»Weißt du, was das Allergeilste ist?«, fragt mich Brenk Sinatra. »Wenn die Leute nach zehn Sekunden checken, dass das mein Beat ist«. Der Producer sitzt in »seinem Museum« in Wien, neben ihm stapeln sich Synthesizer, aus den Drum-Computern quellen Kabel. Das Studio ist seine Schaltzentrale – hier entstanden Beats für Haftbefehl, MC Eiht oder Said. Dass sich Brenk Sinatra neben Producer-Credits zwischen West Coast und Offenbach eine Solokarriere aufgebaut hat, ist kein Geheimnis. Wann er den dritten Teil seiner »Gumbo«-Trilogie veröffentlichen würde, schon. Mittlerweile ist klar: »Gumbo III« erscheint im November. »Endlich«, wie Brenk sagt. Warum er damit seine Gorillajahre wiederbelebt, was den Vibe von damals ausmacht und wie man zum Beat-Allrounder wird, verrät er im Gespräch.
Der größte Treppenwitz der Beat-Geschichte wird wahr: »Gumbo III« erscheint!
Brenk Sinatra: Ha, wie bei Dre! Der hat seine Platte auch immer angekündigt, dann kam nix! »Gumbo III« ist meine private »Detox«-Geschichte!
Wieso hat’s so lange gedauert?
Ich war mir selbst mein größtes Hindernis, weil: Wenn man ein Projekt zerdenkt, ist das nie gut.
»Gumbo I« erschien 2008. Die Trilogie umfasst jetzt fast 15 Jahre.
Ja, Trilogie ist ein geiles Wort, aber weißt eh, ich hab tausend Sachen dazwischen gemacht! Für »Gumbo III« kam nie der richtige Moment vom Feeling her. Ich hab so viele Beats gelöscht, damit wären sich vier oder fünf Gumbos ausgegangen. Ich war musikalisch aber immer woanders!
Außer beim Sample-Chopping.
Eh, deshalb hat »Gumbo III« lange keinen Sinn ergeben! Trotzdem lag mir das Projekt am Herzen. Überleg mal: Viele haben wegen den »Gumbo«-Platten begonnen, Beats zu machen. Das erzählen mir die Leute immer noch. 2008, als »Gumbo I« kam, war es völliger Wahnsinn, ein Beat-Album auf Vinyl zu pressen. Jetzt gibt es einen würdigen Abschluss. Mit einer Collectors Box, einem Fotobuch und so Sachen.
Da schwingt viel Nostalgie mit, oder?
Unglaublich viel! Deshalb heißt das Ding »Gorilla Diaries 2012-2016«. Das waren wilde Jahre. Jeder Rap-Homie aus Wien oder eine Menge Rapper, die in Wien ein Konzert gegeben haben, landeten früher oder später am Freitag in einer der legendären Sessions in meiner alten Hütte. Wir haben Beats gespielt, geraucht und gesoffen. – Mayhem halt! Diesen konservierten Flavour wollte ich auf der Platte einfangen! Deshalb hab ich die Beats von damals – bis auf den Mix – nicht verändert.
Was vereint die Trilogie für dich?
Keinen F über Samples zu geben! Ich hab früher von YouTube-Werbungen, Soul-Platten oder sonst wo gesampelt. Mir war es scheißegal, woher das Zeug kam. Das ist eine Attitude, die in der Beat-Kultur heute nicht mehr geht, damals aber genau so war.
Manche Samples lassen sich nicht clearen, oder?
Digga, es ist unmöglich! Manchmal ist der Urheber verschwunden, ein anderes Mal gibt es den Verlag nicht mehr. Platten mit Samples, die früher nur unter Hardcore-Beat-Nerds bekannt waren, werden auf einmal gereissued. Du weißt es nie!
Wann wird das ungeclearte Sampling gefährlich?
Es gibt keine klare Richtlinie, aber wenn du ein paar Millionen Streams auf einem Ding hast, musst du beginnen aufzupassen. Davor kann es trotzdem passieren, meistens bleibt man aber unter dem Radar. Und: Bei Vinyl sprechen wir von Liebhaber-Auflagen von ein paar Hundert Stück. Dass da was passiert, ist unwahrscheinlich.
»Die Leute sollten checken, welchen Beat ich aus dem Sample gemacht hab, das ich auf dieser krassen ungarischen Platte gefunden hab.«
Brenk Sinatra
Mittlerweile sampelst du nicht mehr von YouTube.
Ich spiel die Sachen selber ein oder verändere die Samples so, dass man sie nicht mehr erkennt. Tricks, die ich früher nicht verwendet hab, weil es gar nicht darum ging, sondern um die Competition: Wer findet den krasseren Loop oder die verrückteren Drums? Die Leute sollten checken, welchen Beat ich aus dem Sample gemacht hab, das ich auf dieser krassen ungarischen Platte gefunden hab.
