Jazzland Recordings – Bloß nicht zu amerikanisch klingen

07.07.2016
Auf den ersten Blick nicht zu vereinende Welten musikalisch zusammenprallen zu lassen, war seit jeher ein Antrieb von Bugge Wesseltoft. Vor 20 Jahren gründete er Jazzland Recordings und auch da geht es in erster Linie um Unerhörtes.

»Es war mir damals wichtig, nicht zu amerikanisch zu klingen«. Bugge Wesseltoft sitzt an einem warmen Frühsommertag am Ufer der Spree und erzählt von den Anfängen. Seinen und denen seines Labels Jazzland Recordings dass in diesem Jahr 20 Jahre alt wird. »Mainstream Jazz ist sehr amerikanisch«, fährt der norwegische Pianist fort, »elektronische Musik ist dagegen ein europäisches Ding. Ich habe viel Tangerine Dream und Kraftwerk gehört. Es gab eine starke europäische Szene in den 1990er Jahren, eine richtige Gemeinschaft von Musikern, die sehr frisch klang.«

Vermutlich gibt es keinen einzigen Release bei Jazzland Recordings, den man mit »Standard Jazz« etikettieren könnte. Jazz, Folk, Avantgarde und Elektronik gingen hier stets Hand in Hand. Innerhalb weniger Jahre konnte das Plattenlabel ein höchst abwechslungsreiches Repertoire vorwiegend norwegischer Künstler vorweisen. Dank international gefeierter Musiker wie Jon Hassell, Sidsel Endresen, Audun Kleive oder Jan Bang.

Reiner Selbstzweck
Bugge Wesseltoft selbst ist auch nach mehr als 25 Jahren im Geschäft einer der wichtigsten norwegischen Jazzer. Mit seiner Musik traf er in den 1990er Jahren einen Nerv. Dancefloor Jazz war in den Clubs angekommen, ein neuer Begriff wurde geprägt: NuJazz. Wesseltoft wurde zu einem der wichtigsten Vertreter dieses Subgenres. Bereits in den 1980er Jahren hatte er sich einen Computer gekauft und mit Synthesizern experimentiert. Vier Jahre lang feilte er an seinem Debüt, und fand doch keinen Weg, es zu veröffentlichen.

»Das wollte ich machen: Jazz mit elektronischen Impulsen.«

Bugge Wesseltoft
»Ich musste mein eigenes Label gründen, weil es keines gab, dass die Musik herausbrachte, die ich produzierte. Einige Leute in Oslo begeisterten sich damals sehr für elektronische Musik, und das wollte ich machen: Jazz mit elektronischen Impulsen.« So wurde 1996 Jazzland Recordings geboren. Erster Release war Wesseltofts „New Conception of Jazz“. Flirrende Synthesizer, Dub-Bässe, Big-Band-Samples, schwere tribalistische Trommeln und ein warmes Fender Rhodes Piano – auch 20 Jahre später klingt das Album noch zeitgemäß.

Die vom Labelchef erwähnte Gemeinschaft an Musikern prägte stets auch Jazzland Recordings. Wesseltoft selbst steckt als Produzent hinter unzähligen Releases, darunter den ersten drei Alben von Beady Belle. Das Projekt von Beate S. Lech feiert im Jahr 2016 mit »On My Own« ein gelungenes Comeback. Auch dank Bugge Wesseltoft, der erstmals seit zehn Jahren wieder für die Sängerin produzierte.

Kein Standard Jazz
Ein weiterer wichtiger Name: Eivind Aarset. Der Gitarrist gehörte der zu den allerersten Künstlern des Labels. Mit einer Ausnahme hat er alle seine Soloalben hier veröffentlicht, darunter das hochgelobte »Électronique Noire« im Jahr 1998. Jede einzelne der mehr als 100 Jazzland-Veröffentlichungen hat ihre Eigenheiten. Genreschubladen hat man hier noch nie gekannt. So verstand man sich immer auch als Plattform für jegliche Art von Experimenten. Künstler vom Format eines Håkon Kornstad, der nach Jahren als erfolgreicher Jazz-Saxophonist als klassischer Operntenor reüssierte, konnten sich hier an ganz neuen musikalischen Formen ausprobieren.

»Wir sind größer geworden, als ich es je gedacht hätte«, sagt Bugge Wesseltoft. »Zunächst gehörten wir zu Universal. Das war wichtig für uns, denn norwegische Musiker hatten es schwer, außerhalb des Landes bekannt zu werden. Später haben wir unsere Anteile zurückgekauft.«

Ständige Emanzipation
Mittlerweile wird Jazzland in Deutschland von Edel vertrieben. Dafür legte sich das Label im letzten Jahr einen neues, klar erkennbares Cover-Design für jeden kommenden Release zu. Das Album »RÖK« der Schwedin Isabel Sörling (Wesseltoft: »eine unglaubliche Sängerin!«) war die »No.1« einer neu gestarteten Nummerierung. Laut Wesseltoft strebe man ein »serial feeling« an, bei dem jeder Release der Teil von etwas Größerem sei. So bekommt diese fein kuratierte Musik eine Identität, wie sie auch ein ähnlich ambitioniertes Label wie ECM Records anstrebt.

Gelassener denn je geht Jazzland Recordings in das 20. Jahr. Weltweit hat man mehr als eine Millionen Tonträger verkauft und unzählige norwegische Grammys gewonnen. Und Bugge Wesseltoft? Der Mann mit dem lichten Haarkranz und den dicken Brillengläsern hat zum ersten Mal seit zehn Jahren seine »New Conception of Jazz« reformiert. Die 2016er Version der Band besteht ausschließlich aus jungen Musikerinnen Anfang 20. Nebenbei bereitet der Labelchef gerade eine Retrospektive seines Schaffens vor, auf der vornehmlich Songs mit Vocal-Features enthalten sein werden. Außerdem steht ein neues Trio-Album mit Techno-DJ Henrik Schwarz und dem Bassisten Dan Berglund an. Dem Mann werden wohl auch die nächsten 20 Jahre nicht die Ideen ausgehen.