Wer Black Milk nach seiner Botschaft an die Jugend fragt bekommt ein besonnenes »not lettin’ any force dictate what you wanna be or where you wanna go« zu hören. Auch der Detroiter Producer und MC ließ seinen Werdegang nicht davon bestimmen, wo er herkam.
Von der MPC zur Liveband
Der Sohn der Motor City produzierte für Slum Village und machte sich Anfang dieses Jahrtausends als Protegé von J Dilla einen Namen. Der Sound dieser ersten Jahre war noch deutlich von jazzigen Einflüssen inspiriert, die Boom bap und samplelastigen Tracks pflegten auf seiner geliebten MPC zu entstehen. Mittlerweile hat Black Milk den Weg der Genrefusion eingeschlagen. Seit seinem dritten Album »Tronic« steht das Live-Element im Mittelpunkt seines Schaffens, und auch immer mehr Synthieflächen haben sich in seine Beats geschlichen. Seitdem Black Milk diesen instrumentaleren Weg beschreitet, tourt er bevorzugt, wie auch am vergangenen Mittwoch im Berliner Cassiopeia, mit Liveband. Black Milk selbst trat eher als Arrangeur denn als ein das Programm dominierender MC in Erscheinung. Auf seine Ansagen hin gab die Nat Turner Band eine Prince-angehauchten Version von »Hold It Down«, furiose Instrumentalsoli, einen musikalischen Schlagabtausch zwischen dem scratchenden New Yorker am Mischpult und dem Detroiter am Schlagzeug und eine Gesangseinlage des Keyboarders ganz in James-Brown-Manier zum Besten: Unterhaltung jenseits von Drummachine-Spektren.
Vom XXL-Shirt zum Button-Front
Dass sich Black Milk weder von Szenennormen noch von Geschmackspräferenzen anderer beeinflussen lässt, zeigt sich an diesem Abend auch an seinem Bühnenoutfit. 2005, als sein Debüt »Sound Of The City Vol.1« erschien, trug er noch Snapbacks, auf den zwei darauf folgenden Artworks posierte Black Milk im Hip Hop-Dresscode: Baggy-Jeans und lockeres XXL-Shirt. Je experimenteller er jedoch mit den Jahren an seiner MPC schraubte, je reifer sich sein Storytelling und auch die die immer umfassendere Instrumentalisierung seiner Beats gestalteten, desto normbefreiter kleidete sich auch der Musiker. So auch diesmal im Cassiopeia, wo Black Milk in weinroter Stoffhose und brav hochgeschlossenem Hemd mit Fuchsprint – seinem Lieblingsshirt, wie er behauptete – auftrat.
Über Szenegrenzen hinaus
Auch am Erscheinungsbild der Anwesenden im Cassiopeia glaubte man ablesen zu können, dass Black Milks Sound mittlerweile auch Musikliebhaber außerhalb von Hip Hop-Kreisen begeistert. Neben Baseballjacken-Trägern und unauffälligeren Backpackern waren an jenem Abend auch Fischermützen, Rauschebärte und andere Hipster-Attribute präsent, die ausnahmslos eher ältere Semester zierten.
Hip Hop mit Raum für neuen Sound
So zeigte das Konzert vor allem eines: Selbst wenn sich ein vielversprechendes Talent wie Black Milk von Genrestandards lossagt, um seinen eigenen Weg zu gehen, Verbindungen zu den Wurzeln und zu vergangenen Schaffensphasen werden nie vollständig gekappt. Im Cassiopeia eröffnete der Producer und MC den Abend mit den Kernstücken seines jüngsten Album »No Poison No Paradise«, einer Platte, mit der Black Milk ganz unbewusst das Raue und Schnörkellose seiner Anfangsjahre wiederbelebt hatte. Geschlossen wurde das musikalische Ereignis mit »some real rap shit«. Somit verzichtete Black Milk auch hier nicht auf seinen Hintergrund, sondern konstruierte sich daraus einen Bezugsrahmen, der mittendrin genug Raum für seinen neuen Sound ließ.