Atmosphere – Kinder, macht das Beste draus

14.03.2008
Foto:Dan Monick Rhymesayers Entertainment
Atmosphere haben »When Life Gives You Lemons You Paint That Shit Gold« fertiggestellt. . In der Retrospektive mussten die beiden feststellen, dass es trotz Spaß und Vergnügen bei den Aufnahmen, wieder ein eher trauriges Album geworden ist.

Sean Daley und Anthony Davis haben ihr sechstes Album als Atmosphere fertiggestellt. »When life gives you lemons you paint that shit gold« lautet der lange, aber geniale Titel. Hergeleitet von einem amerikanischen Sprichwort wollen sie uns auf stylische Art und Weise sagen: Kinder, macht das Beste draus. Warum von Mangosaft träumen, wenn man schon alles für Zitronenlimonade am Start hat. Das klingt einfach, ist es aber nicht. In der Retrospektive mussten die beiden feststellen, dass es trotz Spaß und Vergnügen bei den Aufnahmen, mal wieder irgendwie ein eher trauriges Album geworden ist.

Slug:
»Felt ist mein Projekt mit Murs von den Living Legends. Das Ziel war, mit zweitrangigen Hollywood-Schauspielerinnen Sex zu haben. Eine Krücke für chancenlose Rapper wie uns. Aber es war auch der Versuch, die Karrieren dieser Frauen wieder nach vorne zu bringen. Damit haben wir auch schon Erfolge erzielt. Zumindest mit dem ersten Album für Christina Ricci, beim zweiten warten wir noch auf den gleichen Effekt. Wir haben zwar nie direkte Reaktionen von Christina bekommen, aber ihre Karriere hat sich seit unserem Album wieder zum Besseren gewendet, was eben unsere Motivation ist. Christina war ja ein erfolgreicher Kinder-Star, wie auch Lisa Bonet, der wir das zweite Album gewidmet haben, aber als sie älter wurden, waren sie nicht mehr so erfolgreich. Deshalb riefen wir das Projekt Felt ins leben, und Christina Ricci bekommt wieder gute Rollen. Bei Lisa haben wir zumindest Gerüchte gehört, dass es eine Cosby-Show-Reunion geben soll.«

»An Anthony erinnere ich mich das erst mal bewusst, als ich mit einem Kollegen in sein Keller-Studio kam. Ich war total stoned und habe alles Mögliche in Anthony und die Situation hinein interpretiert. Ich hatte einen tierischen Respekt vor ihm, da er nicht nur ausgezeichnete Beats produzierte, sondern einen unglaublichen Output hatte. Ich dachte er wäre ein richtig fieser und tougher Typ. Beyond hatte mir fünfzehn Songs mit Anthony aus dem letzten halben Jahr vorgespielt. Mein Homie und ich hingegen hatten in dieser Zeit bloß zwei Songs aufgenommen. Da wusste ich, dass wir auch mit Anthony zusammenarbeiten müssen, wenn wir etwas geregelt bekommen wollen, sich etwas bewegen soll. So kam es denn auch.«

»Es ist eine ganz andere Dimension von Liebe und Hass mit der man konfrontiert wird.«

Slug
»Unser Label Rhymesayers entstand 1993. Sadiq, Musab, Anthony und ich haben es gegründet. Zuerst war es nur ein lokales Projekt mit Tapes und Konzerten. Da wir aber eine sehr vernetzte und engagierte Musikszene haben, entwickelte sich alles ganz natürlich. Inzwischen arbeiten außer mir und Anthony noch zehn weitere Freunde bei Rhymesayers. Seid wir uns zum letzten Mal getroffen haben, hat sich das Label gut entwickelt, wir haben mindestens zehn Alben veröffentlicht, auch von unbekannten Künstlern, die jetzt Touren und Platten draußen haben. Bei unserer Labelarbeit gibt es viele Triumphe und wir lachen auch viel, aber gleichzeitig ist es auch anstrengend und frustrierend. Es ist eine ganz andere Dimension von Liebe und Hass mit der man konfrontiert wird. Anders als man noch Musik für seine Freunde Musik machte. Demnächst erscheint das Album von Abstract Rude bei Rhymsayers und auch von Eyedea & Abilities gibt es bald einen neuen Release.«

