Conny Frischauf sucht mit einer Fülle von Fragen die Leere

22.07.2024
Foto:© Anna Weisser (Bureau B)
Conny Frischauf bringt mit »Kenne Keine Töne« ihr zweites Album heraus. Verstehen muss man darauf alles nicht, weil es auch genau darum geht: Wissen und Unwissen in perfekter Balance zu halten.

Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Und schon saust die Rakete ins Weltall. Im Cockpit sitzt Conny Frischauf und der Schall wird immer schwerer, je weiter sich die österreichische Musikerin von der Erde entfernt. Erfreulicherweise hat die Künstlerin ihr Aufnahmegerät dabei, um dieses Phänomen zu dokumentieren. Das neue Album »Kenne Keine Töne« ist nämlich eine ganz besondere Form der Raumfahrt und lässt sich selbst in der Schwerelosigkeit ergreifen: »Für mich ist Musik (…) immer etwas sehr Räumliches und Haptisches.«

Zwischen spacigen Synth-Sounds oder Kauderwelsch-Sprechgesang exploriert Conny Frischauf auch, was es bedeuten kann, Wissen und Raum aufzugeben, um ein bisschen zu träumen: »›Kenne keine Töne‹ (…) ist wie eine Leere, die ganz viele Möglichkeiten bietet.«

Neben ihrer Arbeit als Musikerin, hat Frischauf in den letzten Jahren auch ihren Master im interdisziplinären Studiengang »Transarts« abgeschlossen. Das Übergreifende hat damit auf mehreren Ebenen Programm: Als Sounddesignerin hat sie für dieses Jahr das Kompositionsstipendium der Stadt Wien erhalten und setzt sich dort kontextuell mit Gewässern auseinander.

»Wenn ich sage, ich kenne keine Töne, kenn ich dann nicht schon Töne?«

Conny Frischauf

Ihr Bewegen über und »entlang der Grenze« der Donau bringt sie damit zu geopolitischen und historischen Fragestellungen, sowie Fragen zur nationalstaatlichen Identitätsbildung, die wiederum durch Tondokumente auf Songs wie »Test« ins Album einfließen: »Ich glaube schon, dass in diesem Jahr – das ein wichtiges Wahljahr in Österreich ist – diese Identitätsfrage eine Rolle spielt.« So ist es auch in der Musik für Frischauf wichtig, »in eine historische Verkörperung hineinzugehen«.

Was muss gewusst werden, damit etwas entsteht?

»Ambivalenz und Gleichzeitigkeit spielen dabei für mich eine Rolle. Ich glaube, dass, wenn sich etwas äußert, es so stehen bleiben will – dann habe ich keinen Einfluss mehr drauf.« Conny Frischauf hat in ihrer Arbeit damit fast eine mediale Rolle. Die Musik rotiert um ein Mantra, das sich vor allem im Prozesshaften und einer Nicht-Aneignung manifestiert. Das beschreibt den fragenden Charakter gut, den die Künstlerin durch »Kenne Keine Töne« provozieren will: »Wenn ich sage, dass ich keine Töne kenne, kenne ich dann nicht schon Töne? Muss man etwas können, um etwas zu machen? Wenn ich keine Töne kenne, können sie nicht trotzdem kommen?«

Wenn etwas fertig ist, spüre man das, doch wenn es jetzt noch nicht das finale Album wäre, könnte sich genauso gut auch noch alles verändern, so die Künstlerin: »Meine Arbeit hat keinen Anspruch auf Vollendung«. Die sich in vielerlei Hinsicht als solche bezeichnende Autodidaktin verkörpert dabei eine Haltung, die ihrer transdisziplinären Arbeitsweise entspricht: Man muss immer gleich viel wissen und nicht wissen, um künstlerisch fruchtbar zu sein.

Conny Frischauf kennt keine Leere © Anna_Weisser (Bureau B)

Gemeinschaft ohne Event-Charakter

Dass ihre Musik viel von dem Dialog profitiert, ist nicht verwunderlich. Eben deswegen will Conny Frischauf ganz genau hinschauen, wenn im zeitgenössischen Kunstkontext von Gemeinschaft gesprochen wird: »Ich glaube, dass Gemeinschaft nicht nur durch einmalige Events entsteht, sondern dass es dieses In-Dialog-Treten braucht. Es geht um das Sich-aufeinander-beziehen-können. Das macht Gemeinschaft aus.« Den Tendenzen, in denen »Community« als Buzzword für künstlerische Vermarktung verwendet wird, steht die Musikerin entgegen.

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Obwohl sie auch Social Media teils skeptisch beäugt, hat Frischauf dennoch viel Verständnis dafür, dass man heute oft einfach auch nicht die Zeit hat, sich in solchen Prozessen zu engagieren: »Wenn man sich denkt, um wie viele Dinge man sich Gedanken machen muss, von Finanzen bis Weltpolitik: (…) Klar, dass es den Menschen so schwerfällt, sich auf diese Dinge einzulassen.«  Umso wichtiger ist es, Musik auch ohne das große Drumherum verstehen zu können. Denn so viel man über das man macht, in Erfahrung bringen kann, so wichtig bleibt es, es auch intuitiv zu verstehen. Das kann »Kenne Keine Töne« gut und landet am Ende seiner Raumfahrt wieder am Boden des Zeitgeistes.