Du gehst also nicht mehr diggen, um Samples zu finden?
Egal wo ich früher hingekommen bin, ich war im Plattenladen. Manchmal hab ich unglaubliche Schätze gefunden. Die gibt’s immer noch, ich kauf trotzdem keine Platten mehr. Weißt du, ich hab grad mal zehn Rap-Alben auf Vinyl, aber die hör ich gar nicht. Ich stell sie nur hin, weil es legendary West-Coast- oder Süden-Classics sind, die ich feier.
Was macht das mit der Beat-Kultur?
Das Game von damals ist für mich vorbei – auch weil der Spirit nicht mehr da ist. Es ist mit zu viel Sorgen verbunden, ich kann nicht mehr careless sein. Wenn Shazam das Sample zuordnen kann, vergiss es!
Du kannst nicht mehr so easy denken wie früher, meinst du?
Der Sinn des Lebens ist doch, dass man evolved und weiterkommt. Ich hätt‘ was falsch gemacht, wenn ich so denken würde wie vor zehn Jahren.
Picasso soll mal gesagt haben, dass er ein ganzes Leben gebraucht hat, um wieder so zu malen wie ein Kind.
Du meinst das Unverdorbene, oder?
Ja, die gesunde Naivität, die man hat, wenn man nicht zu viel nachdenkt, sondern einfach macht.
Ich muss mittlerweile als Artist und Geschäftsmann denken. Das ist – milde ausgedrückt – nicht immer leicht. Ich hatte aber immer diese Hustler-Mentalität und für meine Ziele Tag und Nacht geackert.
Wie wichtig ist dir Geld?
Bei mir stand immer die Musik an erster Stelle, die Kohle an zweiter. Bei vielen anderen war es umgekehrt. Heute kann ich meine Erfahrung weitergeben und das Game auf den Tisch legen, um jüngeren Künstlern zu sagen: »Schau her, so funktioniert das.«
Wie funktioniert was?
Lügen wir uns nicht an: Jeder, der Musik macht, will… nicht unbedingt davon leben, sondern mehr Musik machen! Dafür brauchst du Zeit. Und deshalb brauchst du mehr Geld.
Das heißt, es gibt eine Brenk-Formel, der man folgen kann, um Kohle zu machen?
Absolut nicht! Ich zeig den Leuten nur obvious Fehler, die ich gemacht hab, damit sie andere nicht mehr wiederholen müssen. Weil: Ich war in meinem Leben leider oft der erste mit Dingen! Es gab keinen Blueprint für das, was ich machen wollte. Ich konnte also niemanden fragen. Deshalb war ich das Zugpferd.
Du hattest keine Tutorials, deshalb klingt das Zeug von dir auch nicht nach einem YouTube-Producer mit 300k Followern.
Ich fühl mich echt alt, wenn ich das sag, aber: Es gab damals kein scheiß YouTube, weißt du?
Ich hab mal gelesen, dass du deine eigenen Tapes aus der Anfangszeit ausgegraben hast. Da seien Beats drauf gewesen, die klangen zum Beispiel nach Mobb Deep.
Am Anfang ist es völlig normal, dass man sich an Sachen orientiert, die einem gefallen. Das ist sogar gut, weil man einen Vergleichswert braucht. Wenn man dran bleibt, findet man zwangsläufig sein eigenes Ding. Dann überlegt man nicht mehr, wie man was machen muss. Man macht es einfach.
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Der Moment, in dem man nicht mehr über die technischen Skills nachdenkt, sondern einfach kreativ sein kann, oder?
Genau! Weißt du, was das Allergeilste ist? Wenn die Leute auf Play drücken und nach zehn Sekunden checken, dass das ein Beat von Brenk ist! Klar, das kommt nicht automatisch. Gerade am Anfang orientiert man sich, deshalb gibt’s auch diese Type-Beat-Scheiße. Davon kann man halten, was man will und ich judge die Leute nicht, aber: Man will doch nicht das ganze Leben lang Type Beat sein, oder?
Man will so klingen wie Brenk.
Man will einen eigenen Namen, Digga. Dabei hab ich auch Vorbilder, die ständig in meine Beats einfließen. Trotzdem bleibt meine Grundformel gleich. Ich könnte morgen Drum and Bass produzieren und trotzdem würde es nach Brenk klingen.
Weil …
Ich den Scheiß gelernt hab‘ wie ein kleines Kind, das gehen lernt. Deswegen sag‘ ich ja: Man orientiert sich, schaut bei anderen ab und probiert es genauso, bis man es selbst besser kann.
