Finnen, die mit Lötkolben hantieren und Mikrofone schlucken. Eine andere Zeit sei das gewesen, genauso wie die Sache mit dem Techno. Der sei ihm aus Versehen passiert, hat Jimi Tenor vor ein paar Jahren erzählt: »Im Club rumzustehen und bunte Knöpfe zu drücken, wäre aber auf Dauer nichts für mich gewesen. Auch wenn ich damit gut verdienen hätte können.«
Ein kleiner Mix für die Menschheit
Also prescht er in andere Gefilde vor. Als ihn das Raritätenlabel Strut für ein neues Projekt mit Tony Allen zusammenführt, öffnet sich das Kapitel Afrobeat. Eines, an dem Jimi Tenor bis heute arbeitet – mit Bigbands, im Trio, zwischen Kuba und Nigeria.
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Zwischendurch blickt Jimi Tenor aber auch zurück. Auf Bureau B verkabelt er ältere Schaltkreise. Der Drum Computer war eh nie ganz weg. Für das Label Philophon von Max Weissenfeldt – einer seiner vielen Kosmonautenfreunde – schlüpft Jimi in den Space-Anzug. Den hat er seitdem nicht mehr ausgezogen, nur manchmal die Raumstation gewechselt. Auf Timmion Records fragt Jimi zuletzt: »Is There Love in Outer Space?«. Mögliche Antworten auf diese Vielfalt finden sich in den von ihm ausgewählten zehn Schallplatten, die ihn geformt, gebessert und gebildet haben.
Jimi Tenor: Dieses Album war eine große Sache für mich, als ich 19 oder 20 Jahre alt war. Ich liebe die Synthesizer-Sounds darauf. Es klingt, als hätten sie teures Equipment im Studio gehabt, und ich glaube, das war auch der Fall. Ich habe ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass sie einige maßgeschneiderte Sampler und so weiter hatten. Ich liebe die Einfachheit des Gesangs und der Texte. Es muss eine große Hürde für sie gewesen sein, englische Texte zu schreiben. Mein Lieblingslied ist »Gradated Gray«. Ich habe es wieder und wieder gehört. Dieses magische Synthesizer-Blasinstrument ist einfach so gut. Vielleicht ist es ein Sample von einem exotischen Blasinstrument… Ich weiß es nicht.
RedaktionJimi Tenor: Ich hatte das Album damals auf CD. Ich glaube, es gibt es auch auf Vinyl. Ich hatte die Special Edition mit VHS-Kassette, CD und Postkarten, die von Blast First herausgegeben wurde. Ich liebe Sun Ra und habe alle seine Alben gehört. Aber ich glaube, die frühen Siebziger waren die beste Zeit seiner Karriere. Er hatte den Moog und die Farfisa, die Songs waren eingängig, aber auch sehr anspruchsvoll. June Tyson war in der Band und sang mit dieser theatralischen, fast brechtschen Stimme. Ich weiß noch, wie ich sie zum ersten Mal hörte und sie viel zu künstlerisch fand. Aber dann habe ich mich an ihren Stil gewöhnt und fand ihn von da an großartig. Ich habe Sun Ra etwa 1990 in New York gesehen. Das war ein Erlebnis, das mein Leben verändert hat. Bei diesem Konzert war die Big Band, die Sun Ra einheizte, eine der legendären professionellen Big Bands. Sie waren auch großartig… aber als Sun Ra die Bühne betrat, flippten die Leute aus. Der Unterschied war zu groß! Zu Gunsten von Sun Ra.
RedaktionJimi Tenor: Foetus hatte einen großen Einfluss auf mich. Ich mochte seine Big-Band-Samples. Seine Musik basierte auch sehr auf Samples. Ziemlich industriell. Ich kann mir vorstellen, dass seine Musik viele dieser elektronischen Industrial-Acts wie Nine Inch Nails beeinflusst hat. Wer weiß… Jedenfalls war dieses Album für mich als Teenager sehr wichtig. Ich liebte das Cover, all die japanischen Texte. Es war hart und mysteriös.
RedaktionJimi Tenor: Ich erinnere mich, dass ich »Zombie« und »Nail« direkt nacheinander gekauft habe. Innerhalb einer guten Woche. Ich wusste sowieso, was ich suchte. Ein Freund hatte mir von Fela Kuti erzählt, »dessen Intros 10 Minuten dauern«. Eine klassische Saxophonmelodie und ein Solo eröffnen die Platte. Fela war Trompeter, lernte aber später Saxophon, um einen großen Musiker in seiner Band zu ersetzen, der gestorben war. Ich weiß, dass einige Saxophonisten seinen Sound nicht mögen, aber ich mag ihn. Er spielt mit Energie und ist sehr innovativ. Ein Genie. Sein Auftritt bei Africa 70 war meiner Meinung nach der beste der Welt.
