Es war viel Geduld gefragt in diesem Jahr, in dem sich der einsame Winter bis in den Mai verlängerte. Geduldig ist angeblich auch Papier und hey, immerhin dafür war zwischen Sauerteigexperimenten und YouTube-Workout Zeit: lesen. Die wohl billigste Art und Weise, die Welt zu durchqueren, wenn der Privatjet Richtung Digging-Paradies gerade mal nicht starten will oder Mallorca wegen zu vieler Superspreader-Schlager-Nächte schon wieder dicht gemacht hat. Im Jahr 2021 erreichten die globalen Versorgungsengpässe und Lieferkettenproblemchen zwar auch den Buchmarkt trotzdem wurden noch Gedanken, Bilder und Impressionen aufs Papier geworfen, als gäbe es kein Morgen mehr. Vielleicht auch, weil niemand mehr so richtig weiß, was morgen überhaupt noch sein soll. Wobei natürlich ein Blick auf unsere Top 20 Musikbücher aus dem Jahr 2021 klarmacht: Es wurde noch viel mehr zurückgeschaut als sonst schon. Nicht einfach nur in bessere Zeiten, sondern auf historische Kontinuitäten, die Aspekte des heutigen Schlamassels für uns dechiffrieren vermögen.
Ob nun eine Daft-Punk-Monografie, Major-Label-Expansionen um die Jahrtausendwende und anderthalb Jahre leere Berliner Clubs oder doch die Genese von Jungle und seiner Gentrifizierung als Drum’n’Bass: Die Geschichtsschreibung offenbart nicht nur Höhepunkte und Storys unfassbarer Erfolge, sondern genauso deren Schattenseiten. In die begeben sich zum Beispiel auch Questlove oder Kelefa Sanneh, um uns über Musik die Geschichte fortwährender Segregationen zu erklären. Spannend ist da gerade der Blick auf die B-Seiten der Geschichte: Käuze wie Harry Smith, die unbeleuchtete feministische Vorreiterinstellung von Carole King oder die Frauen, mit denen sich Lesley Chow auseinandersetzt und von denen nicht wenige Inspiration für die in Gazals und Sookees Buch über queere und feministische Positionen in der heutigen Rap-Szene vertretenen Figuren lieferten. 2Pac wird es nicht mehr erleben, dass seine Geschichte neu erzählt wird und Kool Savas stellt sowieso lieber kurz vor der Musealisierung eigene Regeln auf – ein bisschen was bleibt also beim Alten. Und wer doch mehr future vom langsamsten Medium der Gegenwart erwartet, sollte einfach durch Abdul Qadim Haqqs Drexciya-Mythensammlung blättern. Oder allgemein die folgenden 20 Musikbücher gut studieren, um aus Geschichte und Gegenwart die richtigen Schlüsse für das Kommende zu ziehen.