Wie Forest Swords zum großen Schmuggler der Popmusik wurde

25.10.2013
Er sucht mit seinem Sound eine Linie zwischen Zugänglichkeit und Individualität. Forest Swords seziert Popmusik und setzt sie mit sehr viel Fingerspitzengefühl wieder zusammen.

Es gibt nicht viele Arten, ein Butterbrot zu schmieren. Um Popmusik zu machen, allerdings, da gibt es unendlich viele Wege. Einen besonders spannenden Ansatz hat Matthew Barnes aka Forest Swords gewählt, der mit seinem im August erschienen Debütalbum »Engravings« die Kritiker ins Schwärmen brachte.

Er mischt darauf die typischen, aus R&B-Songs gesampleten Geister-Vocals, wie man sie von Tri-Angle-Labelkollegen wie Holy Other kennt, mit dubbigen Basslines und Ennio Morricone-Gitarren zu einer Opulenz, die man so sonst nur in Klassischer Musik erlebt. Und wo findet dabei noch Popmusik statt? Man hört das Poppige kaum und das will Barnes nicht anders. Er sucht mit seinem Sound eine Linie zwischen Zugänglichkeit und Individualität: »Ich denke, ich nehme – besonders auf ›Engravings‹ – Popmusik mit in eine andere Richtung und bewege sie an Orte, an denen die Menschen sie nicht erwartet hätten«. Aus Pop baut sich Barnes das Hautgebäude seines Sounds; ein Gebäude, das er zu allen Seiten offen lässt. Hereinkommen darf alles. »Es ist fast als würde ich interessante Ideen in die Popmusik schmuggeln.«

Danke, aber Nein danke

Interessante Ideen packte Barnes schon 2010 auf eine EP. Mit »Dagger Paths« stellte er seinen einzigartigen Sound vor; das britische Magazin FACT kürte die EP gleich zum Album des Jahres. Und dann – dann verschwand Barnes wieder von der Bildfläche. »Ich habe den Trubel absterben lassen. Habe einfach mit meinem normalen Leben weitergemacht. Ich wollte warten«, erklärt Barnes in einer Nüchternheit, die er sich bei seinem Erfolg so nicht hätte bewahren müssen.

»Ich denke, ich nehme Popmusik mit in eine andere Richtung und bewege sie an Orte, an denen die Menschen sie nicht erwartet hätten«

Aber der junge Mann aus dem rustikalen Wirral in der Nähe von Liverpool geht die Dinge anders an. Er erklärt, dass es viele Angebote gegeben habe. Er hätte ja auch wie die ganzen anderen Künstler nach Brooklyn, Berlin oder London ziehen können; etliche Shows spielen, den Hype ausleben. Aber das habe sich nicht richtig angefühlt und die Musikindustrie sei eben keine glorreiche Utopie; zumal er mit einem Tinitus zu kämpfen hatte. Also antwortete Barnes auf alle Anfragen mit einem »Thank‘s, but no thanks«, behielt seinen Job als Grafikerdesigner und verschwand wieder zwischen den weiten Flächen und Flüssen Nord-Englands.

An der Welt interessiert

Barnes Wohnort trug schließlich mit dazu bei, dass drei Jahre nach »Dagger Paths« doch noch ein Debütalbum erschien. Das Zusammenspiel bzw. die kontrastreiche Dynamik zwischen dem ländlichen Wirral und dem direkt daneben liegenden Liverpool versuchte Barnes in den Sound von »Engravings« zu destillieren. Dass Barnes nach dem Erfolg seiner EP seine Heimat nicht verließ, trug auch dazu bei, dass er einen Schritt zurücktreten konnte und neuen Ideen kamen, wie er es am liebsten mag: organisch. So begann im Laufe der Zeit eben doch ein Debütalbum zu entstehen: »Es ist einfach passiert. Ich habe mich nicht hingesetzt und gedacht ›Okay, jetzt machst du ein Album‹. Ich habe nur mit Songs und Beats herumgespielt, und langsam kam ein Album zusammen. Ich habe es vor meinen Augen einfach entstehen sehen können.«

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Das Album entstand also vor allem durch die Ruhe und Zurückgezogenheit, die sich Barnes nach dem Erfolg seiner EP weiterhin gönnte. Aber nicht in Gedanken: »Es ist gut interessiert zu bleiben und den Geist vollkommen offen zu halten.« Das alltägliche Leben überschaubar gestalten, aber in Gedanken und Ideen die ganze Welt hineinlassen – vielleicht ist das die Grundlage, auf der »Engravings« ein so großartiges Album wurde. »Ich bin einfach interessiert an der Welt«, sagt Barnes und erklärt damit vielleicht am treffendsten, warum sein Sound klingt wie er klingt. Obwohl es tausend Arten gäbe, das zu erklären.