»Die »Sad Clown Bad Dubs«-Serie hatten wir bisher nur auf Konzerten verkauft, jede EP war und ist auf 20.000 Stück limitiert. Aber in vielen Städten und Ländern waren wir nie auf Tour. Deshalb verkauften wir sie irgendwann auch in unserem Plattenladen in Minneapolis und über unsere Webseite. Die »Sad Clown«-EPs #9, #10, #11, sowie demnächst Teil #12 und #13 sind also international erscheinen. Dann reicht es uns aber auch mit den »Sad Clown«-EPs, wir hören bald auf mit diesem Projekt.«

»Ich habe so um die 4.000 Platten. Nachdem ich als DJ aufhörte, habe ich ausgemistet: Ich verkaufte alle doppelten und alles was mit zuviel Emotionen aufgeladen war. In der Woche höre ich so 20 Stunden Musik von anderen Musikern und weitere 20 Stunden meine eigene Musik. Ich liebe es im Auto durch die Vororte zu heizen und dabei in voller Lautstärke meine Songs zu hören. Eines Tages werden meine Enkelkinder meine Plattensammlung für ein paar Kugeln Eis verkaufen. Mit Graffiti habe ich aufgehört als ich Vater wurde. Seitdem rede ich nicht mehr gerne darüber, denn ich habe deshalb ein schlechtes Gewissen, als hätte ich die Lehre abgebrochen. Ich hatte mich nicht ausreichend entwickelt und mein Stolz erlaubte mir nicht weiter zu machen. Ich habe auch gebreakt und aufgelegt, aber ich wollte nur noch eine Sache machen, die dafür gut. Vermutlich entschied ich mich für Rap, weil die Mädchen die Rapper am meisten mochten. In meinen Texten gibt es immer politische Inhalte, es gab noch keine Platte von mir, wo nicht auch ein gesellschaftskritischer Song dabei war. Ich verstecke das nur und kleide es in Metaphern. Oft denken die Leute es ginge nur um Frauen, aber das eigentliche Thema sind oft soziale und politische Anliegen. Immer wenn ich versuchte politische Inhalte direkt zu thematisieren, wurde es zu belehrend. Das mag ich nicht, der einzige der das darf ist Chuck D. Mein liebster Musiker, der nichts mit Hip-Hop zu tun hat ist Tom Waits. Auf der neuen Platte ist er bei dem Stück »The Waitress« dabei. Da geht es um die Komplexität des Menschen, wie wir uns gegenseitig bedingen und in welchen Wechselbeziehungen wir zueinander stehen, auch wenn wir es nicht immer wissen. Ich mache meine Musik nicht für andere Künstler, am liebsten wäre mir wenn die Arbeiterklasse zu meinem Publikum gehören würde. Ich verabscheu diese Diskussionen über Kunst. Die Simpsons und die Tatsache das man sie überall auf der Welt sehen kann, das ist für mich Kunst. Diesen Sommer werde ich in Deutschland rappen und wenn ich es an der Straßenecke für Kleingeld tun muss.«

Ant:
»Musikalisch gehen wir mit unserem Album diesmal in eine andere Richtung, da wir diesmal zusätzliche Live-Instrumentierung benutzt haben, professionelle Musiker haben mein musikalisches Samplegerüst nicht nur ergänzt, sondern sogar nachgespielt. Aber selbst mein Samplegerüst klang schon anders als unsere bisherigen Platten, die Musiker haben diesen Effekt natürlich noch verstärkt und das war für uns beide eine neue Erfahrung. Einige der neueren »Sad Clown«-EPs tragen bereits diesen neuen Sound, aber keines unserer bisherigen Alben. Sean habe ich 1995 durch unseren gemeinsamen Freund Beyond kennen gelernt. Ich kam mit Beyond in dieses Studio, wo Sean mit seinen Kollegen probte. Ich sagte ihnen sie sollten das mit den Overdubs lassen. Sie haben leider nicht auf mich gehört, es klang schrecklich, obwohl der Song eigentlich in Ordnung war. Später kam er dann in mein Studio um einen Chorus für Beyond aufzunehmen. Danach kam eins zum anderen.«

