Ausklang | 2017KW28 – 8 essentielle neue Platten

14.07.2017
Hunderte neue Releases, jede Woche. Davon viele sehr gut – und bereits von diversen Portalen vorgestellt. Wir präsentieren: die unvorgestelltesten, besten Releases der Woche. Ab vom Schuss, leicht daneben und tierisch geil: der Ausklang.
Maria Rita
Brasileira
Optimo Music Selva Discos • 1988 • ab 19.99€
Dickhead-Opinion: in 8 von 10 Fällen sind rare brasilianische Platten ihr Geld nicht wert, es sei denn man kriselt gerade still und heimlich in die Ralf Möller Phase seiner späten 30er. Maria Ritas »Brasileira« Album aus dem Jahr 1989 hingegen: oida wow, allein »Kamaiura« ist ein, zwei Monatsmieten wert. Soviel Dekadenz war glücklicherweise schon seit »Outro Tempo« nicht mehr notwendig, nun kommt über das neue Optimo-Reissue-Label Selva Discos sogar noch eine Reissue des ganzen Albums. Für 19,90. Ein Nichtgehirnler. FA

Shabazz Palaces
Quazarz Vs The Jealous Machines Loser Edition
Sub Pop • 2017 • ab 23.99€
Shabazz Palaces sind totale Arschflöten und eigentlich habe ich mir geschworen, mir von denen kein Ton mehr blasen zu lassen. Aber erstens kommt es anders und vor allem als man lenkt. Frag Richie Porte. Ich bin wieder komplett in deren Schlaubergerarmen gelandet. Gleich zwei neue Alben haben die veröffentlicht, das eine ist prätentiöser Space-Eskapismusscheiss und das andere ist geiler Space-Eskapismusshit. PK

Pharoah Sanders
Izipho Zam (My Gifts)
Everland Jazz • 1973 • ab 20.99€
Helena Hauff erzählte mir mal, dass eine ihrer Secret-Golden-Pudel-Weapons eine Pharaoh Sanders-Platte sei und diese hier ist es zwar nicht, sie zieht dir aber immerhin die Yogamatte unter dem morgendlichen Chiasamenaufguss weg, stellt dir einen hart durchbrannten Kaffee aus dem kalkigen Vollautomaten ums Eck hin und gießt dir heimlich einen Schuss Branntwein dazu, während du verzweifelt die Augen zu öffnen versuchst. In Sachen Jazz-Reissues ist »Izipho Zam« so ziemlich das Gegenstück zu Alice Coltranes (fantastischen, versteht mich nicht falsch) Ashram-Aufnahmen, ein fiebrig verschwitzter Trip durch die Abgründe der Szene ohne dezidierte Erlösungsabsichten. KC

Keiji Haino
Watashi Dake?
Black Editions • 1981 • ab 32.99€
Wenn Alan Vega eine Katze gewesen wäre, die jahrelang von einer hochdepressiven Mittsechzigerin in zu langen und zu lange nicht gewaschenen Strickklamotten entsprechend manisch behandelt worden wäre und dann nach Jahren des holzvertäfelten Terrors zum Sterilisieren gebracht worden wäre, hätte er danach geklungen wie Keiji Haino auf »The Disallowed«. PK

Keiji Haino
Watashi Dake?
Black Editions • 1981 • ab 32.99€
Albtraumhafte Vorstellung: Siri schaltet sich nachts plötzlich selber ein und hat die Stimme von Anika. Und sagt, »please believe me, I am not a monster«. Ich würde der halt hart nicht glauben. Das Doofe wäre, dass ich mal wieder impulsiv die falsche Entscheidung treffen würde und anstatt, dass ich mein Handy einfach zertrümmere oder aus dem Fenster werfe, ich das Haus verlassen würde. Am Chicken Haus angekommen würde mir schlagartig klar: shit, ich habe meine Wohnung verloren. Anika ist da oben. To be continued…PK

Sheila Fleurator
E-Moon EP
Neubau • 2017 • ab 10.99€
Neue Neubau, 1x metallerner Sizzurp-Techno, 1x Resident Evil New Beat, 1x Los niños del padamn. 3x geil. FA

Rich La Bonte
Mayan Canals
Dark Entries • 1981 • ab 21.99€
Als 1981 diese jetzt von Dark Entries ausgegrabene »Mayan Canals EP« erschien, hatte Rich La Bonté schon ein halbes Musikerleben hinter sich. In den Sechzigern spielte er in der Garage Rock Band the huns, danach wurde er Musical-Sänger in New York, später zog es ihn nach Hollywood und er gründete das Plattenlabel fLAtDiSk Records. Zwischen 1973 und 1980 hat er diese neun Songs aufgenommen. Allesamt komplett unterschiedlich. Darunter ist auch dieses irgendwo zwischen The Source Family und Tony, Caro & John anzusiedelnde freaky Stückchen Folk zu hören. SH

Blake Baxter
When We Used To Play
Mint Condition • 1987 • ab 10.99€
Die Bassline geilt die Clubwand empor, rutscht über zwei bis drei Generationen Schweiß hin zu den Disco-Lights, die heute die Marschroute in Rot-Grün-Blau vorgeben. »When We Used To Play« von Blake Baxter widmete sich schon der Vergangenheit, als es 1987 erschien und macht doch heutzutage noch, was ein perfekter House-Tune tun muss: Dem Präsens eine Präsenz zu verleihen. Diese ist dringlich, dinglich und schmeckt selbst vier Jahrzehnte später nach Genitalien, fadem Schnaps und chemischen Reaktionen. Nur eben keinen Deut nach Nostalgie. KC