Ausklang | 2017KW29 – 8 essentielle neue Platten

21.07.2017
Hunderte neue Releases, jede Woche. Davon viele sehr gut – und bereits von diversen Portalen vorgestellt. Wir präsentieren: die unvorgestelltesten, besten Releases der Woche. Ab vom Schuss, leicht daneben und tierisch geil: der Ausklang.
Mushi & Lakansyel
Koté Ou?
Granit • 1983 • ab 22.99€
Die langen Spaziergänge auf den Privatstränden unser Restinnerlichkeit also, das weiße Glühen der Einsamkeit im Gedränge. Ja, die Sonne fällt schräg auf die Schädeldecke und das ist schön, aber nein, das ist nicht die Zeit für Spritz zu zweit. Es sind Nahkampferfahrungen der flatternden Herzkammern, ein konvolutisches Zucken der Menschlichkeit. Gestreckt sind diese Töne wie illegal destillierter Rum, der um der Blindheit vorzubeugen verzuckert wird, und ohrenbetäubend samtig obendrein. So klingt das also, wenn der Herbst wie ein langer dunkler Schatten den Sommer überzieht, grell und tosend, nur allerdings ohne einen Laut. KC

Jeremy Spellacy
Jeremy Spellacy presents Crown Ruler Sound
Spacetalk • 2017 • ab 27.99€
Voll geil wie der Kristoffer so kurz vor seinem Italien-Abgang noch den ungenierten Romatik-Cornball in sich entdeckt hat. Wenn ich ihm doch nur noch »I’m Gonna Pack« in sein Edge-dominiertes Übergangsleben hätte mitgeben können. Kosmik 3 ist Spritz für zwei, angebräunte Sideboobs in Männerunterhemden, der vertonte 22%-Tip auf die überteuerte Flasche Rosé, eine schwofende Dattel im Speckmantel. FA

V.A.
Simple Music Experience Volume 2
Macadam Mambo • 2017 • ab 27.99€
Ich schmeiße einen toten Raben in eure Spritzer, ihr Schmierfinken! Ein bisschen Dark Wave gegen die Schubidua-Sounds, United Assholes gegen gebronzte Sideboobs. Gestern stand ich zwischen zwei ICEs, beide dieselbe Endstation, beide fuhren nicht, »Personenunfall«. Zu »Severyl Spied« teile ich mich in zwei Hälften, bin Schaffner von beiden Zügen gleichzeitig und fahre trotzdem los.Ich mache Urlaub im Eisenbahntunnel, unendlich und in Lichtgeschwindigkeit, völlig zugedonnert, mit mehlverschmierter Fresse und dem Grinsen eines Bäckers im Gesicht, der seine Fingernägel im Fitnessbrötchen verbackt. PK

Boris
Dear
Sargent House • 2017 • ab 32.99€
Aattennshoon puriisu! Boris sind wieder da und obwohl das in den letzten Jahren nicht immer etwas Gutes bedeutete, verspricht allein »Memento Mori« eine Rückkehr zu Kernqualitäten, sprich schmutzigem Spritzbesteck und den größten Verstärkertürmen diesseits der Killasan. Das ist vielleicht noch nicht en par mit Boris in ihren besten Momenten, weil Boris in ihren besten Momenten besser als Musik an sich sein können, es ist aber immerhin ein Requiem auf die Selbstverlangweilung der eigenen Formelhaftigkeit durch die eigene Formelhaftigkeit hindurch. Schlitzohrig also, denn vom Einreißen und Wiederaufbauen verstehen diese drei doch immerhin das meiste. Also: Amplifier worship now! KC

V/Vm
Brabant Schrobbeler
Boomkat Editions • 2017 • ab 11.99€
Erstmals veröffentlichte, elf Jahre alte Aufnahmen von Leyland Kirby als V/VM. Es ist die Musik des Ausnahmezustandes, gemacht von jemandem, der Denkspiele liebt und ahnt, dass die Aufforderung, sich auf sie einzulassen, erfolglos bleiben muss. SH

Snippets findest du hier.

Mama Bubo
Planeta Haj
Endless Illusion • 2017 • ab 16.99€
Die besten osteuropäischen Disco-Platten sind ja die, die dem einfachen 4×4-Schwitzeskapismus vollkommen misstrauen, dabei aber clever genug sind ein paar Elemente zu behalten, die es möglich machen sich nach dem fünften Wodka nicht wieder zwangsweise fötal einzurollen. »Sen« ist das gagaistische Highlight auf einer superseltsamen Reissue der Tschechen von Mama Bubo und natürlich wundert sich keiner, wenn nach gut vier Minuten Anschwitzen dieser Downtown-beeinflusste Groove in einem Trompeten-Requiem aufgelöst wird und im Anschluss Kuckucksnest-Stimmen durch das Amnesia geistern. FA

Palmbomen II
Memories Of Cindy Part 2
Beats In Space • 2017 • ab 12.99€
Déjà-vu-Erlebnisse, Erinnerungsempfindungen, Reminiszenzen. Seit Oneohtrix Point Never waren die Temporallappenanfälle nicht stärker als bei Palmbomen II. Die eigentliche Frage ist ja auch: Warum hießen in den 1980er Jahren eigentlich alle Mädchen Cindy? SH

V.A.
A Weird State Of Experimental Experience
Kasual Plastik • 2017 • ab 18.99€
Heute will ich bei den Käfern sein, bei den Ameisen. Unter dem Korn deren Zeremonie beiwohnen. Die heißt »Art des Rassel« weil Käfer und Ameisen keinen Fick auf Grammatik geben und durch und durch geile Typen sind. Wir treffen uns im Honig, Kopfschmuck ist Pflicht, tausend kleine Wesen tanzen langsam synchron, über allem thront die zutiefst melancholische Gottesanbeterin, sie leitet die Zeremonie. PK