James Blake – Live am 8.10. im Tempodrom in Berlin

14.10.2013
Zunächst hätte man meinen können, das Tempodrom, jenes Bauwerk, in dem James Blake am vergangenen Dienstag in Berlin gastierte, könnte dem jungen Briten die Show stehlen. Doch seine Performance ließ das Gebäude am Ende doch vergessen.

Der Putz bröckelt schon von der Decke und die Patina dieses an sich imposanten Bauwerks ist nicht zu übersehen. Dabei ist es noch gar nicht so alt, wie man vermuten könnte. Was wohl auch an der Vorlage für das Tempodrom in Berlin liegen könnte: um die Jahrtausendwende orientierten sich die Architekten beim Bau dieses beeindruckenden Veranstaltungsortes an den in den 1960er Jahren nach den Sternen greifenden Plänen des Brasilianers Oscar Niemeyer, die heute viele als »retrofuturistisch« bezeichnen würden. Doch allen Materialermüdungen zum Trotz hat das Bauwerk nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt: die Gäste, die zum Konzert des Briten James Blake gekommen waren, betrachteten das Tempodrom – einst ein echtes Zirkus-Zelt, bevor es 2000 fest in Beton gegossen wurde – sehr genau, machten Fotos, schauten sich die aufgehängten Bilder vom Bauprozess an, folgten mit ihren Augen den klaren Linien der Deckenkonstruktion oder standen einfach mit offenem Mund da, ob der Opulenz der runden Halle. Diese Strahlkraft hatte auch auf James Blake selbst gewirkt, der sowohl von Konstruktion als auch vom Klang, den der Rundbau erzeugte, begeistert war. Mehrfach bemerkte er während seines Sets an einem Dienstagabend im Oktober, wie speziell dieser sei. Diesen Klang schöpfte er mit Drummer und Gitarristen in all seinen Spektren aus: vom vielzitierten Bassgewitter, das die Zuschauer vor der Bühne zu ekstatischen Tanzeinlagen verleitete (und die Kritiker, die einer James Blake-Show die Qualitäten einer Schlaftablette unterstellten, verstummen ließ), bis hin zur Totenstille, bei der man sich am Geklacker der hohen Schuhe einer von der Toilette auf den Rang zurückkehrenden Dame störte, wurden die akustischen Möglichkeiten dieser Venue ausgereizt. Und nichts weniger als das gebührt einem James Blake, der das Publikum mit seinen Live-Qualitäten, gerade stimmlich, zutiefst beeindruckte: in den Momenten, als zur Mitte des Konzerts seine Mitmusiker Pause hatten und der Scheinwerfer ganz allein auf den mit 24 Jahren immer noch so jungen und dennoch so selbstsicheren Musiker gerichtet war, kletterte er mit seinem Organ die Tonleiter mit einer unglaublichen Souveränität rauf und runter und wieder hinauf, so dass es einem schlichtweg den Atem verschlug. Die Checker, die sich um die Sell-Out-Gefahr ihres einstigen Lieblings fürchteten, wurden mit »Klavierwerke« ruhig gestellt und die Radiohörer kannten bei »Limit To Your Love« kein Halten mehr. Eine ausgewogene Mischung aus alt und neu, aus Untergrund und Klassik, aus Club und Konzerthaus, machte dieses Konzert zum großen Erlebnis. Da war am Ende auch das Gebäude nur noch Nebensache.