RedaktionJimi Tenor: Die Energie ist von den ersten Basstönen an großartig. Ich habe das Album sogar zweimal. Mitte der 1990er Jahre war ich besessen vom Sound von Pharoah Sanders. »Colors«, »Creator Has a Master Plan«, »Thembi«… Er ist übrigens ein großartiger Komponist. Ich liebe auch sein Altflötenspiel auf »Blue Nile« von Alice Coltrane. Oh, ich wünschte, ich hätte einen Sound wie Pharoah Sanders! Aber das ist nicht der Fall. Aber ich denke, es ist in Ordnung, so zu klingen wie ich. Viele Leute mögen Free Jazz nicht, aber ich denke, Alben wie dieses könnten ein guter Ausgangspunkt sein, um sich an improvisierte Musik zu gewöhnen. Dieses Album hat gute Beats, tolle Ideen und auch eine gute Melodielinie. Ich finde, dass eine Melodielinie die Komplexität und den Reiz frei improvisierter Musik erhöht. Sie bringt eine überraschende Ordnung in den Lärm. Ohne diese Ordnung kann der Lärm grau und einfach werden.
RedaktionJimi Tenor: Ah, das ist ein Album, das wirklich Trost spendet! Ich denke oft an dieses Album, wenn ich versuche, eine Richtung in meiner Kunst zu finden. Wenn ich das Gefühl habe, dass mein Saxophonspiel schlecht ist. Dann denke ich an die Moldy Peaches. Wenn der Tontechniker zehn Mikrofone am Schlagzeug anbringen will, lehne ich das ab, denn das wäre nicht das, was die Moldy Peaches gemacht hätten. Ich sehe viele Parallelen zu meiner eigenen Musik. Mein bestes Material habe ich zu Hause mit ganz einfachen Mitteln aufgenommen. Ich musste den Kühlschrank ausschalten, um Knackgeräusche in der Aufnahme zu vermeiden. Das Telefon konnte mitten in der Aufnahme klingeln.
RedaktionJimi Tenor: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dieses Album für mich nicht enorm wichtig war. Es war großartig! Mein Lieblingsstück ist »We Will Fall«. John Cale spielt Geige. Ich liebe die Hippie-Musik der 60er Jahre, und dieses Stück gehört zu diesem Genre, ob man will oder nicht. Natürlich hat diese Musik eine etwas düsterere Stimmung. Ist »Frankie Teardrop« von Suicide ein entfernter Verwandter von »We Will Fall«? Ich denke schon. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Stooges Fans der Musik von Harry Partch waren, was ich ziemlich beeindruckend finde. Aber gleichzeitig ergibt das auch alles einen Sinn.
RedaktionJimi Tenor: Roland Kirk ist für mich einer der unglaublichsten Saxophonisten. Er hätte jeden aus dem Rennen werfen können! Und ich glaube, das hat er auch getan. Ich habe mir nicht viele seiner Aufnahmen angehört, denn einige sind mir musikalisch etwas zu durchschnittlich. Aber Inflatable Tear macht da eine Ausnahme. Vor allem das Titellied ist erstaunlich. In den Liner Notes gibt es eine gute Hintergrundgeschichte zu dem Stück. Natürlich war Kirk auch ein ausgezeichneter Flötist. Ich habe Fotos von seiner Flöte gesehen. Er hatte den Bereich um das Mundstück abgeklebt, vielleicht um das Blasloch leichter zu finden, denn er war blind. Andererseits kleben manche Leute blaues Klebeband um das Blasloch, um einen bestimmten Flötenton zu erzeugen.
RedaktionJimi Tenor: OK, ich weiß nicht, auf welche Aufnahme ich mich beziehe. Es muss tausende Aufnahmen von diesem Stück geben. Aber ich führe hier nun mal die Alben auf, die mich stark beeinflusst haben. Ich habe sie in der Töölö-Bibliothek in Helsinki gehört. Die Bibliothek hatte diese wunderbaren Hörräume mit Blick auf den Park, der die Bibliothek umgab. Die Bibliothek hatte auch eine gute Sammlung von Partituren und Minipartituren, die ich lesen konnte, während ich die Musik hörte. Damals hatte ich noch nicht viel Erfahrung im Notenlesen, und ich hatte mir wirklich das falsche Stück ausgesucht, um zu lernen, wie man einer Partitur folgt! Aber ich liebte die Musik. Ich gebe zu, dass manche Stücke einfach zu populär sind. Aber es gibt immer das erste Mal, wenn man eine unglaubliche Komposition hört, und diesen Moment kann einem niemand nehmen!
RedaktionJimi Tenor: Hierbei handelt es sich um die Version von Pierre Boulez. Ich habe mir das Stück vor Kurzem live angesehen. Ich war total begeistert. Ich saß direkt hinter der 14-köpfigen Percussion-Gruppe. Und alle 14 Spieler waren vollauf beschäftigt! Bei solchen Kompositionen wie Le Sacre du Printemps kann man sich schon sehr klein vorkommen. Aber ich gebe zu, dass es sich hierbei um anspruchsvolle Stücke handelt. Varese hat in seiner Karriere nicht viele Stücke geschrieben, aber was er geschrieben hat, war großartig. Ich erinnere mich, dass ich während meines Musikstudiums das Flötensolo Density 21.5 gespielt habe. Es ist ein schwieriges Stück, aber ich habe es geliebt, es zu spielen. Ich denke, ich gehe jetzt in die Bibliothek und hole mir die Noten.
Redaktion