IN-EDIT Musikfilmfestival – Heute: High On Hope

07.04.2011
Der Film __High On Hope__ des britischen Regisseurs Peirs Sanderson beleuchtet mit den Acid-House-Parties der Thatcher-Ära ein fast vergessenes Kapitel der englischen Musikgeschichte.

Ein Van mit Boxen, Kabeln, Plattenspielern und einem Mixer – das ist alles mit dem Tommy und Toni im von Arbeitslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven geprägten englischen Norden der Thatcher-Jahre ihre eigene kleine Revolution beginnen. Während die Nachtclubs in Blackburn einem strikten Dresscode und der an ihr Ende gelangten Diskomusik der Achtziger folgen, brauen sich vor den Toren der Stadt, in den verwaisten, der Rezension zum Opfer gefallenen, Warenhäusern Parties zusammen, die England und die Welt noch nicht gesehen haben.
In einer gesetzlichen Grauzone, fernab der engen Hausordnungen der etablierten Nachtclubs, ist alles erlaubt und wo sonst um zwei die Lichter angehen, wird hier bis in den Morgen durchgetanzt. Geschlechterrollen, lokale und gesellschaftliche Zughörigkeiten, soziale Grenzen brechen auf – ein kurzes Aufflammen der Hoffnungen auf eine bessere Welt, zumindest am Wochenende. Was mit 300 Menschen beginnt, wächst binnen Wochen zu einem wöchentlichen Rave von 3000, 10000 und mehr Menschen an.

High On Hope ist ein Musikfilm, der vor allem von der Kraft der Musik in Zeiten der Aussichtslosigkeit erzählt – der wochenendliche Ausnahmezustand wird zum religiösen Ritual erklärt, das es in einem freien Land gegen alle Widerstände, vor allem die der Polizei, zu verteidigen gilt. Während die Kamera die Protagonisten von damals an die Orte des Geschehens begleitet, berichten diese von ihrem Guerillakampf gegen die Enge der Thatcher-Jahre und Archivbilder versuchen die heute toten Mauern wieder zum Leben zu erwecken. Und noch einmal blitzt da der hoffnungsvolle Schimmer in den Augen der Helden von damals auf, wenn sie von ihrer Revolution erzählen – und es ist vor allem der Schimmer von Stolz und Würde.
Die Bedeutung der Drogen im Umfeld der Acid-House-Szene wird vom Film eher oberflächlich gestreift und als kriminelle Machenschaften anderer, der Szene fremder, Kräfte dargestellt, was nicht wirklich plausibel erscheint, so wie überhaupt die Faszination der musikalischen Trance als Gegenpol zur Tristesse des englischen Nordens mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.
Was bleibt ist ein Film, der vor allem die sozialen Implikationen von Musik am Beispiel eines fast vergessenen, kurzen, aber intensiven und folgenreichen Kapitels der englischen Musikgeschichte beleuchtet. Denn für Tommy und Toni ging es darum, die Musik immer wieder auf die Beine zu stellen und damit die Deutungshoheit über das Wochenende nicht einem trägen, offiziellen Apparat zu überlassen.