Atmosphere – Die neue Ernsthaftigkeit

26.04.2011
Foto:Dan Monick Rhymesayers Entertainment
Atmosphere haben das Ernsthafte für sich entdeckt. Die Jungs aus Minneapolis haben dem bloß Unterhaltendem für einen Moment abgeschworen und eine Art Konzeptalbum über die Irrungen und Wirrungen des Familienlebens geschrieben.

Vor einem halben Jahr erst haben Atmosphere die EP To All My Friends… veröffentlicht, um die Wartezeit bis zum Release ihres siebenten Studioalbums zu verkürzen und schon ist die Platte da. Die gut sieben Monate in der Zwischenzeit haben Produzent Ant und Rapper Slug genutzt, um sowohl thematisch als auch musikalisch einen anderen Weg einzuschlagen, als auf der EP im September. The Family Sign ist ihr bisher ehrlichstes, persönlichstes und reifstes Album geworden. Slug dazu: »Als wir an den EP’s gearbeitet haben war das von vorneherein eine andere Zielsetzung. Es sollte einfach nur Spaß beim Schreiben und Aufnehmen machen. Als wir uns hingesetzt haben, um an The Family Sign zu arbeiten, waren wir viel konzentrierter und ich denke, wir haben das ganze auch ernster genommen.« Entstanden ist dabei ein Album, auf dem Slug viel mehr von sich Preis zu geben scheint, als je zuvor.
Der 38-jährige hat in seiner Karriere immer gerne Geschichten erzählt: über sich, Freunde, Bekannte und das Leben. Doch oftmals hat er seine Charaktere nur entworfen, um eine Botschaft zu transportieren. »Im Großen und Ganzen sind diese Charaktere immer dazu da gewesen, das zu kommunizieren, was mir gerade durch den Kopf ging.« – Auf The Family Sign scheint jedoch jede Geschichte ihren realen Ursprung zu haben. Alles was Slug uns am Mic erzählt, klingt echt. Und wo wir gerade beim »Erzählen« sind: So langsam ist es gerade zu unheimlich, wie gelassen und stilsicher uns der MC durch seine Stücke führt. Gerade jetzt, wo die thematische Lockerheit verschwunden ist und sich Slug ernsteren Themen annimmt, wird aus Unterhaltendem fesselndes Storytelling. Der zweite Song The Last To Say nimmt sich, begleitet von nicht viel mehr als einer Gitarre und ein bisschen Klavier, dem Thema »häusliche Gewalt« an. Und Became__, der dritte Song der LP, ist derart spannend, dass einem die Spucke wegbleibt.

»Ich glaube, ich habe langsam realisiert, dass ich nicht für immer ein Idiot bleiben kann. Entweder erwachsen werden oder an einer Whiskeyvergiftung sterben. Ich habe mich für erwachsen werden entschieden.«

Slug
Vom Unterhaltenden zum Ernsthaften
Insgesamt handelt The Family Sign weniger von den leichten Dingen des Lebens. Es geht stattdessen um die Beziehung zur Familie, das Loslassen falscher und das Würdigen echter Freunde, um Leben und Tod. Darauf angesprochen, ob der tragische und unerwartete Tod von Freund und MC-Kollege Michael Larsen (bekannt als Eyedea) die Arbeit am Album beeinflusst hat, gibt sich Slug nachdenklich: »Wahrscheinlich mehr, als ich es bisher realisieren konnte.« Die allgemeine Frage, warum das Album so viele ernste und so wenige spaßige Nummern beinhaltet, beantwortet Slug so: »Ich glaube, ich habe langsam realisiert, dass ich nicht für immer ein Idiot bleiben kann. Entweder erwachsen werden oder an einer Whiskeyvergiftung sterben. Ich habe mich für erwachsen werden entschieden.«
Auch die Instrumentals klingen ernster und sind weniger verspielt als zuletzt. Immer schon hat Ant in seine Produktionen Klavier oder Gitarre eingebunden und gerade in letzter Zeit sind die Alben sogar mit einer Liveband entstanden. Doch The Family Sign geht noch einen Schritt weiter. Nate Collis an der Gitarre and Erick Anderson am Klavier haben das ganze Album mitproduziert und so de facto ein Blues-Album geschaffen. Das passt natürlich prima zur allgemeinen Themensetzung, dennoch wünscht man sich manchmal etwas mehr positive Schwingungen. Natürlich kann so was funktionieren, wie Sage Francis zuletzt bewiesen hat, es ist halt nur nicht jedermanns Sache. Und für diejenigen, die damit nichts anfangen können, hält die Zukunft interessante Entwicklungen bereit, wie Slug einräumt: »Die Musik, an der wir für das nächste Album arbeiten, wird recht waltzy.«