Erweckungserlebnisse müssen sich so anfühlen. Erykah Badu tritt auf die Bühne und für einen kurzen Moment steht die Zeit still. Ihr Blick geht in die Ferne. Die größte Sängerin der Welt trägt einen Hut, einen langen Mantel, eine pinke enganliegende Hose und schwarze Stilettos. Mit einer beneidenswerten Entspanntheit greift sie zum Mikro und hält inne. An ihrer einen Hand trägt sie einen Ring, der ein kleines goldenes Flugzeug trägt. Sie schließt die Augen und öffnet ihre Aura. »20 Feet Tall« baut sich langsam auf. Erykah Badu bewegt sich majestätisch, geschmeidig – ihre gereckte Faust kurz darauf bei »The Healer« hält sowohl Rebellion als auch Anmut in die Höhe.
Die Cannabinoids legen den ganzen Abend einen unglaublichen Sound vor, der aus Soul, Funk und Hiphop gleichermaßen besteht. »On & On« verliert etwa jegliche Ruhe und wird zu einem motherfunkin‘ Monster, das alles verschlingt. Die Gewalt über diese Kräfte hat nur die Königin, die Herrscherin, die Chefin, die Königin des Souls: Miss Erykah Badu. Ihre Stimme schmeichelt sich ein so wie sie einen in den passenden Momenten schüttelt. Viele der Songs sind verfremdet, in ein neue Dynamik gepackt, dass oft nur Text und Melodie erkennbar sind. »Appletree« besteht schlagartig nur noch aus Groove – der Rhythmus enthält pure Energie, während Miss Badu mit einem Lächeln die Worte in das Zelt der Gehrlicher Musik-Arena entlässt. Es ist voll und drückend und warm und großartig. Mehr und mehr setzt sich die volle Wucht des Funks im Set durch, was auch an dieser unglaublichen Band liegt. Jedem im Publikum steht mindestens ein Grinsen im Gesicht aufgrund des Wissens, dass dies vielleicht das beste Konzert der eigenen Lebenszeit ist. Alles läuft hier einfach perfekt zusammen.
Den Mantel hat Erykah Badu da längst abgelegt, der Hut dient nur noch der kurzfristigen Koketterie und hängt sonst auf dem Mikrofonständer. Sie schreitet über die Bühne, während ihre Band sich mit jeder Minute steigert. »Window Seat« verschafft die einzige Pause, bevor die Videowand im Hintergrund wieder den Rechner zu Höchstleistungen zwingt mit allerlei bunten Bildern und Effekten. Überhaupt das Licht, dass Miss Badu herausstellt und doch die ganze Bühne erhellt. Die Scheinwerfer drehen oft ab, tauchen auf und verschwinden wieder. Das bunt gemischte Publikum klatscht in den Takten mit. »Didn’t Cha Know« widmet sie dem verstorbenen Dilla und das auf so charmante, ehrliche Art, dass es keine Wehmut aufkommen lässt, sondern zu einer echten Huldigung wird.
Kurz vor zehn Uhr kommt das Konzert zum Ende. Fast zwei Stunden stand Erykah Badu auf der Bühne und so wirklich fassbar ist es immer noch nicht. Erykah Badu. Erykah Badu! »There is only one life, only one chance to be yourself – so don’t fuck it up”, sagt sie und es scheint so einfach. In ihrer Stimme schwingt dabei diese Mischung aus Ärger und Fürsorge mit, die man von Leuten kennt, denen man nicht egal ist. Wie sie auf die Bühne kam, so verschwindet Erykah Badu dann auch wieder. Und während ihres Abgangs, blickt sie noch einmal in die Halle. Ein letztes Mal lösen sich Euphorie und Endorphin im Applaus. Auch Miss Badu grinst breit und freudig. Ab da dann kein Vielleicht mehr – das war das beste Konzert meines Lebens.
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