Editions Mego – Warum machen, wenn es nicht seltsam ist?

18.06.2015
Foto:Magdalena Blaszczuk / © Editions Mego
Das ist keine Musik, zu der man den Abwasch erledigt. Es ist mal schwierige, mal akademische, mal einfach seltsame Musik. Es ist die Musik, die bei Editions Mego erscheint. Wir haben mit dem Peter Rehberg, dem Gründer des Labels gesprochen.

»Das Techno-Label, das keinen Techno veröffentlicht«. Vor wenigen Wochen war es 20 Jahre her, dass ein kleines Wiener (und damals auch Berliner) Label mit seiner ersten Veröffentlichung in die Welt der elektronischen Beats trat: Mego.

Als Peter Rehberg es nach der allgemeinen Vertriebskrise vor zehn Jahren als Editions Mego neu aufstellte, ließ sich die einzigartige, richtungsweisende, auch identitätsstiftende Position, die es heute genießt, kaum erahnen. Sein eingangs zititiertes Selbstverständnis zieht nicht nur eine Hörerschaft an, deren Abenteuerlust ein Zuhause sucht. Die in stündlichem Takt aufschlagenden Demos bezeugen auch, dass es für schwer einzusortierende Musiker zu einer ersten Adresse geworden ist.

Sein Katalog, inzwischen auf mehrere hundert Releases gewachsen (die fünf gastkuratierten Sublabels noch nicht eingerechnet) lebt allerdings auch von Kontinuität. Fennesz der hier 1995 debütierte, ist nur der erste einer ganzen Reihe von Künstlern, die über lange Jahre den Sound des Labels geprägt haben. Mit der Wiederauflage der eingangs angesprochenen »Fridge Tracks« von General Magic & Pita blickt Editions Mego heuer zurück. Vielmehr feiert es jedoch mit Blick nach vorn, in Form einer noch gar nicht ganz durchgeplanten Serie von Showcases (u.a. beim Sónar Festival im Herbst auch in Berlin), darunter auch mit neuem Material von Peter Rehberg selbst.

Es fällt auf, dass Editions Mego sich so mancher marktüblichen Mechanismen entzieht: die Präsenz in sozialen Netzwerken ist knapp gehalten, die Webseite übersichtlich, Compilations oder Merchandise gibt es nicht. Auf der anderen Seite leistet sich das Label nicht selten sperrige Releases auch auf Vinyl. Wie kommt es, dass Editions Mego so erfolgreich ist?
Peter Rehberg: Puh! Also, wir versuchen nicht, besonders unauffällig zu wirken, aber ich mochte schon immer Labels, die einfach nur gute Platten machen, kein Business. Ich lebe ja in Wien und hier findet Musikbusiness auch kaum statt. Aber warum das so erfolgreich ist, sehr gute Frage… ich schätze, weil es sehr ehrlich ist. Es wird allerdings nicht einfacher, muss ich sagen. Plastik, das Leute aus dem Laden nach Hause tragen, wird jedes Jahr etwas weniger. Das heißt aber nicht, dass das Interesse an der Musik abnimmt. Aber selbst die Vinylkäufer, die bei mir direkt ordern, wollen als erstes den Downloadcode. Ich selbst spiele ja auch meistens eine Playlist. Bei Vinyl musst du nach zwanzig Minuten aufstehen.

Warum zum Beispiel gibt es EVOLs »Proper Headshrinker« auf Vinyl, so etwas wie Tujiko Norikos Pop-Entwurf von »My Ghost Comes Back« aber nur auf CD?
Peter Rehberg: Nun, die EVOL ist eine Konzeptplatte: Die Stücke sind nicht nur alle gleich lang, wir haben sie auch so auf Vinyl geschnitten, dass sie gleich breit sind. Das ist ein Objekt. Und Tujiko Norikos Alben verkaufen sich vor allem in Japan, weil sie Japanerin ist. Und dort werden eher CDs gekauft. Dort hat man die CDs ja auch erfunden…

…was ich meinte: EVOLs Album ist einfach schwierig als Musik.
Peter Rehberg: Ja. Wir haben von Anfang an immer wieder Platten veröffentlicht, die es auf dem Markt eigentlich nicht geben dürfte. Eine Sache der Haltung; ich will nicht sagen Punk oder so, eher in Richtung Prankster. Das mochte ich schon immer. Und als DJ kommt man immer mal in Situationen, wo man so eine Platte gut gebrauchen kann.

»Diese ganzen akademischen Sachen: Natürlich ist das nichts, wozu man den Abwasch macht. Aber es ist Musik, die gehört werden will.«

