Frittenbude über Liebe, Abschiede und die Entstehung von Neuem  

13.03.2023
Foto:Marie Poulain © Nachti
Vier Jahre nach ihrem letzten Album sind Frittenbude zurück. Auf »Apokalypse Wow« reflektiert die Band über den Zustand der Welt und liefert eine vielfältige Mischung aus Songs für die Party, die Demo und den Tag am Strand.

Mit »Mindestens in 1000 Jahren« gelang Frittenbude beim Label Audiolith im Jahr 2008 der Durchbruch. Damals waren sie zu dritt: Johannes »Strizi«, Jakob Häglsperger und Martin Speer. Auf zahlreichen Festivals und Konzerten begeisterten sie in den letzten fünfzehn Jahren die Fans, stellten sich in vielen ihrer Texte dezidiert gegen Rechts und ließen sich nie auf ein Genre reduzieren. Nun veröffentlichen sie mit »Apokalypse Wow« ihr sechstes Album – zu zweit und beim eigenen Label: Nachti.  

Auf »Apokalyse Wow« widmet sich die Band der Gleichzeitigkeit von Katastrophen und Leben. Sie stellt melodische, tiefgründige Songs mit klugen Texten neben kräftige Beats und Sozialkritik. Und verarbeitet dabei zusätzlich sowohl mit Worten als auch musikalisch den Ausstieg von Marin Steer. Ein Gespräch über die Lage der Welt, das Meer und das Weitermachen. 

Strizi, wie ging es los mit »Apokalypse Wow«? 
Strizi: Wir trafen uns für paar Sessions im Proberaum, mit unserem damaligen Live-Drummer Hanno Stick. Wir wollten mal wieder eine Punk-Band sein. Dabei entstanden einige Songs, die jetzt auf dem Album gelandet sind. Das war vor Corona. Wir hatten »Neue Welt« geschrieben und hatten dann Bedenken, dass es nur auf die Corona-Krise gemünzt wird.  

Wie würde die Welt aussehen, wenn ihr sie gestalten könntet? 
Strizi: Es würde kein Geld mehr geben. Bildung müsste man nur mit Zeit bezahlen. Alle würden das Gleiche verdienen: nichts.  
Jakob: Es gäbe keine Homophobie, keinen Sexismus. Und keine Religion. 

Was ist gut an der heutigen Welt?  
Strizi: Wir leben privilegiert in Deutschland. Aber das geht auf die Kosten anderer Menschen. Vieles, was schön ist an dieser Welt, geht Hand in Hand mit vielen Dingen, die nicht so schön sind. Das Zwitschern der Vögel ist schön.  
Jakob: Freundschaften, unsere Freunde, Musik. Es gibt tausend Sachen, die schön sind. Da ist das Glas halb voll, halb leer. 

Euer neues Album kommt bei Nachti raus, eurem eigenen Label. Wieso seid ihr nicht mehr bei Audiolith?  
Jakob: Es ist geil, alles selbst zu machen. Wir machen die Produktion von vorne bis hinten alleine. Der nächste logische Schritt war das eigene Label. Es gibt uns Freiheit in Entscheidungen: wann man Musik veröffentlicht, welche Musik man veröffentlicht.  
Strizi: Wir haben einen Lovesong veröffentlicht, also als Single. Das haben wir lange nicht gemacht. Er heißt »Vorbei«.  

»Es geht darum, dass man es schafft, eine zu Ende gegangene Liebe in einer Freundschaft enden zu lassen. Oft geht es hart auseinander, sodass man sich gar nicht mehr leiden kann. Aber man muss sich doch nicht zwangsläufig hassen, nur weil man sich mal geliebt hat.«

Strizi

Um was geht es in »Vorbei«?   
Strizi: Es geht darum, dass man es schafft, eine zu Ende gegangene Liebe in einer Freundschaft enden zu lassen. Oft geht es hart auseinander, sodass man sich gar nicht mehr leiden kann. Aber man muss sich doch nicht zwangsläufig hassen, nur weil man sich mal geliebt hat.  
Jakob: Als Strizi den Text geschrieben hat, es viel Projektionsfläche mich und Martin, weil die Texte eben nicht ganz eindeutig sind. Darum geht uns bei unserer Musik: Freiraum lassen, damit jeder seine eigene Geschichte hineininterpretieren kann.  

Bei mir ist der Song allgemeiner angekommen. So á la carpe diem. Dass man die schönen Momente so lange genießt, wie sie da sind.  
Jakob: »Der ganze Schmerz / der ganze Scheiß / und alles, was wir nicht begreifen / es geht vorbei.«
Strizi: Oder, dass aus einem kleinen Strand, an dem man früher alleine war, plötzlich ein Geheimtipp unter FKK-Leuten wird. 

Strizi, in einigen Songs erwähnst du den Strand und das Meer. Welche Bedeutung haben diese Orte für dich?  
Strizi: Für mich sind das Sehnsuchtsorte. Sie stehen für Freiheit, die aber nicht grenzenlos ist. Es ist wie beim Rausschwimmen im Song »Tiefseetauchen«: dass man so weit rausschwimmt, wie es geht. Ich bin Bayern aufgewachsen, war früher selten am Meer. Seitdem ich in Ostdeutschland lebe, fahre ich oft hin. Das ist auch ein schönes Ende für das Album. Würde ich ein Buch schreiben, würde das auch am Meer enden.  

