Godfather Don war schon mit seinem Debütalbum »Hazadous« 1991 ein König im Schatten, als er aus dem Umfeld von Chubb Rock heraus eines der am meisten unterschätzten Rap-Alben des Jahrzehnts veröffentlichte. Es folgten Kollaborationen mit Kool Keith oder Screwball und Beatproduktionen, die den Rapper und Producer solo oder im Verbund mit Groove Merchantz in fast jeden Expedit der Welt trugen, wo Platz für Rapsound aus New York ist. Heute spielt Godfather Don unter anderem Saxophon in seiner Jazzband The Open Minds oder bei Ahmed Abdullah’s Diaspora, einem Mitglied des Sun Ra Akestra. An einem Freitagnachmittag im August nahm er sich die Zeit, mit uns über sein neues Soloalbum »Thesis« zu sprechen, das vor allem eines ist: 100 Prozent Rap.
Thesis
Du kommst gerade aus einer Jazz-Session. Spielst du lieber eine Rap-Show oder eine Jazz-Show?
Godfather Don: Ich bin gerade gepackt von der Idee, eine Jazz-Show zu spielen. Ich glaube aber, ich würde sogar eine kleine Freestyle-Rap-Einlage einbauen, wenn es sich ergibt oder einen DJ zum Scratching einladen. Gerade ist alles möglich.
Du spielst mittlerweile seit 20 Jahren in Jazz-Bands. Dein letztes Rap-Release erschien 2020 – »Osmosis« mir Parental aus Paris. Welche Motivation verbirgt sich dahinter, ein puristisches Eastcoast-Rap-Album wie »Thesis« zu produzieren?
Ich habe irgendwann angefangen, wieder Features zu machen und immer wieder kamen Menschen, die Beats von mir wollten. Das ist dabei nebenher entstanden, sozusagen. Als die Pandemie losging, dachte ich mir dann: »Ich kann eh gerade nicht so viel auftreten und verschicke die ganze Zeit Beats oder Feature-Parts per Mail, da kann ich auch ein eigenes Projekt anfangen.« Man kann schon sagen, ich habe angefangen, es ernster zu nehmen.
Warst du aus der Übung als Rapper?
Was heißt »aus der Übung«? Ich bewege mich nach wie vor in einem Umfeld, in dem Rap stattfindet. Sir Menalik ist einer meiner langjährigsten Freunde, natürlich sprechen wir über Rap oder spaßen ein bisschen herum. Ich bin nicht aus der Übung, ich habe nie gedacht: »Ich mag Hip-Hop nicht mehr«.
Naja, Andre 3000 hat 2023 »New Blue Sun« releast, ein Ambient-Album. Er sagte, er sei zu alt für Rap. Du befindest dich in einer ähnlichen Situation mit deiner Jazz-Band The Open Minds und dem neuen Album. Was denkst du darüber?
Lass es mich mal so sagen: Ich habe keine Botschaft an die Menschheit, daher ist es mir egal. (lacht) Ob das, was ich sage, jemand als relevant einstuft, spielt für meine Musik erstmal keine Rolle. Wenn ich ins Gym gehe, höre ich Beats, manchmal fallen mir Lines ein und dann schreibe ich das auf. Hin und wieder suche ich auch nach neuen Samples oder ich spiele einfach auf der MPC herum. Da steckt nicht viel Bedeutung dahinter.
In einem Interview hast du gesagt, dein Vater und dein Bruder waren Gitarristen. Du spielst auch Gitarre. Was lief zuhause für Musik?
Mein Vater hatte eine gut sortierte Plattensammlung, zum Beispiel »Straight No Chaser« von Thelonious Monk oder Platten von Dough Sam, cooles Zeug. Ich habe ihn aber nie Gitarre spielen sehen. Bei uns lagen aber immer Instrumente herum. Ich war immer umgeben von Musik, ob du es glaubst oder nicht.
»Ich habe keine Botschaft an die Menschheit, daher ist es mir egal.«
Godfather Don
Du hast mal gesagt, du hast dich erst eher für Rock interessiert. Was für Rock war das? Ich würde auf Bad Brains oder Living Color tippen.
