Keine Frage: Afrobeat hat Konjunktur. Indierockbands wie Vampire Weekend zelebrieren die Ranschmeiße an traditionelle afrikanische Rythmen genau so wie die samplewütige HipHop- und R’n’B-Produzenten. Ebo Taylor ist neben Fela Kuti wohl einer der Urväter des Afrobeat und der Highlife-Musik. Mit Love & Death erschien Ende 2010 das erste international vertriebene Album des 74-jährigen und untermauert noch einmal deutlich seinen Status als Highlife- und Afrobeat-Koriphäe. Ein Gespräch über den Wandel des Afrobeat, seine Freundschaft zu Fela Kuti, das Sampling seiner Songs und natürlich das neue Album Love & Death, welches er gemeinsam mit der Afrobeat Academy aus Berlin aufgenommen hat.
hhv.de: Sie sind schon seit ihrem sechsten Lebensjahr Musiker. Wie fing das damals an?
Ebo Taylor: Ganz genau. Ich habe wirklich früh angefangen, Keyboard zu spielen. In der Schule habe ich das dann weiter verfolgt und bin auf das Klavier umgestiegen. Irgendwann brachte jemand aus den oberen Jahrgängen eine Gitarre zum Unterricht mit und ich begleitete ihn auf dem Klavier. Aber das Instrument machte mich sofort neugierig. Da ich noch nicht viel lernen musste und genug Freizeit hatte, übte ich jeden Tag das Gitarrespielen. Das sprach sich rum und eine befreunde Band fragte mich, ob ich nicht mit ihnen ein Konzert spielen wolle. So spielte ich das erste Mal auf einer großen Bühne vor Leuten. Es war toll und ich bekam wahnsinnig viel Applaus – das hat sich damals angefühlt, als wäre ich ein Star. (lacht) Danach wurde ich in die Band (die Stargazers, Anm. d. Verf.) aufgenommen. Am Ende des Jahres waren wir eine der angesagtesten Highlife-Bands und spielten an vielen Schulen für die Mädchen und Jungen. – Es war eine tolle Zeit.
Wie kamen Sie dann dazu, ein professioneller Musiker zu werden?
Ebo Taylor: Wenig später spielten wir auch Konzerte an der Elfenbeinküste, Südafrika oder Liberien. Immer wieder kamen Promoter auf mich zu und sprachen mich an, ob ich nicht Konzerte spielen wolle. Bis dahin konnte ich die Auftritte immer auf die Ferienzeit legen, aber irgendwann ging das einfach nicht mehr – und so entschied ich mich dafür, auf Tour zu sein und professioneller Musiker zu werden. Da war ich gerade 19 Jahre alt. Im Jahre 1959 hatte ich dann meine erste richtige Studiosession und wurde landesweit bekannt.
Hatte diese professionelle Komponente Einfluss auf ihre Art zu spielen?
Ebo Taylor: Ich denke, ich wurde dadurch motivierter. Ich wollte ein Star werden, genau wie meine amerikanischen Vorbilder. Wes Montgomery oder Jim Hall, das waren meine Helden! Neben dem eigentlichen Gitarrespielen lernte ich auch das Arrangieren und Komponieren und übernahm diesen Job auch in der Broadway Band. Das machte mich ziemlich nervös. (lacht) Irgendwann lief es auch nicht mehr besonders gut und ich wurde wegen ein paar Kleinigkeiten aus der Band geschmissen. Ich ging nach England…
… wo Sie dank einem Stipendium der ghanaischen Regierung Musik studieren konnten…
Ebo Taylor: …und konzentrierte mich dort aber nicht nur auf die Musik. (lacht) Ich begann auch, TV-Skripte zu schreiben. Irgendwann sollte ein Stück über ghanaische Studentenbands gedreht werden. So kam ich wieder in Kontakt mit ein paar guten Musikern und gründete die Black Star Highlife Band. Unter anderem lernte ich dort auch Peter Keen und Fela Kuti kennen. Besonders von Fela war ich sehr begeistert. Er ließ Ideen aus dem Jazz in seine Musik einfließen und war uns immer zwei oder drei Schritte voraus. Auch ich begann, zu der Zeit viel Miles Davis und Charlie Parker zu hören. Ich denke, dass konnte man meiner Highlife-Musik sehr schnell anhören.
Irgendwann kehrten Sie aber wieder nach Ghana zurück.»Besonders von Fela war ich sehr begeistert. Er ließ Ideen aus dem Jazz in seine Musik einfließen und war uns immer zwei oder drei Schritte voraus.«
Ebo Taylor
Ebo Taylor: Ganz genau. Ich wurde freiberuflicher Musiker und Songwriter oder arrangierte für Leute wie Pat Thomas oder »PopAgee« Johnson und spielte in verschiedenen Bands und gründete unter anderem die Assassins. Aber die Musik kam nicht mehr sehr gut an. Es schien mir, als würden sich die Leute einfach nicht mehr für alte und traditionelle Musik interessieren. Ich glaube, die Leute vermissten etwas. Ich hörte zu dieser Zeit viele Bands aus dem Ausland. Blood, Sweat & Tears oder Deep Purple. James Brown war sehr erfolgreich und ich mochte, dass er zwar Rockmusik machte, aber die afrikanischen Einflüsse nicht zu überhören waren. Also setzte ich mich hin und brachte die traditionellen Songs mit modernen Rockeinflüssen zusammen – so entstand meine eigene Variante des Afrobeat. Auf dem Album Conflict, welches ich mit Uhuru Yenzu aufnahm, benutzte ich etwa viele Strukturen aus dem Jazz und dem Highlife. Zu dieser Zeit kam Fela Kuti auch wieder heim und gründete seine Band, die Koola Lobitos und wir spielten viel zusammen. Ich hatte genug Engagements und kam schon zurecht – aber es gab einfach nicht viel zu tun in Ghana. Das Nachtleben war zu dieser Zeit so gut wie tot. Genau wie der Afrobeat.
