Aufstände, Männer mit Flammenwerfen, die Worte »inferiority complex«. Nelson Mandela, Martin Luther King, Bob Marley. Verschlossene Tore vor Luxusbauten. Das Cover von Oluko Imos letztem Album ist so chaotisch wie die Dekolonisation. Den einzigen Ruhepol bietet der Musiker selbst, den Blick in die Ferne gerichtet. Sein Name ist unterlegt mit den Farben des Pan-Afrikanismus. Angesichts der Wirrungen der Geschichte hat Oluko Imo nie einen Zweifel gelassen, wo er steht.
Imo wuchs im Armenviertel von Port-of-Spain auf, der Hauptstadt des Karibikstaates Trinidad & Tobago. Nachdem das Land 1962 die Unabhängigkeit von Großbritannien erreicht hatte, versprach Präsident Williams politische Selbstbestimmung und ließ doch nur Konzerne ins Land. Die Unzufriedenheit wuchs. 1970 entlud sie sich in Aufständen. Nach ein paar Monaten und Meutereien in der Armee hatte der Staat die Revolte unterdrückt. Zwei Momente sollte Imos Denken für immer prägen.
Erstens machte die Revolte deutlich, dass mit der Unabhängigkeit der Staaten die Dekolonisierung erst begonnen habe. Ein neues Denken war notwendig – und es kam von den Besitzlosen. Zweitens war sie ein beispielloses Zeugnis der Macht der Musik. Die Aufstände waren im Februar losgebrochen, nachdem eine Karnival-Band Revolutionäre dargestellt hatte: Che Guevara, Fidel Castro und den aus Trinidad stammenden Black Panther Stokeley Carmichael. Der Titel ihrer Performance? »The Truth about Africa«.
Eine neue Moderne erfinden
Imo muss diese Entwicklungen genau beobachtet haben. 1972 fasste er die Idee, die Black Truth Rhythm Band zu gründen. Ihre Aufgabe: dem neuen politischen Bewusstsein ein musikalisch-lyrisches Äquivalent geben. Imo vertiefte sich in lokale, traditionelle Musikstile wie dem Calypso und versuchte dessen afrikanisches Erbe in eine neue Form zu gießen. Seine Bemühungen sollte sich 1976 in »Ifetoya« niederschlagen. Es ist ein Experiment, das sich rückblickend »perfekt in die unverkennbaren Sounds der Funk- und Afrobeat-Szene der 1970er-Jahre einfügt«, wie Ben Lee in seiner Review bemerkt hat. Das Jahrzehnt hatte leider andere Vorstellungen. Gitarrist Andre Wallace berichtet, dass kein Label mit der Black Truth Rhythm Band warm wurde. »Der Promoter wollte, dass wir unsere Kleidung und Namen ändern. Wir waren einfach zu afrozentrisch.«
»Der Promoter wollte, dass wir unsere Kleidung und Namen ändern. Wir waren einfach zu afrozentrisch.«
Black Truth Rhythm Band
Die Band löste sich 1978 auf. Imo verließ Trinidad & Tobago. Heute ist er in seinem Heimatland so gut wie unbekannt. Doch Oluko Imo interessierte sich viel mehr für Nigeria, dem Ursprung der Calypso-Tradition. Anfang der 1980er Jahre traf er auf Großmeister Fela Kuti, wurde dessen Tour-Manager und Bassist, zog nach Lagos. In Kutis Afrobeat fand er ein Modell für pan-afrikanische Musik – sich an Traditionen abarbeiten, um eine neue Moderne einzuleiten. Lebte »Ifetoya« noch vom Kontrast von afrikanischen und karibischen Elementen, fließen sie auf Imos erster Solo-EP, »Oduduwa«, ineinander.
Ein anderes System
Es ist frappierend, wie die revolutionären Hoffnungen bis heute aus Imos Musik klingen. Vielleicht weil er seine Aufgabe darin gesehen hat, sie zu bewahren. In den 1990ern hatte der Pan-Afrikanismus endgültig an Glanz verloren. Und doch strahlt er aus Imos Solo-LPs – »The Glory of Om« (1995) und »Anoda Sistem« (2001) – mit der Kraft einer Sonne.
Der titelgebende Song »Another System« lamentiert auf letzterem etwa, dass die Nationen nur einen starken Mann durch einen anderen ersetzen würden. Echte Selbstbestimmung könne nur ein vereintes, internationales Afrika ermöglichen. Afrika ist hier kein Kontinent. Afrika ist ein Freiheitsverprechen. Wer seine tektonische Größe ermessen möchte, finden in Oluko Imo einen genialen Seismographen.