Daedelus – Er schwebt

10.05.2010
Foto:Aaron Bennett
Konzentriert entledigt sich Daedelus mit seiner jüngsten EP __Righteous Fist Of Harmony__ der Schwere der jüngeren, vielgeschichteten Produktionen, setzt auf Verzicht und punktet mit Entschleunigung.

Derjenige, der das Phänomen Daedelus neu für sich ergründet, der wird nach Orientierung dürsten, wenn er im Web 2.0 zum Rechercheanker ansetzt. Zu Beginn der Spurensuche erweisen sich die bei MySpace hinterlegten Charakteristika zur Musikrichtung wenig aufschlussreich. »Experimental, Live-Elektronik und melodramatischer Pop-Song« kokettieren mit einem etwas kruden Soundentwurf, dienen aber nicht der eindeutigen Typisierung. Die Bildersuche hilft auch nicht weiter. Diesen schlaksigen Mann mit dem viktorianischen Kleidungsstil vermutet man nicht gerade als Mitglied jener Brainfeeder-Crew um Flying Lotus, die anno 2010 den Status quo der Beatwissenschaften markiert. Er ist trotzdem drin. Die Videosuche verrät ein etwas genaueres, wenn auch ebenfalls diametrales Bild. In einem Video kniet das hagere Exemplar auf einem Fußboden, polt um, lötet, schraubt an alten Kinder-Casios und zelebriert die Leidenschaft des »Circuit Bending«, jener Musikkunst, die das kreative Kurzschließen elektronischer Musikgeräte zur Generierung neuer Ausdrucksformen zum Credo macht. Andererseits ist da die Rampensau, die mit ihrem individuellen Controller keine Gelegenheit auslässt, ihre Sampleteppiche aus ein Hundert Jahren Musikgeschichte auf Live- und Clubtauglichkeit zu untersuchen.†¨ All das ist Daedelus. Schwer zu greifen und aufgrund dieser Einzigartigkeit so überaus sympathisch. Sein Katalog umfasst abstrakte HipHop-Sinfonien und elektronischen Free-Jazz, der in 130 Beats pro Minute mündet und Busdriver zum Tee trifft. Auch Madlib hat ihn schon gesamplet. Vergleiche sind obsolet und wenn doch jemand nach ihnen verlangt, der wird am ehesten bei den Avalanches fündig. Auch auf der famosen neuen Mini-LP Righteous Fists Of Harmony lässt sich der Mann nicht fassen. Konzentriert entledigt er sich der Schwere der jüngeren, vielgeschichteten Produktionen, setzt auf Verzicht und punktet mit Entschleunigung. Die gerechte Faust der Harmonie scheint ihn getroffen zu haben. Er steht nicht wieder auf – er schwebt.