Ihr seid alle drei aus Bayern, aus Geisenhausen. Wie habt ihr zusammengefunden?  
Strizi: Martin und ich kennen uns über Martins größeren Bruder Hansi. Wir spielten Basketball. Und Jakob und ich haben uns über Hip-Hop kennengelernt. Er war einer der wenigen, der dort unten in Bayern gute Beats gebaut hat. Später sind wir zusammen Skateboard gefahren. Martin war richtig gut, Jakob und ich eher nicht so gut.  

Einer hat die Apokalypse nicht überlebt: Frittenbude und Dinosaurier. Foto: Marie Poulain © Nachti

Wieso ist Martin nicht mehr dabei?  
Jakob: Er wollte einen Lebenswandel. Das war traurig für uns. Wir haben lange Musik gemacht, waren ein eingespieltes Team. 

Und wie habt ihr es erfahren? 
Strizi: Wir haben uns am Neptunbrunnen in Berlin-Mitte getroffen und sind lange spazieren gegangen. Wir haben uns umarmt. Es war ein trauriger Moment. Aber vollkommen verständlich. Die Beziehung mit den beiden ist die längste Beziehung meines Lebens, außerhalb meiner Familie.  
Jakob: All diese Sachen spiegeln sich im Albumtitel wider. In »Apokalypse Wow« geht es auch darum, aus dem Zusammenbruch etwas Neues entstehen zu lassen. Da sind Songs mit Gitarre entstanden wie »Sandradome«, »Stoli«, »Marx & Biggie«. 

»Apokalypse Wow« ist musikalisch sehr vielfältig. 
Jakob: Frittenbude war immer wahnsinnig facettenreich. Auf unserem ersten Album war der bekannteste Song »Mindestens in 1000 Jahren«, eher eine Indie-Nummer. Gleichzeitig waren aber Techno-Brecher wie »Hildegard« drauf. Bei Songs wie »Schlagstock« und »Das Glas«, sind diese Techno-Einflüsse noch hörbar. Ich finde nichts langweiliger als mich ständig zu wiederholen. Nur noch für ein Genre oder ein Sound zu stehen, wäre die wahre Apokalypse. 

Du hast gerade »Schlagstock« erwähnt. Meine Assoziation mit dem Song: Videospiel-Soundrack. Wenn »Schlagstock« ein Videospiel wäre, wie würde es aussehen? 
Strizi: Das wäre ein 8-Bit-Ding. Wir als schwarze Strichmännchen würden uns zusammen mit Gandalf, der ein grauer Strich mit einem Hut wäre, gegen Nazis durchsetzen. Diese wären geschützt von der grünen Polizei. Und wir müssten uns durchkämpfen Richtung Mordor, das aber ein Skigebiet wäre, mit Liften. 

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»Sandradome«, worauf bezieht sich der Song? 
Jakob: Das ist ein Wortspiel mit »Thunderdome«, dem Techno-Sound aus den Neunzigern. Auch wenn wir nie so harte Raveheads waren, hat uns das mitgeprägt. Viele Leute auf dem Land hatten diese Thunderdome-Sticker hinten aufs getunte Auto geklebt, das laut gepumpt. In Dörfern Land kennt sich jeder, der nachts draußen ist.  

Plant ihr, mal wieder »Bilder mit Katze« zu spielen? 
Jakob: Wir wurden nur noch auf »Bilder mit Katze« reduziert. Das war der letzte Song auf »Katzengold«. Da packt man meistens die Songs hin, die man nicht als Singles sieht. »Bilder mit Katze« war ein Geschenk an unsere Fans, damit die sich darin wiederfinden. Das haben sie natürlich auch. Wir spielen ihn irgendwann wieder, aber zurzeit eher nicht. 

Wer waren denn eure Vorbilder? 
Jakob: Ganz früher war ich Fan von Michael Jackson, auch wenn er aus heutiger Sicht als Mensch total fragwürdig ist. Dann kam früh in der Jugend Hip-Hop dazu, Wu-Tang Clan zum Beispiel. Später inspirierte mich Techno. Bei uns damals auf dem Land hat man in den Neunzigern Hip-Hop gehört. Techno war uncool. Irgendwann hat sich das gedreht. Dann hörte ich in den Nuller-Jahren viel Techno. Gigolo Records, unter anderem Miss Kittin, Fischerspooner und Dopplereffekt. Das waren und sind Einflüsse, die man bei Frittenbude hört: Hip-Hop, Techno, diese ganze 00er-Jahre-Geschichte.  
Strizi: Mein Vorbild ist Reinhard May. Also war es als Kind zumindest. Ich mag auch Autoren, die schön schreiben. Thomas Bernhard finde ich gut, und Walter Benjamin. 

Was wolltet ihr eigentlich als Kind werden? 
Strizi: Ich wollte schon immer Musik machen oder Viva-Moderator sein. 
Jakob: Polizist nicht, oder?  
Strizi: Ne. Feuerwehrmann ganz früher. Ich kann mich ein Konzert erinnern, ich war sechzehn und dachte mir: In zwei Jahren stehst du da oben. Das hat dann aber noch zehn weitere Jahre gedauert. 
Jakob: In Niederbayern gab es damals keine Musikszene. Das war alles weit weg. Ich wusste früh, dass ich Musiker werden will. Fußballprofi war auch eine Option, aber dafür war ich nicht gut genug. Dann bin ich halt Musiker geworden. Schon als Jugendlicher habe ich rumprobiert mit Keyboards, experimentiert mit Kassettenrecordern. Zum Glück hat das funktioniert! Sonst wäre ich jetzt wahrscheinlich ein bisschen lost.