Bluestaeb – »J Dilla in allen Ehren«

30.01.2014
Foto:Malte Seidel / © hhv.de mag
Er ist 22 Jahre alt und gilt als einer der Beatmaker hierzulande, auf den man ein Auge werfen sollte. Figub Brazlevič hat ihn gleich mal unter seine Fittiche genommen. Wir statteten dem Berliner einen Hausbesuch ab.

Mit 16 fing alles an, sagt Leon. Seine Eltern, beide Architekten, hatten irgendwann diese Phase, in der sie anfingen, sich brennend für »afrikanische Musik« zu interessieren. Er weiß diese oberflächliche Bezeichnung zu relativieren, ist sich der unendlichen Vielfalt der Musik vom schwarzen Kontinent bewusst und dass sie mit diesem Terminus so gut wir gar nicht beschrieben ist. Im Gespräch einigen wir uns darauf, da sie immerhin nicht ganz so ignorant ist wie »Weltmusik«: »Ich hab‘ acht Jahre lang afrikanische Trommeln gespielt, Djembé und Daruka. Diese Zeit hat mich ziemlich geprägt in der Herangehensweise an meine Musik.« Leon ist jetzt 22, Berlin born and raised, und hangelt sich gerade durch das 5. Semester seines Landschaftsarchitekturstudiums, mit dem er früher oder später in die Fußstapfen seiner Eltern treten will. Die Universität muss er derzeit jedoch stark vernachlässigen, denn seine Popularität als Produzent steigt. Leon ist nämlich: Bluestaeb.

Als wir beim Hausbesuch bei ihm vorbeischneien, sieht alles noch aus wie in einem klassischen Studentenleben: Leon lebt mit zwei Mitbewohnern in einer schönen Wohnung im Seitenflügel eines Altbaus in Berlin-Schöneberg. Dort hat er sein eigenes Zimmer, das auch gar nicht so vollgestellt ist mit Instrumenten, Vinyl oder dem, was man sonst vermutet. Eine Gitarrentasche neben dem Bett fällt ins Auge: »Mein Vater kommt manchmal vorbei und spielt ein paar Gitarrenriffs ein. Bis er 30 war, hat er in einer Jazzrock-Combo gespielt. Das ist echt cool, weil das ja auch ein generationenübergreifendes Ding ist. Und mittlerweile findet er sogar meine Tracks ganz in Ordnung.«

J Dilla in allen Ehren
Diese Tracks erhalten derzeit mehr und mehr Aufmerksamkeit, was viele Auftritte, inzwischen auch im Ausland, zur Folge hat. Wenn man dazu auch noch einen Job neben dem Studium hat, schafft man seinen Alltag nur, wenn alles akribisch durchgeplant ist. Doch es lohnt sich: die neben »afrikanischer Musik« auch stark von Jazz beeinflussten Tracks seiner Ende November bei Radio Juicy/Urban Waves erschienenen Debüt-LP »1991 Extraterrestrial« erfreuen sich sowohl bei Heads als auch bei rap-fernem Publikum steigender Beliebtheit. Doch wie lautet seine Formel? »Meistens fange ich mit den Drums an, die ich irgendwie baue, kommt ganz drauf an. Ich hab in letzter Zeit viel Breaks benutzt, aber dann auch so, dass man nicht hört, welche es sind. Die sind ja auch alle übernutzt. Ansonsten mache ich alles digital, außer sampeln vom Plattenspieler. Also ich hab jetzt keine analogen Synthesizer oder so was.«

»Ich hab‘ acht Jahre lang afrikanische Trommeln gespielt, Djembé und Daruka. Diese Zeit hat mich ziemlich geprägt in der Herangehensweise an meine Musik.«

Bluestaeb
Wichtig sei aber auch die Stimmung, für die er erneut Inspiration aus Afrika zieht. Der dabei vollzogene Balanceakt zwischen Freude und extremer Trauer bringt logischerweise viele Emotionen mit sich, die er bei anderer Musik etwas vermisst – daran knüpft er für seine eigenen Kompositionen an. Stilistisch hingegen ergibt sich die Variation bei Bluestaeb wie von selbst, weswegen er sich nicht allein auf Boom- Bap beschränken möchte. Unter den Fittichen von Freund und Mentor Figub Brazlevič fand er überhaupt erst dahin zurück, nachdem er zunächst versuchte, J Dilla nachzuahmen: »Doch ab einem gewissen Zeitpunkt wurde das zu viel. Irgendwann hat jeder solche Beats gebaut und der Höhepunkt des Ganzen war dieses Dilla-Kit, das du dir bei Rapidshare downloaden konntest.« Irgendwann – »J Dilla in allen Ehren« – hätte das alles nach dieser »J Dilla-Grütze« geklungen, sagt er und schaut ein wenig verunsichert, so als ob das gerade Majestätsbeleidigung war. Ein bescheidener, fokussierter und hochreflektierter Jungspund ist Bluestaeb. Sein Alltag wird zwar von HipHop dominiert, doch auch das nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn für eine einseitige Ausrichtung ist er viel zu sehr Musikfreund und viel zu sehr er selbst.