Es gibt bisher nicht viele Informationen über den Künstler Dracula Lewis im Netz. Es ist unterhaltsam zu sehen wie Blogs, mit den wenigen Informationen, die sie haben, eine Persona konstruieren und den Künstler in eine bestimmte Schublade stecken wollen. Sie wissen, dass er aus Transsilvanien stammt, sich selbst Dracula nennt und eine bestimmte Unbehaglichkeit und Rohheit in seinen Songs präsentiert. So wird er natürlich zu einem von Horror besessenen Mysterium und ein Charakter ist geschaffen. Aber Dracula Lewis, gebürtig Simone Trabucchi gibt sich damit nicht zufrieden: »Der Stereotyp ist zu einfach. Ich denke in der Realität, im Alltagsleben kann man mehr Horror finden.« Außerdem, und jetzt fühle ich mich als würde ich Dracula Lewis verraten, kommt er eigentlich nicht aus Transsilvanien, was mich nicht zu sehr überraschte als ich ihn traf, wo er doch einen, nicht zu überhörenden, italienischen Akzent hat. »Es ist ein Witz. Ein Tool zum Spielen für Journalisten und Lables.« Viele Künstler kreieren Charaktere, um ihren Unterhaltungswert zu heben, aber nur wenige gehen so offen und nonchalant damit um. Dracula Lewis kümmert es nicht ob Journalisten und Zuhörer die Wahrheit kennen oder nicht. »Ich sehe das als Test. Ich möchte sehen ob die Leute diese Art von Illusion mögen oder nicht. Als ich vor drei Jahren das erste Mal in Berlin spielte, buchte mich ein verrückter Typ. Ich sendete ihm zwei Zeilen über mich und er machte unmittelbar eine einseitige Biographie daraus. Er nutzte die Vorlage, die ich ihm gab, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen und eine Persona zu kreieren. Sonst wäre es langweilig.«_ Gut, langweilig oder nicht, ich musste die Fakten geordnet kriegen – aber mir ist als habe ich seinen Test nicht bestanden.
So, hier sind sie nun die Fakten: Trabucchi ist der 30 Jahre alte Gründer des Labels Hundebiss, das selbstgebastelte Tapes produziert. Gerade hat er bei dem Berliner Label Souterrain Transmissions unterzeichnet und ist mit The Soft Moon auf Tour. Der Manager von The Soft Moon sah ihn letzten Februar in Berlin spielen, empfand als gut, was er machte und zeigte seine Tracks der Band. Der gefiel es auch und sie holten ihn als Warm-up-Band an Bord. »Marco teilt sein Büro mit Souterrain Tranmissions, als er dort meine Demo abspielte, wollten sie, dass ich bei ihnen unterschrieb. Es war alles ganz lässig«, erklärt Trabucchi. Vorher war er den DIY-Weg gegangen, vier Jahre um genau zu sein, als er sein erstes Dracula Lewis-Tape auf seinem eigenen Label Hundebiss herausbrachte. »Ich hasste es meine eigenen Sachen auf meinen Label herauszubringen, aber anderseits habe ich mich auch nicht nach einem Label umgeschaut. Ich habe einfach mein Zeug gemacht ohne Demos rauszuschicken.« Also war Souterrain so ziemlich ein Glücksfall? »Wir können es Glück nennen«, gibt er trocken zurück, eindeutig nicht einverstanden. »Es geht eher darum, wie man an die Dinge, die man tut, herangeht. Ich habe für ein Jahr an der Platte gearbeitet and habe viel live gespielt. An einem bestimmten Punkt muss man das Studio verlassen, auch wenn man sich noch nicht bereit fühlt – so ist es sogar besser.«
Diese Old-School-Attitüde, rausgehen und die Dinge auf eigene Faust machen, mit einer offenkundigen Affintät zu Tapes ist verwurzelt in seinen, man kann es nicht anders sagen, Wurzeln. Er kommt aus der kleinen Stadt Vernasca, die auf dem Lande zwischen Mailand und Bologna liegt. Auf meine Frage wie so die Musikszene dort ist, lacht er and sagt: »Es gibt dort keine Musikszene.« Es gab keinen Plattenladen in der Nähe und er kaufte jedes Musikmagazin, das er in die Hände bekam, da er »die Bilder rund um die Musik mochte.« Er kontaktierte ältere, erfahrende Musikliebhaber aus dem Brieffreundeteil der Magazine; »Die Leute denken, die Sache mit den Brieffreunden ist irgendwie traurig und einsam, aber das war es nicht. Ich schrieb Leuten, die älter waren als ich und sie liebten es mir Platten zu geben und mich zu unterrichten. Ich konnte ihnen leere Tapes schicken und sie machten ein altes Misfits-Album oder so darauf. Ich habe viele Tapes und ich habe viel aus der Brieffreundegeschichte gelernt.«»Der Stereotyp ist zu einfach. Ich denke in der Realität, im Alltagsleben kann man mehr Horror finden.«
Dracula Lewis
Die Musik von Dracula Lewis hat einen gewissen Horrorvibe, der auch ohne den Transsilvanien-Mythos unbestreitbar ist, aber es scheint, als ob Trabucchi, auch wenn er gerade erst losstartet, sein Markenzeichen schon etwas über hat. »Dieser Horrorsound ist für mich ein Fluch. Ich habe niemals einen Horrorsong im Kopf, wenn ich was neues schreibe. Sogar wenn ich versuche einen entspannten oder minimalen Song zu machen, klingt er am Ende beängstigend. Es ist einfach in meinem Blut und das macht Sinn, weil ich kein entspannter Typ bin.« Sein Song »Permafrost« wurde in einem Keller mit einem alten Computer aufgenommen und die meisten seiner Lieder benutzen Fieldrecordings mit Wildkatzengeräuschen, wenn auch nicht direkt wahrnehmbar –»Am meisten liebe ich ihren Sound, während der Paarungszeit. Es ist sehr unheimlich.« – oder von seinen eigenen improvisierten Sessions bei denen er das Mikrofon aus dem Studio raushängt, so dass Autos und zufälliges Gepolter die Aufnahme irritieren. »Ich interessiere mich nicht mehr für die Realität von Fieldrecordings. Ich denke wir kennen unsere Geräuschkulisse schon ziemlich gut. Ich bin kein Dokumentarist. Ich mag es Fiktion zu kreieren.«