Ausklang | 2017KW27 – 8 essentielle neue Platten

07.07.2017
Hunderte neue Releases, jede Woche. Davon viele sehr gut – und bereits von diversen Portalen vorgestellt. Wir präsentieren: die unvorgestelltesten, besten Releases der Woche. Ab vom Schuss, leicht daneben und tierisch geil: der Ausklang.
Lowshore
Steda
Mind Everest • 2017 • ab 9.99€
Da geht die Liebe direkt durch die Hose ins Oberstübchen und bleibt dort kleben wie ein durchgekautes Streifenkaugummi an der Unterseite eines Schultischs: hartnäckig, süßlich, undurchdringlich bis absolut schlonzig, saftig, schmackig und schön – je nachdem, worauf du stehst, was dich antörnt und überhaupt. Ein schiebender, shuffelnder Traum von Trip durch die erdigen Untergründe des House-Universums – kratzig, aber nicht aufgekratzt. Don’t call it Lo-Fi House, sondern stell dir Lowshore einfach als eine Allianz aus DJ Sprinkles, Larry Heard und den verblichenen Frank & Tony beim Dumpster Diving im Gerätepark vor. KC

AJL Band
Take Me Dancing
FXHE • 2017 • ab 11.44€
À propos Liebe von untenrum: Omar S hat ja ein Herz, das nicht nur cholesterolbedingt so viel wie die halbe Welt wiegt. Jetzt also Disco-Soul aus Singapur auf FXHE, ja, mei, why not? Stilistisch ist das hier aber Philly mit Rüschenhemden und Dauerschweiß auf der Oberlippe, der einsamste Karoke-Hit einer Hinterhofbar im nördlichsten, das heißt dem Industrieviertel der Stadt. Die AJL Band liefert dir den Klammerblues ohne Gegenpart und darüber kannst du nun entweder traurig sein oder du bestellst dir noch einen Screwball mit viel Eis. KC

Khidja
Microb Tolouse Low Trax Remixes
Malka Tuti • 2017 • ab 13.99€
Tolouse Low Trax lässt eine deutsche Vernichtungskrieg-via-Teleprompter-Stimme über dem Voodoo-Topf schmoren, top Kombi um in einem Thawb abwesende Wellenbewegungen mit dem Arm auf der Tanzfläche zu machen. Moderne deutsche Clubmusik bleibt langsam und hat das Holz an der richtigen Stelle. In Zeiten von Slow Food darf das eben auch der Boner sein, slow. PK

Dice Raw
Thin line feat. The Roots
MCA • 2000 • ab 6.99€
Jaja, ganz ruhig: Die Neuauflage von DJ Bert hat nun doch ein Preorderdatum, wäre damit eiiigentlich für den Ausklang disqualifiziert. Wir drücken aber ein Auge zu, weil: heute offizieller Release dieses absurd guten Stückes. B-Movie-Horror-Shit aus Westflandern, ursprünglich von 1980, unfassbar gut wie da ein komischer Creep auf sein Insel-Paradies lädt und man absolut ahnen sollte, dass ein Nachkommen dieses Befehls eher die Hölle bedeutet. Und hell is hot, sexsüchtige Strubbelmonsterzombies und tödliche Amazonen. PK

Falco
Out Of The Dark (Into The Light)
Polydor • 2017 • ab 30.99€
Pop zu leben heißt Popstars sterben zu sehen. Falcos Tod markiert das Datum meiner Geburt als Pop-Fan, seitdem waren die Klassik For Kids-CDs mit Justus Frantz nur noch zweite Wahl, sorry not sorry. Irgendwann kam ich über meinen Bruder an Offspring und die Smashing Pumpkins, die beiden besten der insgesamt sieben Platten, die er sich in seinem Leben je gekauft hat. Jedenfalls aber: So unwürdig der Abgang von Falco an sich war, so bescheuert bleibt leider auch das verhetzt nachgeschobene Abtrittsalbum »Out Of The Dark (Into The Light)«, dessen Titeltrack aber immer noch etwas irre Prophetisches innewohnt. Der letzte große Popstar-Moment eines definitiven Popstars. Musste er denn aber sterben, damit ich leben konnte? Ohje. KC

Om Alec Khaoli
Say You Love Me
Awesome Tapes From Africa • 1985 • ab 12.99€
Alec »Om« Khaoli drückt dir zuerst ein Bier in die Hand, denn er will, dass es dir gut geht. Er will, dass du es angewinkelt mit bebendem Adamsapfel trinkst, damit die durch Palmenkronen brechenden Sonnenstrahlen sich im perligen Kondenswasser auf der Unterseite des Flaschenbodens brechen. Dieses Bier ist ein gutes Bier und dieser Tag soll ein guter Tag werden und dir, das lässt sich eben nicht oft genug betonen, soll es hier gut gehen. Und du lässt dich drauf ein und du grinst und du lachst und dann trinkst du fünf oder mehr davon, wer weiß das schon genau, aber siehst darüber nicht die Schatten, die durch seine Augen huschen. KC

V.A.
La Torre Ibiza: Volumen Dos
Hostel La Torre • 2017 • ab 24.99€
Gehen wir von einer nondeskripten Inseleinsamkeit rüber zur ibizenkischen Flauschigkeit und lassen uns in irgendeinem seelenlosen Design-Hotel nieder, wo wir uns von Mark Barrott und Kollege Pete Gooding hinter dem All-Incluse-Buffet mit international bereinigten Wellness-Vibes wegcocken lassen. Highlight von »La Torre Ibiza Volumen Dos« ist natürlich Oumou Sangaré, aber was zu »Otis« bereits gesagt wurde, ist dringend wiederholungsbedürfitg: »Vini Riley by the way is way overdue for a revival. You might think about a Greatest Hits.« »That’s a good idea.« »It’s good music to chill out to.« Tony fucking Wilson, the absolute legend. Wer das nicht feiert, kann kein guter Mensch sein. KC

Eamon Harkin & Justin Carter
Mister Saturday Night,Then & Now
Mister Saturday Night • 2017 • ab 27.99€
Und weil ich gerade eh schon in voller Dad-Pop-Rock-Montur bin, klappe ich ein letztes Mal das Visier herunter und werfe mich mit Menelik Wossenachews »Tezeta« noch tiefer in den Abgrund des Handgemachten, Alten. Zum Abschluss gibt es also äthiopischen Emo-Soul mit staubtrockenem Rachen und weit geöffnetem Herzen, gar nicht mal so unklug am Anfang einer in alle Hipster-Dance-Sparten abdriften Mr. Saturday Night-Compilation mit Selector-Anspruch platziert. Passt gut, fast noch besser als bei Barrott und Gooding, und würde sich wohl von »Otis« und »Say You Love Me« gesandwicht allerbestens geben. Aber jetzt: Was macht die Gegenwart, Kollegen? KC