Japandroids – Rock als hymnisches Erlebnis

14.06.2012
Die Energie, der harte, euphorische Sound der Sonics ist also die Grundlage der Japandroids, und mit dieser Energie wagen sie sich an ihre eigenen Themen. Das ist nun wirklich die unmittelbarste Musik, die es geben kann.

In Zeiten des allumgreifenden Eklektizismus gibt es da eine Band, die sich bewusst beschränkt und damit viel mehr nach dem Puls der Zeit klingt als jeder gerade aufkeimende Musikstil-Hype. Es ist die kanadische Garage-Punk-Band Japandroids. Das letzte bisschen Ekleks liegt übrigens im Bandnamen, ein assoziativer Hammer. Ganz wie ihre Musik. Die klingt auf dem neuen, ihrem zweiten Album »Celebration Rock« immer noch so hingeworfen einfach, so herrlich jugendlich leichtsinnig, dass man sich doch wundert, weshalb es eigentlich nicht mehr Bands in der 2-Mann-Konstellation Schlagzeug, Gesang, verzerrte Gitarre gibt. Und wenn es sie gibt, wieso ist keine annähernd so gut wie die Japandroids? Was machen die so gottverdammt richtig, was alle anderen falsch machen?
Nun, ganz wichtig ist natürlich der rohe Sound der Gitarren und der übersteuerte, krächzende Gesang. Die Songs werden Live im Studio eingespielt. Inspirationsquelle, ganz klar: The Sonics. Was daran lustig ist: Während der charmante, authentische Sound einer Band wie The Sonics heute auch deswegen als so charmant, roh, echt empfunden wird, weil das Aufnahmeequipment bei den Live-Aufnahmen damals an seine Grenzen kam, müssen die Japandroids heute bei der Produktion ihrer Kracher ganz genau darauf achten, dass diese nicht zu gut, also zu produziert klingen. Macht natürlich nix, denn dass die lässigste, hingeworfenste Attitüde oft und im besten Fall mit großem Aufwand verbunden ist, gilt für alle Formen der Kunst. Reduktion ist immer noch die größte und schwierigste aller Künste.

Ob es ein Album noch einfacher, noch euphorischer, noch melancholischer, noch eingängiger als »Post-Nothing« geben könnte? Ja, das gibt es, es heißt »Celebration Rock«.

Die Energie, der harte, euphorische Sound der Sonics ist also die Grundlage der Japandroids, und mit dieser Energie wagen sie sich an ihre eigenen Themen. Auf »Celebration Rock« liefern sie nach »Post-Nothing« einen erneuten Soundtrack zum Gefühl, betrunken mit der geklauten Karre des Vaters aus dem Kaff »that you call home« abzuhauen. Die beiden Kanadier David Prowse und Brian King gründeten die Japandroids im Jahr 2006 und spielten erstmal auf ein paar selbstorganisierten Konzerten vor sich hin. Es lief nicht so richtig. Man nahm zwei EPs auf, die später als Langspieler »No Singles« re-released wurden, aber der Erfolg, er folgte erst später – als man sich fast schon auflösen wollte. Tatsächlich kann man es wohl der geschmäcklerischen Website Pitchfork verdanken, dass es die Japandroids noch gibt! Die posteten damals den Song »Young Hearts Sparkle Fire«, der von da an durch die Blogs gereicht wurde und am Ende des Jahres 2009 war das Debütalbum »Post-Nothing« in sämtlichen Bestenlisten. Jeder, der meinte, Garagenrock zu kennen, kannte und liebte das Album.
Auf »Post-Nothing« fanden sich haufenweise Post-Highschool-Hymnen (»The Boys Are Leaving Town«) mit ernst gemeinten, emotionalen Augen-zu-und-Woohoo-Mitgröhl Refrains. Genau das war ihr Ding, das – Verzeihung, aber so ist es – Japandroids-Gefühl. »No Singles«, das Re-Release, klingt dagegen noch shoegaziger nach My Bloody Valentine und in den schnelleren Stücken auch ein bisschen wie die Band Death From Above 1979. Nicht, dass der mal dunklere, mal schnellere Song ihnen gar nicht gelegen hätte, aber ihre Stärke liegt doch im Post-Hymnischen. Und so hört man auf dem neuen Album als allererstes, noch bevor das Schlagzeug mit dem Beat loslegt, ein leises, vollkommen unironisches Feuerwerk. Dieses scheint – als ob es nichts Leichteres auf der Welt gäbe – anzusagen: gleich geht’s los mit dem, was wir vergessen haben, gleich wird gerockt.
Ob es ein Album noch einfacher, noch euphorischer, noch melancholischer, noch eingängiger als »Post-Nothing« geben könnte? Ja, das gibt es, es heißt »Celebration Rock«. Und das ist nun wirklich die unmittelbarste Musik, die es geben kann. Die Textzeilen brennen auf dem euphorischen Sound; die Songs könnten unmöglich von etwas anderem als dem handeln, was da besungen wird. »There’s no high like this / Adrenaline Nightshift«, so geht der Gesang in gleichnamigem Song über dem schnellen Gitarrenriff oder »Give me that boys out swimming through the streets / Give me younger us« in ebenfalls gleichnamigem Song. Es ist ein ehrliches Sehnen nach der Unschuld und nach dem Spaß der Jugend, das die Songs trägt. Und die Japandroids sind die beste, unironischste, eingängigste Band, die ich 2012 kenne!