Hania Rani live am 31. März 2025 in der Berliner Philharmonie

04.04.2025
Foto:Hania Rani live © Jerzy Wypych
In der Berliner Philharmonie entfaltet Hania Rani ihr Album »Ghosts« als stilles Meisterwerk. Ein Konzert, das Räume für Ambivalenz, Versenkung und Gefühl öffnet – transzendent, aber nie pathetisch.

Es ist Montagabend. Der große Saal der Berliner Philharmonie liegt in vollkommener Dunkelheit, die letzten Stimmen aus dem Publikum verstummen. Ein schwacher Lichtschimmer offenbart eine Bühne, bedeckt mit einer schimmernden Plane. Als das Licht heller wird, betreten sieben Personen unter Applaus die Bühne – darunter die polnische Pianistin und Komponistin Hania Rani mit ihrem sechsköpfigen Ensemble.

Dunkelheit ist nicht nur ein visuelles Motiv dieses Abends, sondern durchzieht auch Ranis aktuelles Album »Ghosts«, das sie in voller Länge live aufführt. Es ist ein durchkomponiertes Konzeptalbum, das erzählt, hinterfragt und erkundet – ohne einfache Antworten. Ein Listening-Album, das vom Auftakt bis zum letzten Ton gehört werden möchte. Und was wäre dafür besser geeignet als ein Konzert in der Berliner Philharmonie?

Zwischen Licht und Loop

Das Konzert beginnt düster, mit durchdringenden elektronischen Synth-Flächen. Was folgt, ist eine zweistündige Symbiose aus Virtuosität und Gefühlschaos. Mal wirken die Kompositionen intim und intensiv, dann wieder atmosphärisch und entrückt, bevor sie sich in meditativer Ruhe auflösen. Rani sitzt eingerahmt von Flügel, E-Piano und Synthesizer – eine Art akustisches Dreieck, in dem sie sich versenkt, die Haare ins Gesicht gefallen, die Bewegungen schnell, fast tranceartig.

Bläulich-weiße Lichtprojektionen tanzen an der Decke, spiegeln sich in der Plane auf der Bühne und gleiten wie gespenstische Gestalten durch den Raum. Sie unterstreichen das, was die Musik transportiert: Zurückhaltung, Flüchtigkeit, Geheimnis.

Ein intensives Durcheinander von Emotionen – Neugier, Melancholie, Freude, Angst.

Nach einigen Stücken stellt Rani ihr Ensemble vor und erzählt leise von ihrer Studienzeit in Berlin, in der sie oft als Zuhörerin in der Philharmonie war. Jetzt selbst auf dieser Bühne zu stehen, sei eine große Ehre – sie wirkt dabei aufrichtig berührt. Auch ihr Ensemble: auffällig jung, präzise und spürbar eingebunden in die emotionale Architektur des Abends.

Zurück in ihrem Klavier-Gefüge beginnt Rani zu singen – mit zarter, klarer Stimme. Über Live-Looping baut sie ihre Gesangslinien in Echtzeit zu vielschichtigen Klanggebilden auf. Besonders beeindruckend: Sie hat nie eine klassische Gesangsausbildung absolviert, sondern sich das Singen selbst beigebracht.

Musik als kollektive Trance

Im Publikum stellt sich eine kollektive Trance ein. Gänsehaut, Tränen, ein Lächeln. Bei »Nostalgia« staut sich eine Träne im Augenwinkel, bei »Thin Line« rollt sie leise über die Wange. Es ist ein intensives Durcheinander von Emotionen – Neugier, Melancholie, Freude, Angst. Genau das ist es, was Rani evozieren will: das Schweben im Ungefähren, ein melancholisches Nachdenken, das zwischen Licht und Schatten pendelt.

Related reviews

Mit »Ghosts« setzt sich Rani mit existenziellen Themen auseinander – Leben, Tod, Erinnerung, Verlust. Sie umkreist die Angst, aber auch die Hoffnung, das winzige Licht in absoluter Dunkelheit. Diese Dunkelheit kehrt zurück, als der letzte Ton verklingt. Dann helles Licht. Die Musiker:innen verbeugen sich. Minutenlanger Applaus. Ein Montagabend, der zeigt: Hania Rani sucht nicht das Rampenlicht – sie schafft Räume, in denen wir uns verlieren können. Und manchmal sogar wiederfinden.

Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.

Unbedingt notwendige Cookies

Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.

Drittanbieter-Cookies

Diese Website verwendet Google Analytics, um anonyme Informationen wie die Anzahl der Besucher der Website und die beliebtesten Seiten zu sammeln.

Diesen Cookie aktiviert zu lassen, hilft uns, unsere Website zu verbessern.