Ice Cube ist und bleibt eine Legende. Doch zu diesem Status reicht eine über zwanzigjährige Karriere in Sachen Hip Hop alleine nicht aus: Ice Cube, bürgerlich O’Shea Jackson, gehört zu den genre-definierenden Charakteren der Kultur: Viele zählen ihn zu den Erfindern des Gangsterrap, auch und gerade weil sich die heutige Bezeichnung weit abseits des damals mit unglaublichem gesellschaftlichen Konfliktpotential beladenen Terminus bewegt. Aufgewachsen im problemgeschüttelten South Central, Los Angeles, gründete Cube mit dem Produzenten Sir Jinx die Gruppe CIA, der jedoch bald eine weitaus bahnbrechendere Formation folgen sollte: NWA. Eine Gruppe, die den damaligen musikalischen und auch gesellschaftlichen Status Quo zu Staub zermalmen sollte. DJ Yella, MC Ren, Dr. Dre , Eazy-E und Ice Cube schockten mit ihren unverblümten Darstellungen ganz Amerika, ihr Song Fuck The Police wurde zum gesellschaftlichen Problem stilisiert. Wie wichtig und prägend allerdings gerade Ice Cube für die Gruppe war, sollte sich erst nach der Trennung von NWA herausstellen. Das an der Seite des Bomb Squad enstandene Album Amerikkka’s Most Wanted wurde zum Klassiker und betonierte einen noch nie da gewesenen Karriereweg. Als 1992 in Los Angeles schwere Rassenunruhen losbrachen, befand sich Cube mitten in den Aufnahmen zu seinem Album The Predator, das ihn schließlich zum Sprachrohr der Problemviertel machen sollte. Den Anschluss an Mainstream Amerika schaffte Cube dennoch, wenn auch auf einem anderen Gebiet: Der Schauspielerei. Boyz N The Hood, Friday, Three Kings, Barbershop und eine Hauptrolle in XXX: State Of The Union machten aus dem ausgegrenzten Bad Boy schliesslich einen absolut familientauglichen Superstar, auch wenn das wohl teils auf Kosten der musikalischen Laufbahn geschah. Kaum ein Ice Cube-Album nach der Jahrtausendwende konnte an frühe Erfolge anknüpfen. Kein Wunder, dass der alte Haudegen irgendwann den nötigen Respekt einfordern musste: Nach einem Schlagabtausch mit der neuen Westcoast-Garde soll nun sein Album I Am The West nochmals demonstieren, dass Ice Cube auch nach zwanzig Jahren noch nicht zum alten Eisen gehört.
hhv.de: Mit welcher Motivation bist du an das Album herangetreten?
Ice Cube: Ich habe mittlerweile eine sehr entspannte Arbeitshaltung. Im jetzigen Falle gab es für mich keinerlei Druck. Im Grunde habe ich einfach Spaβ an der Musik. Es ist ja sehr schwierig abzuschätzen, was denn den meisten Menschen gefallen könnte. Also mache ich einfach Songs, die mir gefallen.
Diese Arbeitseinstellung hattest du in deinen frühen Tagen bestimmt noch nicht.»Lange Jahre habe ich das Internet als meinen Feind betrachtet, denn es hat vielen Musikern den Lebensunterhalt entzogen. […] Meine Meinung hat sich allerdings gewandelt. Das Internet gibt dem Underground eine Kommunikationsmöglichkeit, die im Endeffekt effektiver ist als andere Massenmedien.«
Ice Cube
Ice Cube: Nein, denn damals waren ja die äuβeren Umstände ganz andere. Im Grunde hat dir dein Label einen Scheck in die Hand gedrückt, damit du ein Album lieferst. Ab dem Moment lastet Druck auf dir, du willst ja auch, dass das Label zumindest sein Geld wieder einspielt. Das bringt dich dazu, Alben zu machen, von denen du erwartest, dass sie ein Erfolg werden könnten. Wenn sich dieser nicht einstellt, sucht sich dein Label vielleicht einen neuen Künstler und du sitzt auf der Straβe. Die Tatsache, dass ich nun über mein eigenes Label veröffentliche, nimmt mir diesen Druck. Natürlich möchte ich gut verkaufen und zumindest mein Geld zurückbekommen. Aber selbst wenn nicht einmal das passiert, könnte ich damit leben, weil ich weiss, dass ich die Musik gemacht habe, die ich machen wollte.
Dann ist wohl der Albumtitel I Am The West ebenfalls als persönliches Anliegen zu verstehen.
Ice Cube: Ja, denn wenn du solange dabei bist wie ich, musst du dich immer wieder neu etablieren. Insbesondere im Rapgame, in dem die Alten ausrangiert werden und ständig Neue hineinströmen. Mit dem Titel wollte ich also nicht nur meine Platte beschreiben, sondern mich als feste Säule der Westcoast präsentieren, denn das bin ich nun einmal einfach. Meiner Meinung nach könnten nur wenige ihr Album so nennen, und ich bin einer von ihnen.
Wie war der Aufnahmeprozess für dich? Bei deinen vielen Tätigkeiten könnte man ja meinen, dass es etwas chaotisch zugehen könnte.