Peter Rehberg
Als ihr angefangen habt, war die Love-Parade in ihrer Hochphase. Als dissidentes Techno-Label habt ihr der Hitze dieses Mainstreams nicht nur symbolisch eine kühlere Temperatur entgegengestellt. Inzwischen seid ihr Zentralgestirn eines eigenen musikalischen Kosmos. Bringt das Verantwortung mit sich, zum einen für die Künstler, aber auch für ein junges Publikum?
Peter Rehberg: Ja, darum versuchen wir so viele gute Platten zu machen wie möglich. Mir ging es nie um Genres, aber ich möchte, dass die Leute verstehen, warum eine Platte auf dem Label erscheint. Vermutlich bin ich der einzige, dem alles darauf gefällt. Aber mir begegnen viele junge Leute, so um die zwanzig, die es verstehen. Ich sehe aber auch bei Demos, dass so viele den Fehler machen, dazu zu sagen: Das klingt wie irgendwas. so wie Fennesz zum Beispiel. Warum sollte ich das herausbringen? Ich habe Fennesz. Wenn du jemand anderes bist, mache etwas anderes. Der ganze Sinn dieser Industrie ist es, viel Geld damit zu verdienen, populäre und hübsche Sachen zu produzieren, den Markt zu bedienen. Wir sind nicht Teil dieses Spiels. Wir werden nicht lauter Platten produzieren, die nach Fennesz klingen. Aber man weiß auch, was man bei uns bekommt, auch bei den Sublabels. Manchmal schieben wir Überraschungen ein. Bei Spectrum Spools denken die Leute, das ist diese amerikanische Synth/Noise/Drone-Musik, und dann machen wir da David Borden oder die Sachen von Donato Dozzy

Ich fand David Borden völlig passend…
Peter Rehberg: Ja, weil es ein Klassiker ist. John (Elliott, Kurator von Spectrum Spools) liebt Musik und ist sehr gut darin, Dinge aufzuspüren. Steven (O’Malley, Kurator von Ideologic Organ) genauso. Dort haben wir jetzt Ákos Rózmann…

…dessen neue 7-CD-Box sicher auch schwer zu verkaufen ist?!
Peter Rehberg: Gar nicht mal – wir können im Herbst wohl nachpressen! Natürlich ist das nichts, wozu man den Abwasch macht. Aber es ist Musik, die gehört werden will. Diese ganzen akademischen Sachen aus den Siebzigern und Achtzigern, auch Sechzigern, die damals von fünfzig Leuten gehört wurde, die am selben Institut gearbeitet haben, und die dann in einem Archivregal landete. In den Neunzigern vielleicht noch auf CD, ohne dass es jemand mitbekam. Heute ist eine andere Zeit, in der wir sagen können: hört euch das mal an. Hört Bernard Parmegiani

Fennesz oder Tujiko Noriko zählen auch zu den Künstlern, mit denen du schon sehr lange arbeitest, die aber auch woanders veröffentlichen. Wie ist das, wenn du Material eines Künstlers ablehnst? Bereust du es manchmal, wenn es dann woanders rauskommt?
Peter Rehberg: Eigentlich nicht. Manchmal denke ich, dass ich nicht der Richtige dafür bin, und bereue die Entscheidung dann auch nicht. Es ist aber auch hart, zu sagen: Ich kann das nicht machen. Wenn ein Release woanders erscheint, dann meist, weil ich ihn nicht zu dem Zeitpunkt machen kann, zu dem der Künstler ihn haben möchte. Die meisten hätten ihre Platte ja gerne gestern. Wenn ich ihnen sage »Wie wär’s mit November?« und wir haben Februar, geht das Grummeln los… Es ist eher eine logistische als eine Geschmacksfrage.

Vor drei Jahren hatte das Label eine aufregende, explosive Phase. Im Jubiläumsjahr hat sich der Output etwas verschlankt, auch der Sound scheint sich ein wenig auf Post-Industrial zu fokussieren. Auch in den Showcases, die nun kommen.
Peter Rehberg: Ja, fast. Dafür gibt es eigentlich keinen besonderen Grund. John Elliott von Spectrum Spools ist viel umhergezogen, bei Recollection GRM hat das 3D-Cover von Michel Redolfi lange gebraucht, solche Dinge. Wir haben einfach ein wenig das Tempo herausgenommen. Ich denke, den Vertrieben war das nicht unrecht. Und dann ist es auch eine Zeitfrage, weil ich selbst wieder neue Musik mache und Konzerte spiele. Ich versuche jeden Tag zwei, drei Stunden mit meinem Setup zu verbringen, und sei es nur um ein fertiges Set nachzujammen. Oft morgens, ich stehe zur Zeit mit den Vögeln auf. Nachts, so wie früher, geht das nicht mehr. Da gucke ich Filme und denke nicht mehr nach.

Sind die kleineren Sublabel Old News und Sensate Focus abgeschlossen?
Peter Rehberg: Nein, da kam nur in letzter Zeit nichts. Jim (O’Rourke) war im letzten Jahr mit seinem Pop-Album beschäftigt. Mark (Fell) schickt mir hin und wieder Kollaborationen, aber ich hätte gerne 100% Mark Fell.

Zum Abschluss die Frage: Leben wir heute in musikalisch besseren Zeiten als vor zwanzig Jahren?
Peter Rehberg: Ja, weil man viel besseren Zugang zu viel mehr Dingen hat. Natürlich hat das Internet da sehr geholfen. Nur das Problem mit dem Internet ist: Es ist eine große Bibliothek, aber ohne Index. Man muss immer noch wissen, was man sucht. Aber wenn ich mich heute für eine bestimmte Band interessiere, kann ich innerhalb von zwei Tagen ihren gesamten Backkatalog an meiner Tür haben. Ich glaube auch, dass es gut ist, dass Vinyl wieder da ist, weil es die Idee wieder gestärkt hat, dass es sich um Produkte handelt. Wenn alles nur noch digital erscheint und wenn die Leute dafür dann nicht bezahlen, kommt einfach kein Geld herein, um weiterzuarbeiten. Das ganze ist schon seltsam. Aber das ist in Ordnung, darum geht es ja überhaupt. Warum sollten wir das alles machen, wenn es nicht seltsam wäre?