Forest Swords gab ein Konzert – und trotzdem muss man über eine Ukulele reden. Die meisten waren natürlich gekommen, um Forest Swords zu erleben: seinen mächtigen Sound, die opulenten Ennio Morrichone-Gitarren und den fetten Bass. Das alles gab es auch. Und trotzdem muss man über so etwas winziges, wie eine Ukulele reden. Weil wieder einmal die Vorband überraschte. Wobei Vorband nicht die richtige Bezeichnung ist. Die Vor-Ein-Mann-Ukulele-Armee würde eher zutreffen. Antonio De Luca ist ein Drittel der Kölner Band Colorist und stand an diesem Abend alleine, nur mit seiner Ukulele auf der Bühne. Wer den Sound nur hörte, der wird allerdings als letztes an eine Ukulele gedacht haben. Da dröhnte es ordentlich, glimperte nur kaum hörbar zwischen Flächen, Raum und Wummern. Das volle Weirdo-Elektronik-Programm. Aus einer gottverdammten Ukulele? Ja! Antonio hat uns erklärt, wie er seiner Ukulele all diese Geräusche entlockt, wobei das Folgende die Grobfassung ist: »Ich habe extra Mikrofone an das Instrument gebaut, damit ich verschiedene Signale benutzen kann. Diese Signale gehen dann durch verschiedene Effekte. Ich habe am Ende insgesamt zehn verschiedene Output-Signale; also mehr als eine durchschnittliche Rockband«. Uff! Fürs »Uffs« sorgte dann auch Forest Swords, den die Ukulele natürlich nicht in den Schatten stellte. Aber dass die Ukulele einen zu ihrer Größe unverhältnismäßig großen Schatten warf – das sollte hier erwähnt werden. Es folgten auf die Ukulele, ein MacBook, diverse Controller, eine Gitarre und eine Bass-Gitarre. Die ersten drei »Instrumente« bediente Matthew Barnes aka Forest Swords, den Bass sein Begleitmusiker. Zu hören gab es Songs aus Forest Swords großartiger EP »Dagger Paths« und seinem nicht minder fantastischen Debütalbum »Engravings« Auch einen neuen Song gab er zum Besten. Und zwar ist das Hören bei Forest Swords ein Genuss; aber es ist ohne ein Fühlen fast undenkbar und baut immer Atmosphäre auf. Beziehungsweiße handelt es sich um ein Wechselspiel: Forest Swords Musik schafft Atmosphäre, gleichzeitig bedingt die Atmosphäre Forest Swords Musik. »Engravings« atmete den Anmut der rustikalen Landschaften rund um Liverpool. Der Live-Auftritt atmete den rustikalen Charme der Baustelle Kalk. Ein Veranstaltungsort, der nicht umsonst Baustelle heißt. Forest Swords stand auf einem verstaubten Perserteppich, vor ihm ein alter Holztisch, hinter ihm Rohputz, Beton, spärliche Dekoration und Lichtspiele aus dem Beamer. Ein besonderer Ort diese Baustelle. Auch Forest Swords schien den speziellen Charme dieses Ortes zu spüren, reicherte ihn mit seinem unverkennbaren Sound an und ließ sich schließlich zu den Worten hinreißen: »We played Berghain yesterday and this place is just as cool!«. Das Berghain mit der Baustelle zu vergleichen ist, als würde man Forest Swords Sound mit einer Ukulele vergleichen. Also an solch einem Abend: absolut angebracht.
Zwölf Zehner – Jahresrückblick 2013 (Teil 2)
Kolumne