How To Dress Well – Live am 29.10. im Bi Nuu in Berlin

01.11.2012
Tom Krell spielt seine neue Platte »Total Loss« ohne doppelten Boden und liefert sich seinem sichtlich bewegtem Publikum vollkommen aus: How To Dress Well im Bi Nuu ist eine Demonstration der Stärke, die in der Schwäche liegt.

Wenn Soul fernab von Konventionen der Instrumentierung die Suche nach einem wahrhaftigen emotionalen Ausdruck in der Musik ist, dann ist das, was Tom Krell macht, Soul. Wenn Soul, wie es mir einmal Lee Fields bedeutete, heißt, den Worten nachzuspüren und in ihrem Rhythmus eine Bedeutung zu finden, die der sprachliche Ausdruck allein nicht zu sagen im Stande ist, dann ist das, was Tom Krell macht, Soul. Wenn Soul heißt, sich ohne Scham seinem Innersten zuzuwenden, dann ist das, was Tom Krell macht, Soul. Mit »Total Loss«, seinem zweiten Album als How To Dress Well, im Gepäck, setzt er im Bi Nuu die Totalität des Albumtitels im Bühnenkonzept treffend um. Begleitet von Synthesizern, Violine und Beats am Bühnenrand liefert er sich seinem Publikum vollkommen aus, macht sich emotional nackt, kaschiert kaum. Immer wieder steht er ganz vorne am Rand, die Hand auf der Brust den Beat vorgebend, und singt sich in einer beeindruckenden Performance durch eine Platte voller wohlig-warmer Abgründe, Sehnsüchte und Schmerzen. Einzig die Projektionen geben ihm dabei so etwas wie eine schützende Aura – die von Emotionen zerfressenen Gesichter auf dem Screen verleihen den persönlichen Stücken eine universelle Gültigkeit. Dank dem Minimalismus der Instrumentierung und der Bühnenpräsenz bleibt Krell’s Performance dabei von jeglichem R’n’B-Kitsch verschont. Trotz der Soundprobleme, die im Bi Nuu ja regelmäßig für Irritation sorgen, trägt er so die sichtlich bewegte Menge durch sein Set. Und es sind eben diese Momente der technischen Unzulänglichkeiten, wenn die Projektionen ausfallen und er sich endgültig ausliefert, die seine Stärke zeigen: Ohne Mikrofon stellt er sich im Halbdunkeln vor die Menge und wiegt und windet sich zu einem sanften, aber heftigen Höhepunkt, der klar macht: Dieser Mann brauch nichts außer seine Stimme und seinen Körper als Resonanzraum – alles andere ist nur ein Zugeständnis an die Logik des Konzertraums, ein Spiel mit Konventionen, das jedoch seine Stimme stets unbeirrt lässt und er sich ohne doppelte Böden und Netz in unendlicher Schönheit in den Abgrund stürzen kann.