Man klaut bei anderen und macht was eigenes draus?
Absolut. Es ist wie bei Legosteinen. Du nimmst dir von überall was raus. Spannend wird’s aber erst, wenn du nicht die gleichen Teile verwendest wie alle anderen. Das heißt: Ich verwend‘ keine Clap, die davor schon 6.000 andere Typen in ihrem Track benutzt haben. Ich ändere sie so lang, bis sie nach mir klingt. Weißt du, das vermiss‘ ich an manchen Producern. Sie machen es sich zu einfach. Aber ich hör‘ das sofort, weil: Manchmal bin ich auch zu lazy und nehm‘ einen Loop von irgendwo. Der Task bleibt trotzdem, dass es am Ende nach dir klingt.
Es gibt also gar keine Brenk-Formel, sondern nur das Gebot, nicht so zu sein wie alle anderen?
Genau das! Und du musst den Hunger beibehalten!
Den Hunger?
Ja, weil die Leute immer noch glauben, dass Talent über Hustle und Grind steht. Das ist nicht so! Es ist 20 Prozent Talent und 80 Prozent Hustle. Glaub‘ mir, ich kenn‘ so viele talentierte Leute, die nie dorthin kommen werden, wo sie hinkommen könnten, weil sie nicht den Biss haben. Die Frage ist: Wo willst du im Leben hin? Willst du deine Mukke nur deinem Freundeskreis vorspielen oder willst du, dass Leute sagen, dass du ihr favorite Producer bist?
Wie war das bei dir?
Ey, ohne Scheiß: Als ich 1999 begonnen hab, auf einer Drum Machine rumzuklopfen, hatte ich keinen Plan! Um mich herum war Beat-Brachland, es gab niemanden, der das gemacht hat, was ich machen wollte. Deshalb hätt ich nicht mal im Traum daran gedacht, dass ich irgendwann davon leben kann! Im Gegensatz dazu bin ich damals wahnsinnig auf Dinosaurier abgefahren und wollte sogar Paläontologe werden. Für mich war das eine Zeitlang realistischer, als vom Beatmachen zu leben. Das sagt alles, oder?
Trotzdem bastelst du heute nicht an Skeletten rum, sondern an Beats.
Weil ich an mich geglaubt habe und in mich investiert hab. Immer wenn ich an Geld kam, hab‘ ich mir Equipment gekauft, das mich weitergebracht hat. Dadurch hab‘ ich auch viel verpasst. Andere waren ständig auf Urlaub oder bei Partys. Ich wollte nur bessere Beats bauen.
Du warst besessen …
Um den Leuten zu zeigen, dass ich es schaffen kann, voll! Das hat schon seine Gründe: Ich war das typische Wiener Migrantenkind mit hart arbeitenden Eltern, die alles versucht haben, dass ich eine bessere Zukunft habe als sie in ihrer Heimat. Trotzdem hab‘ ich die Schule abgebrochen und hatte ständig Probleme. Nicht weil ich dumm war, sondern weil ich eine komplett andere Vision für meine Zukunft hatte.
Eine, die mit Beats zu tun hatte, nehm ich an!
Immer schon! Als ich elf war, hat mir meine Mutter Tapes von Michael Jackson und solche Sachen gekauft. Sie ist fast durchgedreht, weil ich bei den Kassetten immer zurückgespult hab‘ wie ein Wahnsinniger. Ich hab damals nicht gewusst, wieso ich das mach‘. Es waren einfach Stellen in den Beats, die mir so gut gefallen haben, dass ich sie andauernd hören wollte.
Da ist es, das Ohr für den Loop!
Mein Herz ist an gewissen Stellen in den Tracks aufgegangen. Ich war so: »Oh mein Gott, wie geil klingt das jetzt? Mama, gibt’s diese Stelle nicht zehn Minuten lang?« Natürlich hat es die nicht gegeben. Deshalb hab ich immer wieder zurückgespult und einen Loop gebaut, ohne zu wissen, was ein Loop ist.
Wie ist das heute?
Ey, es ist immer noch so. Mein Sample-Ohr schläft nicht. Wenn irgendwo eine Leiter umfliegt, denk ich mir: Das wär die geilste Snare ever! Ich bin da echt gestört. In Filmen hör‘ ich dauernd Sachen, die ich danach rippen will. Und darum geht’s: Spitz dein Gehör für das, was du nicht selbst machst. Hör‘ dir Synthpop, Grunge und Techno an. Klick dich durch Spotify und tausend Playlisten. Hauptsache, du hörst was anderes, weil jedes Genre eine andere Emotion transportiert. Nur so wirst du zum Allrounder, nur so stichst du aus dem Game!