500 Schmetterlinge. Ausgeschnitten, gefaltet und verklebt. »Sau viel Arbeit«, sagt Luka. »Aber wenn du unsere Platte aufklappst, sticht das richtig geil raus«, meint Kolja und hält das Cover des neuen Albums in die Kamera. Die beiden sind Ferge x Fisherman, eine »ich sag mal: Liebhaber-Band«, so der fränkische Rapper. »Und als solche sind wir der Meinung, dass es diese aufwändigen Specials geben darf, auch wenn das viel Arbeit für nix ist.«
Die Frage ist, »was ist nix?«, entgegnet Luka und meint wahrscheinlich mehr als das »x«, das ihn als Ferge von Fisherman trennt. Denn während Luka bei Ferge x Fisherman die Beats produziert, schreibt Kolja die Texte. Auf Englisch und immer schon, was eine ganze Weile ist, wenn man weiß, dass sich die zwei zwischen Skaterplatz und Schulweg kennengelernt, als Crew gechillt und irgendwann mehr Mukke als nix gemacht haben.
Zwei Gigabyte Kindheit
Ferge x Fisherman gibt es zwar erst seit 2018, aber das Interesse an Hip-Hop reicht bis in die Kindheit zurück. Kolja entdeckt 50 Cent in der Badewanne. Luka, der seinen Namen einem Song von Suzanne Vega verdankt, sozialisiert sich – wie fast alle Kids der Neunziger – auf zwei kostbaren Gigabytes. Nach Linkin Park und Die Ärzte landen The Streets und Drum’n’Bass auf seinem iPod. »Später bin ich bei Soul und Funk aus den Siebzigern hängengeblieben. Auch weil ich auf YouTube immer wieder neue alte Platten finde, die ich für unsere Musik verwenden kann.«
Musik von Barney Kessel zum Beispiel, die als verdichteter Gitarrenloop auf »Butterfly« zu hören ist. Oder eine Platte des brasilianischen Tropicalia-Bosses Sessa. »Die habe ich aber nicht gesampelt, die war nur eine Referenz: Die Streicher klingen so pervers geil, dass ich dem Recording Engineer via Insta geschrieben habe. Der hat mir dann genau erklärt, welche Plugins er verwendet hat, um diesen warmen Sound hinzubekommen.«
»Nachdenkliches polarisiert zu wenig, um viral zu gehen.«
Kolja (Ferge x Fisherman)
Apropos Wärme: Ferge x Fisherman haben die Mood-Thermostate auf zwei Alben nachhaltig aufgedreht – 2020 mit »Blinded By The Neon« und 2022 mit »Duality«. »Good Mother« ist nun ihr »intimstes« Album. Bevor jetzt jemand in Versuchung gerät, drei Euro in die Phrasendreschmaschine zu werfen – das ist ausnahmsweise kein Promo-Satz, sondern Real-Talk von zwei Jungs, die sich mit 30 Jahren in einem »Wechselspiel« zwischen Erwachsenwerden und Erwachsensein befinden.
»Früher musste man 18 erwachsen werden«, sagt Kolja. »Inzwischen zieht sich dieser Prozess bis in die 30er hinein. Wir sind genau in dieser Phase der ›emerging adulthood‹, finden also unsere eigene Rolle in der Gesellschaft, in der Politik, in der Liebe. Es war nur adäquat, sich auf dem Album ausführlicher mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Auch wenn Nachdenkliches natürlich zu wenig polarisiert, um viral zu gehen.«
20 Takte Liebe
Innenschau im deutschen Hip-Hop mag zwar nicht kiloweise klicken. Der Blick nach drinnen kommt aber an, wo er ankommen muss: »Mick Jenkins aus den USA hat auf unsere Anfrage für ein Feature megasüß geantwortet«, sagt Kolja. »Das Ding ist: Für seine Gebühr hätten wir nur acht Takte bekommen. Er hat den Song aber gefeiert, also hat er uns 20 geschickt. Nicht weil er was an uns hätte, sondern weil er Bock drauf hatte!«
Die Liebe zur Sache treibt Luka und Kolja an. Auf dem Cover der Platte sieht man deshalb eine handgemalte Raupe, dahinter die fotorealistische Abbildung eines Schmetterlings. In seinen Flügeln steht »Good Mother«. Ferge x Fisherman sind dieser Schmetterling. Sie haben sich aus ihrem Kokon geschält, eine Verwandlung durchgemacht. Das merkt man auch äußerlich: Kolja trägt zwei dicke Ringe an den Fingern, Luka hat sie zumindest schon gekauft. »Ein erstes Herantasten an den Look« sei das. »Zuallererst müssen wir aber noch 350 Raupen auf die Covers malen.«
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