I»ch habe nie Platten verkauft, deshalb habe ich jetzt dieses Extra-Zimmer mit den obskuren Schallplatten. Nur einmal, ich war 17 Jahre alt, habe ich zwei Kisten verkauft weil ich dringend ein Flugticket brauchte. Ich habe es bereut, aber inzwischen fast alles zurückkaufen können.«

Ant
»Ich habe so zwischen 15.000 und 20.000 Schallplatten. Ich habe einen ganzen Kellerraum voll mit skurrilen Schrott-Platten. Ich brauche soviel Vinyl: Es ist Grundlage meines Handwerks, meiner Kunst. Ich weiß nicht genau warum, ich kann damit noch nicht mal angeben, denn ich habe kaum Besuch. Und wer in mein Studio kommt muss arbeiten, da bleibt keine Zeit um mit Schallplatten zu glänzen. Ich spreche noch nicht mal über Platten, ich bin auch kein DJ. Mir reicht es auch zu wissen, dass sie da sind und ich sie anzuschauen kann, ich muss sie nicht immer hören. Ich höre selten Musik, die nicht meine ist, oft nur im Auto. Zuhause kann ich kaum eine Platte oder ein Stück ganz hören. Mir reichen meist ein paar Bars. Ich finde es gut so viele Platten zu haben. Einer meiner Träume war meinen Namen auf einer Schallplatte zu lesen, ein anderer ein Zimmer voll davon zu besitzen. Ich hinterfrage das auch nicht. Ich habe nie Platten verkauft, deshalb habe ich jetzt dieses Extra-Zimmer mit den obskuren Schallplatten. Nur einmal, ich war 17 Jahre alt, habe ich zwei Kisten verkauft weil ich dringend ein Flugticket brauchte. Ich habe es bereut, aber inzwischen fast alles zurückkaufen können. Und das, obwohl ich fast nie eine ganze Platte höre. Die einzigen Platten die ich ganz hören kann sind die von Stevie Wonder. Er ist deshalb wohl so etwas wie mein Lieblings-Musiker. Ich will meist nur ein bestimmtes Stück von ihm hören, aber muss dann doch die ganze Platte hören oder sogar noch mehr. Vielleicht weil mich seine Musik an die Vergangenheit erinnert.«

»Seit etwa drei Jahren kann ich von der Musik leben. Das kommt daher, dass ich seitdem auf Tour gehe. Das hat sich zufällig ergeben, ich wollte nie von der Musik abhängig sein und hatte deshalb auch immer einen richtigen Job. Denn ich habe auch nie Beats verkauft und die Verkäufe von Brother Ali und Atmosphere reichten nicht zum Leben. Ich dachte die letzten zehn Jahre ›ich kann und will nicht auf Tour gehen‹, aber dann war es doch ganz OK. Ich würde heute wohl sogar Beats verkaufen, aber dann muss der Preis stimmen. Sonst gehe ich lieber auf Tour oder mache meinen alten Job. Ich muss dafür schon mit meinen Freunden zwei Wochen lang in der Bar unserer Wahl trinken können, sonst lohnt es sich nicht. Ich selbst habe keine Probleme damit an einem Abend 500 Dollar auszugeben, warum sollte ich dafür einen Beat von mir hergeben, das lohnt sich nicht. Ich habe mein Leben die letzten fünfzehn Jahre auch ohne Trinkgeld für Beats geregelt. Aber ich muss auch zugeben, dass es mir gefällt aufzuwachen und nur an Musik denken zu müssen. Ich glaube schon, dass wir die Kraft haben Dinge zu verändern, wir können eine innere Revolutionen lostreten, uns gegen Muster aufbegehren. Und Herausfinden wo unsere Talente und Aufgaben sind. Das würde schon einen großen Unterschied machen.«