Ganz im Gegenteil. Wenn ich an einem Album arbeite, nehme ich mir die Zeit, mich vollkommen darauf zu konzentrieren. Dann drehe ich auch keine Filme. Ich gebe jedem Projekt die Zeit, die es verdient. Texte schreibe ich eigentlich immer und ich halte die Ohren ständig nach neuen Beats offen. Aber wenn es an ein definitives Album geht, nehme ich mir viel Zeit.
Sprechen wir über dein Label Lench Mob Records. Wie kam damals die Gründung zustande?
Ice Cube: Es ist ja im Grunde bereits der zweite Anlauf für Lench Mob Records. 1993, 1994 fingen wir an mit Projekten wie K-Dee und Kausion. Wir hatten allerdings keinen guten Distributions-Deal, also stellte ich die Labelarbeit für eine Weile ein. 2006 hoben wir Lench Mob Records dann wieder aus der Taufe und releasten »Laugh Now, Cry Later«, das WC-Album und später »Raw Footage« . Wir sind ein kleines Label, nur eine Handvoll Leute.
Wie ist euer Umgang mit den neuen Medien? Fiel dir das anfangs schwer?
Ice Cube: Lange Jahre habe ich das Internet als meinen Feind betrachtet, denn es hat vielen Musikern den Lebensunterhalt entzogen. Heute ist keiner mehr darauf gespannt, in den Plattenladen zu laufen, um sich ein neues Album zu holen. Meine Meinung hat sich allerdings gewandelt. Das Internet gibt dem Underground eine Kommunikationsmöglichkeit, die im Endeffekt effektiver ist als andere Massenmedien. Das Internet ist ein Werkzeug geworden, dich selbst zu vermarkten. Wir sind mit unserem Label zwar noch nicht so gut in der Online-Arbeit, wie wir es gerne wären, aber wir werden besser und besser.
Beobachtest du, was im Underground so passiert?»Was gibt es Besseres, als auf einem Rooftop ein paar Reime zu kicken? Dass ist doch die Essenz von Hip Hop.«
Ice Cube
Ice Cube: Nein, nicht wirklich. Ich arbeite an so vielen verschiedenen Baustellen und habe bereits so vielen anderen Künsltern unter die Arme gegriffen, dass ich gar keinen Kopf mehr dafür habe. Es gibt für mich einfach bessere Möglichkeiten erfolgreich zu sein, als an den Karrieren anderer zu feilen.
Auf I Am The West wird auch Sir Jinx wieder als Produzent vertreten sein. Wieso habt ihr so lange nicht zusammengearbeitet und wieso tut ihr es ausgerechnet jetzt wieder?
Ice Cube: Alle Produzenten, mit denen ich bisher gearbeitet habe, sind jederzeit eingeladen, mir ihre Beats zu bringen. Es ist eben immer von dem jeweiligen Album abhängig, ob ich dann auch auf sie zurückgreife. Die Beats können richtig gut sein, aber wenn sie nicht zu dem gesamten Album passen, werde ich auch nichts darauf releasen. Ich bin ein konzeptioneller Künstler. Es gab keinen definitiven Grund, weshalb wir länger nicht miteinander gearbeitet haben. Jetzt hat es einfach wieder gepasst.
Auβerdem hast du deine Söhne Doughboy und OMG auf dem Album. Was hälst du davon, dass auch sie diesen Karriereweg gehen wollen?
Ice Cube: Mir gefällt das, denn sie haben viel Spass beim Musikmachen. Sie müssen ja nicht ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, so wie ich das damals tun musste. Trotzdem nehmen sie es sehr ernst, schreiben ihre eigenen Texte und machen auch selbst Beats, auβerdem zeigen sie mir viel neue Musik und haben so auch musikalisch Einfluss auf mich. Ich konnte sie vor kurzem zum BET Cypher mitnehmen, das war ein einzigartiges Erlebnis. Run von Run DMC nahm ebenfalls mit seinen Söhnen daran Teil, DJ Premier war dort, ein wirklich historischer Moment also. Ich hatte die Möglichkeit mich mit Run auszutauschen, dessen frühe Reime selbst mich sehr beeinflusst haben. Es war ein sehr gutes Gefühl, nun mit einer neuen Generation dort anzutreten . Und was gibt es Besseres, als auf einem Rooftop ein paar Reime zu kicken? Dass ist doch die Essenz von Hip Hop.
Welche Projekte stehen sonst so an?
Ice Cube: Ich arbeite an einer ganze Reihe von Fernsehshows und Filmen. Auβerdem arbeiten wir an einem NWA-Spielfilm, momentan sind wir gerade noch dabei, das Drehbuch zu schreiben.
Hast du keinerlei Interesse politisch aktiv zu werden? Immerhin hattest du auf deinem letzten Album die Line »Dream ticket, Ice Cube and Obama«.
Ice Cube: Nein, nicht wirklich. Ich denke, in der Politik müsste ich mich um die Interessen aller Bürger kümmern, und es gibt so viele verschiedene Probleme, an denen wir arbeiten müssten. Ich könnte der breiten Bevölkerung wohl einfach nicht gerecht werden, ich engagiere mich also lieber innerhalb der Communities, aber nicht gezwungener Maßen auf politische Art und Weise.