Sie haben gerade Fela Kuti angesprochen, den Sie ja schon in England kennenlernten. Können Sie ein bisschen etwas von Ihrer Beziehung erzählen?
Ebo Taylor: Wir trafen uns an den Wochenenden und spielten gemeinsam in den kleinen Jazzclubs der Stadt. Aber er war auch ein bisschen dickköpfig und eigen, weshalb ich nicht dauernd mit ihm rumhängen wollte. (lacht) Er kam manchmal unangekündigt auf die Bühne und solche Sachen. Abgesehen davon brachte Fela mir wirklich viele Dinge bei und ich rief ihn beispielsweise an, wenn unser Trompeter verhindert war. – (denkt nach) Doch, wir mochten uns sehr. Aber wir hatten auch viele hitzige Diskussionen über afrikanische Musik. Ich habe auch kein Problem damit, wenn die Leute den Afrobeat so spielen wie er ihn populär gemacht hat – aber ich denke, dieses Vermächtnis ist dafür da, um es weiterzuentwickeln. Das beste Beispiel ist wohl die Afrobeat Academy hier aus Berlin.
Wie kam es denn dazu, mit der Afrobeat Academy ein Album aufzunehmen?
Ebo Taylor: Ich war im Juli 2009 auf einem Festival in Deutschland und lernte ein paar der Musiker von der Afrobeat Academy kennen. Wir waren ungefähr drei Wochen gemeinsam im Proberaum. Eine tolle Zeit – the musicians went hot! Die Jungs waren wirklich sehr interessiert und hatten große Lust auf das Projekt. Das Besondere war, dass die Jungs alten Songs von mir wie Love & Dead oder What Is Life einen ganz anderen und neuen Dreh gegeben haben. Die Stimmung zwischen uns war so gut, dass einige der neuen Songs auf der Platte tatsächlich direkt im Proberaum entstanden sind.
War die Mischung aus alten und neuen Songs eine ganz bewusste Entscheidung? Man hört ja praktisch keinen Unterschied zwischen Alt und Neu.
Ebo Taylor: Definitiv. Die alten Songs dienen als Grundpfeiler, als Untermauerung für die neuen Lieder. Und es ist bei dem alten und dem neuen Material nun mal derselbe Komponist am Werk gewesen. (lacht)
Haben Sie irgendwelche Erwartungen, Hoffnungen der Wünsche mit dem Album?»Mein Wunsch ist, dass Afrobeat die ganze Welt rockt. Natürlich gibt es solche Sachen wie Hiplife – viele junge Musiker aus Ghana benutzen den Highlife als Grundlage und verknüpfen ihn mit HipHop-Elementen. Das wird allerdings nicht lange überleben.«
Ebo Taylor
Ebo Taylor: Oh, definitiv. Ich habe vorhin ja schon davon erzählt, dass meine Ansätze, Afrobeat und Rockmusik miteinander zu verbinden, nie sehr erfolgreich waren. Mein Wunsch ist, dass Afrobeat die ganze Welt rockt. Natürlich gibt es solche Sachen wie Hiplife – viele junge Musiker aus Ghana benutzen den Highlife als Grundlage und verknüpfen ihn mit HipHop-Elementen. Das wird allerdings nicht lange überleben.
Ein sehr populäres Beispiel dafür ist wohl She Don’t Know von Usher und Ludacris. Die beiden haben deinen Song Heaven gesamplet. Was denkst du darüber?
Ebo Taylor: (schmunzelt) Das ist ganz interessant. Durch diesen Song der beiden habe ich auf wunderbare Art gezeigt bekommen, was man mit meiner Musik alles machen kann. Ich bin sehr erstaunt, wie Usher und seine Produzenten mit dem Original umgegangen sind. Abgesehen davon habe ich dafür natürlich auch ein bisschen Geld bekommen. (lacht)
Außerdem gibt es dieser Tage viele Indierockbands wie Vampire Weekend, die Afrobeat-Anleihen in ihren Songs haben.
Ebo Taylor: Ich kenne Vampire Weekend nicht. Aber der Trend, dass Afrobeat Einfluss auf andere Genres hat, ist abzusehen – das finde ich toll.
Hat sich Afrobeat über die Jahrzehnte verändert?
Ebo Taylor: Ja, definitiv – jeder kommt mit seinem eigenen Style um die Ecke. Das Tolle ist aber, dass die Grundessenz immer noch erkennbar ist. Was ich mir allerdings mehr wünsche, ist der Afrobeat, der auch abseits von seiner Verwendung als tanzbare Musik funktioniert. So wie eine Jazzplatte, die man ganz alleine für sich in seinem Zimmer auflegt und genießt.