»Nein. Ich habe wirklich keine Ahnung, was abgeht«, sagte Tahliah Barnett den amerikanischen Kollegen von Pitchfork die wissen wollten, ob sie sich als Teil einer künstlerischen Community in London sehe. Warum sollte sie auch? Als FKA Twigs deutet sie auf ihrer »EP2« an, dass sie ein ganzes Genre retten könnte. Was abgeht, ist da nebensächlich.
Zwei EPs. Acht Songs. Mehr hat die Welt bisher nicht von FKA Twigs auf Schallplatte zu hören bekommen. Und trotzdem gilt Tahliah Barnett als eine der ganz großen Hoffnungen für TripHop. Für DreamPop. Für die gesamte Musik. Denn lange schon hat niemand mehr so selbstbewusst Grenzen und Strukturen verschoben. Dafür gab es zahlreiche Liebe von Blogs und Musikmagazinen – völlig berechtigt.
Die 25-Jährige wuchs in Gloucestershire auf, einem kleinen Ort im Südwesten Englands, wo es nur wenig mehr als Traktoren und Schafe gibt. Mit 17 Jahren zieht es sie nach London zu einer Tanzschule, wo sie auch Unterricht im Singen bekommt. Im Dezember 2012 veröffentlicht sie ihre erste EP, der zweite Streich folgt ein paar Monate später im Herbst des Folgejahres. Und gleich die ersten Minuten des Openers von »EP2« machen klar, warum jeder Liebhaber von guter Musik diese Frau verehren muss.
Aus dem Raum schieben sich breite Synthieflächen, bevor ein trockener Beat einsetzt und FKA Twigs darüber mit ihrer flüsternden Stimme singt. Ein hektischer Rhythmus setzt ein und der ganze Track »How’s That« baut sich mehr und mehr auf. Kleine Details kommen hier und da hinzu. Mit jeder Sekunde wächst das ganze Stück. Der Sog dieses Sounds ist gewaltig.
Für die Single »Water Me« arbeitete sie mit dem Producer Arca zusammen, der auch an Kanye Wests Erweckungserlebnis »Yeezus« mitschraubte. Und aus den eigentlich gleichen Kniffen bauen die beiden dort ein völlig anderes Erlebnis. Die unterkühlte Atmosphäre bleibt, für FKA Twigs findet sich in diesem eigentlich engen Spielraum genug Platz für Experimente und Variationen. »I guess I’m stuck with me«, singt sie in »Water Me« und selten öffnete sich eine gesamte Gefühlswelt so deutlich wie in diesen herrlichen Sekunden. Die Effekte kriechen langsam zusammen für einen kompletten Song, der Rhythmus pumpt noch karg vor sich hin und das ganze Ding hält eigentlich nur die Stimme von FKA Twigs zusammen. Was sie da so singt, möchte man manchmal gar nicht wissen. Es bleibt beizeiten der Eindruck, dass sich hier jemand bis an die Schmerzgrenze öffnet.Was sie da so singt, möchte man manchmal gar nicht wissen. Es bleibt beizeiten der Eindruck, dass sich hier jemand bis an die Schmerzgrenze öffnet.
Das FKA musste sie ihrem Künstlernamen hinzufügen, weil es einen Namensstreit mit einem anderen Musiker mit dem gleichen Namen gab. Das Twigs selbst kam von ihren knackenden Knochen. Doch es beschreibt auch perfekt ihren Sound. Diese treibenden Momente im Raum, die pulsierend oft brechen, um sich wieder aufzubauen. Das Reduzierte bereichert den Sound von FKA Twigs und gibt ihm seine Eigenarten. The xx und Massive Attack als Referenzen passen, machen die Variationen deutlich und treffen doch so überhaupt nicht das, wofür FKA Twigs steht. Denn als Sängerin hat sie schon eine sehr deutliche Sprache gefunden in ihrem Gesang. Ihr Sound dabei: Club und Pop, Hand in Hand. Und das so weit entfernt von irgendwelchen urbanen Avantgarden oder Strömungen, das es nur erfrischend sein kann. Das wird es auch ziemlich nebensächlich, was abgeht – so lange FKA Twigs für den Rest der Welt singt.