Ebo Taylor ist ein alter Mann. Zwei tiefe Falten ziehen sich von seiner großen Nasen runter an seine Mundwinkel. Seine Augen schauen knorrig, ein wenig müde. Taylors Bewegungen sind langsam und bedacht, doch sobald er sich an seine Gitarre macht, zuckt die Energie durch seine Finger, auch die Anspannung in seinem Gesicht verflüchtigt sich, während der Blick auf dem Instrument ruht. Bis auf ein paar Leute in der ersten Reihe herrscht in der Desi zuerst höchster Respekt vor dem Mann, um den sich die siebenköpfige Afrobeat Academy auf der kleinen Bühne verteilt hat. Doch im Laufe des Sets lässt das nach. Die Beine bewegen sich immer mehr. Denn sowohl Band als auch Taylor bringen einen unglaublichen Groove in den Stücken. Saxophon und Trompete lassen »Ayesama« bis in den Rhythmus beben, während immer mehr Leute tanzen. Zwischen den Songs erzählt Ebo Taylor Anekdoten und Geschichten, allerdings tritt sein afrikanischer Akzent manches englische Wort so breit, dass es einfach untergeht. Doch es geht ihm nicht um Worte, sondern um die Botschaft, um das Gefühl. Taylors Faust geht in manchen Songs in die Luft und es schwingt noch ein wenig der Hauch von Revolution mit, den er vor Jahren an der Seite von Fela Kuti verbreitet haben dürfte.
In den Momenten, wenn die Perkussion, Drums und Orgel das Geschehen bestimmen, wandern Taylors Augen durchs Publikum und manchmal weichen sich seine Züge auf. Für kurze Zeit lächelt er. Sein Blick scheint dabei auf jedem zu ruhen, während die Bläser wieder ordentlich die Melodie pumpen. Afrobeat, Funk, Soul und Jazz verschmelzen mehr und mehr. Besser geht es kaum. »I have a bad message for you, we have only two more songs to play«, sagt Taylor nach mehr als einer Stunde und mittlerweile hat sich die massive Bewegung des Publikums auch im Geruch des kleinen Raums abgelegt. Taylors Worte durchbricht sofort ein lautes Lachen. Das Spiel mit dem Ruf nach Zugaben hat er wohl schon zu oft mitgemacht. Nach zwei weiteren brennenden Brettern geht die Afrobeat Academy von der Bühne und der alte Mann bleibt zurück. Er will ein Stück alleine spielen. Er greift sich seine Gitarre und spielt »Barrima«, bei dem Sehnsucht und Wehmut auf jeder Note liegen. Danach hauen er und die Afrobeat Academy wieder ein wahnsinniges Stück raus mit unglaublicher Energie. Ebo Taylor steigt dabei von der Bühne und verabschiedet sich von jedem Besucher mit einem Handschlag. Seine Augen blicken einen aus dem alten Gesicht an. Frohmut und Freundlichkeit liegen in ihnen.
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Kolumne