Nah, ich habe harte Sachen gehört. Mayhem, Emperor – die sind wirklich gut, weißt du – und tonnenweise Black-Metal-Zeug. Gleichzeitig hat mich Progressive Metal sehr angesprochen, weil ich Gitarre gespielt habe. Mein Debütalbum »Hazardous« beginnt ja auch mit einem Gitarrensolo.
Als schwarzes Kind in den Achtzigern in Brooklyn stelle ich mir das ungewöhnlich vor. Warst du ein Alien in der Klasse?
Ja, ich war genau das. Zu dieser Zeit durfte man als Teenie das Haus ohne Boombox quasi nicht verlassen (lacht). Ich war immer nur der komische Typ, der diese komischen Sachen hört und auch noch malt und Skulpturen bildet – that guy. (lacht) Ich weiß auch, dass viele diese Zeit heute als golden age bezeichnen. Dazu kann ich nicht so viel sagen. Ich weiß aber, dass ein kreativer Spirit in der Luft von Brookyln lag. Die Art, wie die Leute sich gekleidet, wie sie sich gegeben haben – Brooklyn war spezieller Ort zu der Zeit. Ich fand das cool. An dem einen Tag hingst du mit Leuten, die nur Yngwie Malmsteen gehört haben, am nächsten Tag mit Leuten, die aus dem Hip-Hop kamen.
Was hast du mitbekommen in deiner Nachbarschaft? Mr. Walt von Da Beatminerz, der auch aus Brooklyn kommt, erzählte, es gab Jams im Park mit diversen DJ-Crews zu?
Lustigerweise spricht Bobbito García [DJ und Host der legendären Radio-Show »Strech & Bobbito«; Anm. d. Verf.] auch immer davon. Zu dieser Zeit habe ich Schlagzeug oder Gitarre auf der 7th Avenue und 33rd Street gespielt.
»Zu dieser Zeit durfte man als Teenie das Haus ohne Boombox quasi nicht verlassen.«
Godfather Don
Okay, warum hast du auf der Straße gespielt, weil zuhause kein Platz war oder für Geld?
Quatsch, ich wollte einfach nur mit Leuten zusammenspielen und das erschien mir als die einzige Möglichkeit. Alle haben gesagt: »Du musst rausgehen und es einfach machen.« Ich hatte zwar nicht mal im Ansatz eine Ahnung davon, was ich da genau tue, aber ich bin rausgegangen und habe das getan, was getan werden musste – ins kalte Wasser springen. Wenn es um kreative Dinge geht, habe ich bis heute keine Berührungsängste.
In Europa bist du vor allem für Beats bekannt. Du hast unter anderem für Ultramegnatic MC’s oder Screwball produziert und im Producer-Team Groove Merchantz an der Seite von V.I.C. (Beatnuts) gearbeitet. Hast du dich jemals als Teil einer Szene gesehen?
Ich möchte das so beantworten: Ich hatte nie eine konkrete Vorstellung davon, einem Abbild nachzueifern. Wenn ich mich selbst – im kreativen Sinn – als etwas Bestimmtes definiere, nehme ich mir die Möglichkeit, etwas anderes sein können. Im Jazz-Umfeld spielt Hip-Hop und sein Habitus keine Rolle für mich. Im Hip-Hop spielt der Jazz keine große Rolle. Ich denke anders dann. Würde ich sagen, »ich bin Hip-Hop«, bin ich das ja auch, wenn ich Jazz spiele.
Wie unterscheidet sich Jazz zu deinem Schaffensprozess im Rap?
Mit meiner Band Open Minds wollen wir das Great American Songbook in verschiedenen Dimensionen erforschen. Welche Wahrheiten stecken darin? Welche Vibes entstehen? Wohin führt uns der jeweilige Moment? Es ist schwierig, das zu umschreiben. Wir wirbeln das Konzept »Song« aber nicht durcheinander, sondern kennen die Akkorde. Wenn die Definition von »spirituell« eine Art Metaphysis meint ohne christliche Erzählungen, dann kann man das so beschreiben. Ich kann in meinen Raps aber auch Filme zitieren. Wenn jemand den Film kennt, wird er diese Referenz erkennen. Das hat ja auch eine Form von spiritueller Energie. Rückblickend beziehen sich viele auf »Cenobites« [Kollabo-Album mit Kool Keith von 1995; Anm. d. Verf.]. Da habe ich sehr viele Black-Metal-Referenzen einfließen lassen.
