Ihr Konterfei schmückte bereits das Cover der folkRoots, die seit jeher über den anglo-amerikanischen Raum hinauszublicken pflegen. Das tut auch Devon Sproule: Auf ihrem aktuellen Album treffen kammermusikalische Bläser auf äthiopische Rhythmen, Jazz-Harmonien auf kunstliedhafte Poesie. Und dies so organisch, als ob jene Elemente immer schon zusammengehörten. I Love You, Go Easy zählt zu den raren Alben, die in ihrer stimmigen Dramaturgie unmittelbar fesseln und zugleich bei jedem Hördurchlauf neue Entdeckungen offenbaren – und steht damit in direkter Nachbarschaft zu Joni Mitchells Court & Spark und Joanna Newsoms Ys. Dass sich ihr sechstes Studioalbum von den drei Vorgängern, die ihr Renommee begründeten (insbesondere Keep Your Silver Shined gilt als Paradebeispiel zeitgenössischer Americana), in der Instrumentierung so unterscheidet, schreibt die 29-jährige v.a. dem kanadischen Produzenten Sandro Perri zu. Die Initiative, mit dem Multtinstrumentalisten aus Toronto in Kontakt zu treten, kam vom Manager ihres britischen Labels Tin Angel Records. »Mir gefiel die Idee, doch die Vorstellung mit einem mir noch völlig fremden Menschen ein Album aufzunehmen, machte mich auch etwas nervös.« Zumal ihr dabei zuletzt Ehemann Paul Curreri zur Seite stand. Doch da Devon Sproule in Toronto geboren wurde und dort ihre erste Lebenszeit verbrachte, bevor sie mit ihren Hippie-Eltern in die Selbstversorger-Landkommune Twin Oaks in Virginia zog, schloss sich für sie ein Kreis. »Als ich mehrere Konzerte in der Nähe der nördlichen Grenze hatte, ergab sich schließlich eine Gelegenheit, Sandro zu treffen. Er war es dann auch, der The Silt als Backingband vorschlug.« Ein Postrock-Trio, bestehend aus studierten Jazzmusikern, »die bereit sind, ihre Virtuosität zugunsten eines hübschen Störgeräuschs hinten anzustellen und dabei immer das Augenmerk auf das gerichtet halten, was den Song auszeichnet.«
Lernprozesse und Ohnmachtsgefühle»Mir gefiel die Idee, doch die Vorstellung mit einem mir noch völlig fremden Menschen ein Album aufzunehmen, machte mich auch etwas nervös.«
Devon Sproule
Und gerade dieses Weniger-ist-mehr-Verfahren kommt Devon Sproules neuen Reflexionen über das mittlerweile fünfjährige Zusammenleben mit »fellow artist« Paul Curreri besonders zugute: Ob sie in If I Can Do This zu Querflöten, zurückhaltender Tom&Cymbals-Percussion und minimalen E-Gitarren-Azenten im entspannten Tonfall die vertraute ländliche Idylle zwischen Weiher und Ackerland beschreibt, die Jahre seit der Hochzeit passieren lässt, um dann – nicht alle der jungen Gäste sind noch am Leben – leise zu appelieren: »While it’s still fun and games, while it’s still me and you/ Let’s give ourselves a taste of what we have to lose«. Ob im ergreifenden Titelstück, einer Klavierballade mit Bass-Klarinetten-Intro, sanft angeschlagener Akustikgitarre und Mantra-artigem Outro-Chor die Anstrengungen eines Paars geschildert werden, sich gegenseitig zu unterstützten, auch wenn der Lebensrhythmus des Partners manchmal konträr zum eigenen (»I say: Let’s call it a day /You say: I’m just coming awake«) erscheinen mag. Oder in The Unmarked Animals wo Twang-, Slide- und Funky-Gitarren, angetrieben von einem schleppenden Reggae-Beat à la The Ethiopians, wie mauzende Katzen mitunter kommunizieren und dabei gewitzte Friedensangebote (»I’m giving up my mother hold/ You’re giving up your night assault«) unterbreitet werden – alle Arrangements verhalten sich kongenial zu Sproules leicht über die Lippe gehenden Sprachspielen. »Ich glaube, der beste Vorsatz, den man für eine Ehe fassen kann – und diesen versuche ich in meinen neuen Liedern zu beschreiben – ist es, mit dem Partner solch eine Nähe anzustreben, dass die Befremdlichkeiten auf beiden Seiten sich quasi automatisch abscheuern.« Die gewährten Einblicke in die Lernprozesse des Ehepaars Sproule/Curreri bekommen aber dank der humorvollen Situationsbeschreibungen und der verwendeten Bilder nie den Geschmack einer distanzlosen Nabelschau. Selbst wenn Dialoge nur angedeutet werden, enthalten sie für den Hörer – wie bei einem guten Christian-Petzoldt-Film oder einem Roman von Melinda Nadj Abonji – genügend Assoziationspunkte für das Selbsterlebte. The Faulty Body etwa artikuliert die Ohnmachtsgefühle gegenüber dem Leid einer unheilbar erkrankten besten Freundin ebenso wie die tiefe Verbundenheit zu ihr. »You set me right, for the rest of my life./ It takes a faulty body to know one«, wird hier sie zu einem tröstend-versöhnlichen Arrangement aus Querflöte, Holzbläsern und gestrichenem Kontrabass resümiert. »Ihre Krankheit und ihr Sterben ließ mich zwar gegenüber all meinen körperlichen Belangen noch achtsamer werden«, räumt Devon ein. »Zugleich schärfte diese Erfahrung meinen Blick dafür, was es bedeutet in der Gegenwart zu leben – statt sich mit Zukunftsängsten zu quälen.«