DJ Swagger, mit bürgerlichem Namen Lutz Reineke, kommt 1998 zur Welt und wächst in Bielefeld auf. Einen familiären musikalischen Hintergrund gibt es nicht wirklich. Sein Vater hört viel Rock und New Wave, vielmehr ist es aber Musik aus Skatevideos, die ihn bewegt, selbst mit dem Produzieren zu beginnen. Mit 10 Jahren beginnt Lutz, wenn er nicht gerade selbst auf dem Skateboard steht, Gitarre zu spielen. Ein Weile lang nimmt er auch Klavierstunden, doch schnell wird klar, dass es nicht sein Instrument ist. Er bleibt bei der Gitarre und nimmt später auch Bassunterricht. Heute lernt er Kontrabass.
Interessanter mit rund 14 Jahren sind zunächst YouTube-Mashups. Eine Weile lang. Schnell will er weiterkommen und dazulernen. Er fängt an, in den »schlimmsten Läden während der After Hour« aufzulegen, um mehr in die Clubkultur einzutauchen und Erfahrungen zu sammeln. Mit 16 Jahren wird er schon in ganz Deutschland gebucht, ein Jahr später geht es das erste Mal nach Frankreich. Musik steht ab diesem Moment im Vordergrund, allerdings nur so weit, dass »sie nicht nerven darf«.
Um etwas Handfestes zu haben, absolviert Lutz Reineke einen Bachelor in Mediendesign. Alle seine Visuals macht er demnach auch selbst – zum Beispiel das Cover für »rocks 2nite«, sein erster Release auf seinem 2019 gegründeten Label Goddess Music. Andere Layouts, Musikvideos, Merch und sogar selbst hergestellte Kerzen kommen dazu und bilden seinen kreativen Ausgleich zur Musik.
»Es ist die Faszination mit den Instrumenten, die ich jetzt im Moment irgendwie habe, die ich jahrelang nicht hatte, weil ich dachte, okay, mir reicht ein Computer«.
DJ Swagger
Mit den Jahren verändert sich sein Sound. Unter verschiedenen Alter Egos wie Interstate oder DJ Doom (zusammen mit Luz1e) kommen einige Veröffentlichungen zusammen, meist House und Breaks, dann »Englandeinflüsse« genauso wie einige Spaßprojekte, wie Lutz verrät. Mit »Minor Major Grand Schemes«, welches 2022 auch auf seinem Label erscheint, versammelt Lutz all seine Einflüsse, die jetzt auch HipHop, Techno und auszugsweise auch ein gewisses Maß an Pop umfassen. Das Album gilt als eine Art Erweiterung seiner stilistischen Trickkiste kreuz und quer durch alle möglichen Genres. Es ist das Produkt einer Langzeittherapie, einer daraus resultierenden Veränderung seiner Umwelt und der Suche nach der Balance des Gegensätzlichen.
Die Gegensätze ausbalancieren
Auch wenn er nicht ganz »happy« über das musikalische Endresultat ist, läutet das Album eine neue Phase ein. Lutz möchte sich persönlicher über seine Musik mitteilen. »Keine Lückenfüller mehr, dafür mehr Inhalt, was über Gesangs- und Instrumentenkanäle deutlich besser und verständlicher funktioniert als über Club-Tracks«. Es geht um das Musizieren, um ein Verständnis für die Instrumente, um die Szene, welche seit der Pandemie nur noch visuell Musik konsumiert, aber auch um die privaten Hörgewohnheiten, die sich stark verändert haben.
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So beginnt ein DJ Swagger-Set zwar immer noch mit rollenden Bässen, endet dann aber mit Bill Withers oder Anderson .Paak. Die verdutzten Gesichter nimmt Lutz gerne in Kauf. Das Aufbrechen von Genres und Schubladen lässt sich gerade auch auf seinem neuen Album »Chemistry Forever« auf Kommerz Records wiederfinden.
Aus einem stolzen Sammelsurium von mehr als 50 Demos setzt Lutz seine kreative Agenda immer mehr in Richtung klassisches Songwriting fort. Es ist gespickt mit Transformationen von UK-beeinflusster Electronica hin zu Neo-Soul und Indie. Das Album wirkt, als würde er Freund:innen eine ganz persönliche und sehr gut kuratierte Radioshow seiner One-Man-Band präsentieren, die unbedingt am Stück gehört werden sollte.