»Das Problem ist nicht, dass etwas zu Ende geht, weil das wird es zwangsläufig tun. Das Problem liegt darin, dass du es nicht akzeptieren kannst.«
Godfather Don
Wie ist deine Beziehung zu Keith heute?
Ach, weißt du, er ist beschäftigt, ich bin beschäftigt, das Leben. Wir haben schon lange nicht mehr Zeit gehabt, uns so auszutauschen. »Stratocaster« war das letzte, was wir zusammengemacht haben für »Feature Magnetic« 2016. Es gab aber keinen Kontaktabbruch. Die meisten Leute, mit denen ich früher gearbeitet habe, sind nach wie vor für mich erreichbar. Mit V.I.C. auch.
Mit Groove Merchantz hast du Remixes für House Of Pain oder NAS produziert. Hast du dich dem Hip-Hop aus finanziellen Gründen Ende Neunziger abgewendet?
Nein, ich habe jahrelang als Illustrator gearbeitet. Das war mein Vollzeitjob, den ich während aller Releases gemacht habe, über die die Leute bis heute sprechen. Das lief genauso, wie du es dir vorstellst: um neun nach Manhattan ins Büro, zurück um 17 Uhr. So war’s. Die Branche hat sich – ähnlich, wie in der Musik – aber auch verändert. Alles ist digital. Ich bin halt der »Fine Arts«-Dude: Bleistift, Pinsel, was zum Hände schmutzig machen.
Geht dir das mit der Produktionstechnik in der Musik genauso?
Oh yeah, ich benutze immer noch meine MPC! Ich mag es einfach, die Drums zu tappen und auch mal ungenau zu quantisieren. Aber ich bin jetzt nicht so puristisch, dass ich die Vorzüge der modernen Produktion komplett ablehne. Natürlich habe ich eine DAW-Software und ein Interface zum Beispiel.
Was vermisst du von früher?
Die Musik natürlich! (lacht) Nein, ich mache nur Spaß. Ich fantasiere mir da kein Abbild zusammen. Wenn etwas aktiver Teil deines Lebens ist, kannst du nicht den Kontakt dazu verlieren – es ist doch ein Teil von dir. Alles, was ich geliebt habe, liebe ich immer noch, zumindest im musikalischen Sinne. Also auch Rap. Ich stelle mich nicht hin und sage: »Oh, guck, was mit Rap passiert ist, ich hasse Rap!« Nein, ich liebe Rap.
Ich glaube, die meisten Old Schooler hassen Rap nicht. Sie beginnen irgendwann nur etwas an Rap zu vermissen, das zu Ende gegangen ist.
Aber das ist ja der Kern der Sache: Das Problem ist nicht, dass etwas zu Ende geht, weil das wird es zwangsläufig tun. Das Problem liegt darin, dass du es nicht akzeptieren kannst. Das bedeutet auch, dass du es vielleicht gar nicht so geliebt hast, wie du glaubst. Oder vielleicht ging es nur um dich selbst. Andersherum ist es ja meist so: Wenn etwas zu Ende geht, was dir egal ist, wird dir das Verschwinden auch egal sein – der Umgang mit einem Ende fällt dir da leichter. Auch das meine ich, wenn ich von einem Abbild spreche. Wenn ich die Dinge so für mich annehme, wie sie sind und ihnen Raum gebe, komme ich gar nicht in die Situation, etwas nicht mehr mögen zu können, weil es sich ja weiterhin entfaltet und Teil von mir bleibt. Meiner Meinung nach wendet sich so eine Haltung, wie du sie beschreibst, sogar gegen jede Form von Kreativität. Aber das ist meine spezielle Sicht, meine Meinung. Ich habe die Weisheit aber auch nicht mit Löffeln gefressen.